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Dirty

Dirty

Titel: Dirty Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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seiner Gothpunk-Musik verbarg. Er war erst vierzehn.
    Und ich war fünfzehn und fühlte mich merkwürdig. Mein Körper veränderte sich, ich trug keine Spange mehr und war größer als die meisten Jungs in meiner Klasse. Andrew sagte, ich sei schön. Dass er mich liebte. Und wenn ich ihn liebte, solle ich ein wenig nett zu ihm sein.
    Natürlich liebte ich meinen Bruder. Ich wollte ihm gefallen. Ich wollte, dass alles wieder so wurde wie früher, als er mit uns im Garten gezeltet und die ganze Nacht Geschichten über Ungeheuer erzählt hatte.
    Doch nun wurde Andrew zum Ungeheuer. Er hatte einmal geschworen, mich immer zu beschützen, aber er beschützte mich nicht vor sich selbst.
    Ich tat, worum er mich bat, drei Jahre lang. Ich dachte, dann würde es ihm vielleicht besser gehen. Es funktionierte nicht. Er trank noch immer und verlor eine Arbeitsstelle nach der anderen. Er wurde mürrisch und hasste die Welt aus Gründen, die ich nicht begriff. Manchmal verschwand er für ein paar Wochen und kam dann mit leeren Augen wieder zurück, während meine Mutter das gesamte Haus auf den Kopf stellte, um ihn zufriedenzustellen.
    Chad wurde älter, sein Make-up auffälliger, seine Klamotten noch schwärzer und die Musik noch lauter. Ich hörte auf zu lächeln. Zählen half, und beim Essen zu zählen noch mehr. Ich zählte Kuchenstücke, Popcorn und verschanzte mich hinter einer Schicht aus Fett und weiten Kleidern, um meine Schönheit zu verbergen, die mein Bruder gesehen hatte und offenbar nicht vergessen konnte.
    Niemand fragte mich, was mit mir los war.
    Chad wusste es, so wie ich wusste, dass in den Zeitschriften unter seiner Matratze Fotos von nackten Männern abgebildet waren. Wir sprachen nicht darüber. Chad und ich redeten fast überhaupt nicht mehr miteinander. Wir begegneten uns im Flur und saßen uns am Frühstückstisch gegenüber, und wir teilten mit Blicken unsere Geheimnisse, die niemand laut auszusprechen wagte.
    Ich wollte nicht wirklich sterben, aber ich hielt es zu dieser Zeit für eine gute Idee, mir die Pulsadern aufzuschneiden. Es blutete wie verrückt und tat vor allem mehr weh, als ich erwartet hatte. Zum anderen Handgelenk kam ich gar nicht mehr, weil mir beim Anblick des Blutes schwindlig wurde und weil Chad genau in diesem Augenblick ins Badezimmer kam, um mich zum Abendessen zu rufen.
    Es ist offensichtlich, dass ich diesen Selbstmordversuch nicht besonders gut geplant hatte. Meine Mutter schimpfte mich die ganze Zeit aus, während sie mich die Stufen hinunter in die Küche zerrte und mir ein Küchenhandtuch fest ums Handgelenk wickelte. Der Teppich auf den Stufen war ruiniert. Und den Bettvorleger in meinem Zimmer musste sie wegwerfen. Den Rest der Woche musste ich nicht in die Schule, und wir haben nie jemandem erzählt, was geschehen war.
    Sie verbot mir nicht, darüber zu sprechen … aber ich tat es trotzdem nicht.
    Der einzige Mensch, der mich fragte, warum ich das getan hatte, war Andrew. Er legte sich zu mir ins Bett und küsste die weiße Binde mit dem kleinen roten Fleck.
    „Warum, Ella? Warum hast du das getan? Doch nicht meinetwegen?“
    Als ich Ja sagte, begann er zu weinen. Ich bedauerte ihn, meinen geliebten Bruder, weil er so verloren klang, und ich beneidete ihn, weil ich seit Jahren nicht mehr fähig war, zu weinen. Er vergrub sein Gesicht an meinem Hals, sein Schluchzen wiegte uns, brachte das Bett zum Schwanken wie so oft zuvor aus anderen Gründen. Ich streichelte ihm immer und immer wieder übers Haar, bis er versuchte, mich zu küssen.
    Und da sagte ich zum ersten Mal Nein.
    „Nein?“ Seine Stimme klang wie zerbrochenes Glas. „Liebst du mich nicht?“
    „Nein, Andrew. Ich liebe dich nicht.“
    Ich rechnete damit, dass er mir wehtun würde, es wäre nicht das erste Mal gewesen. Er zerrte gern an meinem Haar und hielt mich an den Handgelenken fest. Und es gefiel ihm, zu kneifen.
    Ich wartete.
    Er fragte mich: „Nein?“
    „Nein.“
    Andrew stand auf und ließ mich allein im Bett zurück. Ich dachte, nun wäre alles vorbei. Ich hatte mich geirrt.
    Das Schreien meiner Mutter weckte mich auf. In der Küche zog Chad den Kopf ein, um sich vor ihren Schlägen zu schützen. Die Zeitschriften aus seinem Zimmer waren auf dem Tisch ausgebreitet. Cowpoke. Beef. Hung. Eine davon hatte sie zusammengerollt und hieb auf ihn ein wie auf einen Hund, der auf den Boden gekackt hatte.
    Andrew saß mit verschränkten Armen am Tisch und sagte nichts. Und er tat auch nichts, sah nur dabei zu,

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