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Dirty

Dirty

Titel: Dirty Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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hervor.
    Er blieb an der Eingangstür stehen und sah mich an. Niemals habe ich einen verzweifelteren Blick gesehen, niemals so trostlose Augen.
    „Aber es ist so“, sagte er. „Was bist du, Elle? Ein Geist? Bist du Engel oder Teufel? Denn real kannst du nicht sein.“
    Diese Worte hatte er schon einmal gesagt, als seine Hände mich zum ersten Mal zum Erbeben gebracht hatten. Diesmal musste ich mich setzen, meine Beine gaben einfach nach, und ich sank auf den Boden wie eine Marionette, deren Fäden durchgeschnitten worden waren. Zerbrochen. Kaputt.
    „Ich bin rea?“, flüsterte ich.
    „Nicht für mich“, sagte er. „Du lässt nicht zu, dass du für mich real bist.“
    Ich blickte auf meine weiße Bluse mit den roten Blumen. Blumen aus dem Blut meines Zeigefingers.
    Blutrote Rosen blühten auf meiner weißen Bluse.
    Ich begann zu zittern. Mein Haar fiel mir ins Gesicht. Er konnte mich nicht sehen. Ich wollte nicht, dass er mich sah, konnte es nicht ertragen, konnte es nicht aushalten, dass er meine Tränen sah.
    „Bist du heute mit ihm ins Bett gegangen?“
    Die Worte, die jetzt nicht mehr wütend, sondern traurig klangen, ließen mich den Kopf schütteln.
    „Nein, Dan, bin ich nicht.“
    Plötzlich stand er neben mir. „Sieh mich an.“
    Das tat ich.
    „Ich liebe dich, Elle.“
    „Nein“, sagte ich. „Das tust du nicht.“
    „Ich liebe dich.“
    Ich schüttelte den Kopf. Tränen brannten auf meinen Wangen, hinterließen heiße Spuren, tropften über mein Kinn auf den Hals. Er nahm vorsichtig meine Hand, ohne auf das Blut zu achten.
    „Warum lässt du mich nicht hinein?“, fragte er.
    Man hat immer die Wahl im Leben. Man kann weitergehen. Sich zurückziehen. Stolpern. Fliegen. Fallen.
    Vertrauen.
    „Das möchte ic?“, murmelte ich und zitterte stärker, obwohl mir nicht kalt war.
    „Dann tu es. Ich verspreche dir, es wird alles gut werden.“ Er zog meinen Finger an seine Lippen und küsste ihn, küsste das Blut weg. Machte ihn rein.
    Und da erkannte ich die Wahrheit, die ich geleugnet hatte. Er hatte mich rein gemacht, rein und glänzend. Er hatte mich schön gemacht, und ich wollte ihn nicht verlieren.
    „Ich verspreche e?“, sagte er, und ich glaubte ihm.
    Und so habe ich Dan alles über meine Vergangenheit erzählt. Andrew war immer das Lieblingskind meiner Mutter gewesen. Ich glaube, sie wollte danach keine weiteren Kinder mehr, denn zwischen seiner Geburt und meiner lagen sechs Jahre, und gerne bezeichnete sie mich als ihre “süße kleine Überraschun?“. Wenigstens blieb es mir erspart, ein „Fehler“ genannt zu werden wie Chad. Zumindest hörte ich sie das einmal ihren Freundinnen gegenüber erwähnen, die zum Kartenspielen und Rauchen vorbeigekommen waren.
    Andrew war also ihr Liebling, und das zu recht. Er war klug. Beliebt. Lehrer und Priester beteten ihn an. Seine Klassenkameraden bewunderten ihn. Und in der Highschool waren sämtliche Mädchen hinter ihm her.
    Wir liebten ihn auch, Chad und ich, er war der perfekte ältere Bruder. Es machte ihm nie etwas aus, wenn wir an ihm klebten, er nahm uns überallhin mit. Er spielte mit uns, als er längst schon zu alt dafür war. Er verbrachte seine Zeit mit uns, und dafür vergötterten wir ihn. Außerdem schützte er uns vor unserer Mutter, die zwischen überbordender Liebe und schrecklichen Wutanfällen hin und her schwankte. Unseren Vater hingegen, dessen Alkoholkonsum von Jahr zu Jahr anstieg, ignorierte er vollkommen.
    Erst als ich älter wurde, begriff ich den Zusammenhang zwischen den Ausbrüchen meiner Mutter und dem Trinkverhalten meines Vaters, aber da war es schon zu spät. Wir alle hatten so lange damit gelebt, dass es einfacher war, so zu tun, als könnten wir ihn nicht sehen. Als Andrew einundzwanzig wurde, veränderte sich alles. Er ging viel aus und kam früh morgens betrunken, singend und gegen Türen hämmernd nach Hause. Er vernachlässigte sein Studium am College, brach es dann kurz vor seinem Abschluss ab und kam zurück nach Hause.
    Er hatte sich verändert. Er trank. Er nahm Drogen. Und er klaute, um sie zu bezahlen. Er trug das Haar nun lang und rasierte sich nicht mehr. Dann ließ er sich Ohrringe stechen und versuchte nicht mehr, unsere Mutter zum Lachen zu bringen.
    Und auch die Spiele, die er spielte, waren plötzlich andere geworden.
    Chad ignorierte er völlig, außer wenn er ihn als Waschlappen oder Schwuchtel beschimpfte. Woraufhin Chad sich noch mehr hinter seinen schwarzen Klamotten, seinem Eyeliner und

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