Dirnenmord am Montmartre ROTE LATERNE ROMAN Band 8 (Rote Laterne Liebesroman) (German Edition)
»Sollte dich auch nur irgendwer fragen, ob du dieses Mädchen kennst, so musst du es abstreiten, Lilly. Unter Umständen kann dein Leben davon abhängen.«
Lilly wurde blass und begann zu zittern.
»Mein Leben?«
Yvette nickte. »Hör zu, ich mache mir Sorgen um dich. Meinst du nicht, es wäre besser, du würdest für eine Zeit nach in den Süden verschwinden? Es gibt dort auch ganz gute Plätze, an denen das Geschäft mit den Männern floriert. Die Riviera zum Beispiel.«
»Weshalb sollte ich verschwinden?«
»Weil du in Gefahr bist, wenn du dieses Mädchen kennst!«
»Aber ich habe doch nicht behauptet, dass ich es kennen würde«, sagte Lilly. »Ich sagte doch nur, dass mir dieses Gesicht irgendwie bekannt vorkäme. Du darfst sicher sein, Yvette, dass ich mit keinem darüber reden werde. Ich habe keine Lust, aus Paris zu verschwinden. Ich fühle mich hier sehr wohl.«
»Nun gut«, meinte Madame und ließ daraufhin die Fotografie in ihrem Ausschnitt verschwinden. »Ich habe dich gewarnt, Lilly, du musst es ja wohl wissen, was du tust.«
»Ich weiß das auch, Yvette«, sagte Lilly. »Aber was hast du mit dieser Sache zu tun?«Die Barfrau lachte dunkel vor sich hin.
»Herzchen«, meinte sie dann mit ihrer rauchigen Stimme. »Du wirst doch auf diese Frage keine Antwort von mir erwarten. Manches nämlich ist heißer als das Feuer.«
Vergeblich versuchte Lilly, Alexandre Picard zu erreichen. Er war weder im Büro noch in seiner Wohnung. So entschloss sich Lilly, zunächst abzuwarten.
Das Mädchen wusste, dass sich Yvette an diesem Abend gegen neun an der Seinebrücke 'La Lumiere' mit dem Clochard treffen wollte. Doch erschien Lilly ein Umstand merkwürdig, denn Yvette machte keinerlei Anstalten, das Haus zu verlassen. Statt dessen glitt um diese Zeit ihr Blick immer wieder nervös zu der imitierten Barockuhr, die neben dem verspiegelten Glasschrank hing, in dem man die Gläser aufbewahrte.
Gegen halb zehn läutete das Telefon. Lilly, die in der Nähe stand, wollte abheben. Doch Yvette kam ihr zuvor.
»Ich gehe selbst dran. Kümmere du dich um die Gäste.«
Das bedeutete, dass Lilly aus der Gegend um den Tresen zu verschwinden hatte. Aber sie tat dies bewusst langsam.
»Ach, du bist es, Victor«, hörte das Mädchen Yvette sagen. »Gut, Victor, ich danke dir. Du hast mich sehr erleichtert.« Damit legte sie auf.
Später stellte Lilly fest, dass Yvettes Gesicht wieder ruhig und glatt war. Die Barbesitzerin machte einen gelösten Eindruck.
Lilly fühlte, dass etwas geschehen war. Sie ging nach oben und holte sich einen leichten Staubmantel.
»Wo willst du hin?«, wurde sie von Yvette gefragt und aufgehalten.
»Ich gehe noch einmal an die Luft«, sagte Lilly. »Ich fühle mich nicht besonders gut.«
»Ausgerechnet jetzt, wo das Geschäft anfängt, sich zu beleben«, grollte Madame Yvette.
»Ich werde nicht lange wegbleiben«, sagte Lilly.
Sie lief quer über den Place de Fleur, eilte ein paar Gassen hinunter und ein paar Querstraßen hinauf, bis sie schließlich vor dem Haus stand, in dem Marcel wohnte. Sie sah, dass in seiner Dachwohnung Licht brannte. Die Haustür stand offen. Lilly hetzte über die Treppe hinauf und klopfte dann gegen die Milchglasornamente.
»Du, Lilly? Du bist ja käseweiß. Ist etwas geschehen?«
»Lass mich erst einmal rein Marcel. Ich fürchte, dass etwas passiert ist. Ic h habe den ganzen Tag versucht, Alexandre zu erreichen.«
»Alexandre ist gestern aufs Land gefahren. Aber er hat mir seine Telefonnummer hiergelassen. Willst du ihn anrufen?«
»Ach, ich weiß nicht, ob es richtig ist, ihn aus seinem Kurzurlaub herauszureißen.«
»Was ist geschehen, Lilly?«
Hastig und mit abgehackten Worten berichtete das Mädchen von dem Streit zwischen Yvette und dem Clochard Pierre und von dem nachfolgenden Telefonat. Desgleichen erzählte sie von den merkwürdigen Begebenheiten am heutigen Abend.
»Ich halte es doch für wichtig, dass wir Alexandre verständigen«, sagte Marcel. »Er wird nicht böse sein, wenn wir ihn stören.«
Lilly selbst wählte die Nummer und hatte den jungen Kriminalbeamten nach einer kleinen Weile am Telefon. Ganz kurz informierte sie ihn.
»Bon, Lilly«, sagte Alexandre darauf. »Hervorragend, dass Sie mich gleich informiert haben. Ich werde jetzt Palon verständigen und bin in zwanzig Minuten in Paris. Warten Sie bitte in Marcels Wohnung.«
»Das kann ich nicht. Ich habe Yvette versprochen, baldestmöglich wieder zurück zu sein. Ich
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