Disco Dracula
sondern auch er selbst, seine Hülle. Aus der Wand beobachteten wir das Treiben, bis wir schließlich zuschlugen. Wir haben uns die Körper junger Mädchen besorgt, jetzt leben wir, haben dich infiziert, und du wirst auch leben wie wir, wirst Blut trinken und weiter saugen können, bis hier alles von einer wahren Vampirflut überschwemmt ist.«
Es war eine lange Rede, und Ro Bittl hörte gebannt zu. Sie gefiel ihm.
Längst empfand er keinen Abscheu mehr, denn er gehörte selbst dazu.
»Lasst uns jetzt gehen!« sagte Gitti. »Ich will nichts versäumen.«
Damit war ihre Schwester natürlich einverstanden, ebenso der ehemalige Discjockey und jetzige Vampir.
Lange genug hatte er sich verstecken müssen, das sollte endgültig vorbei sein. Er reckte sich und streckte beide Arme in die Höhe. Eine düstere Umgebung hielt ihn gefangen. Wolken türmten sich am Himmel.
Der Wind spielte mit ihnen und trieb sie wie Wattebälle vor sich her. Hin und wieder lugte ein blasser Mond am Himmel, und sein fahles Licht war Balsam für die Geschöpfe der Nacht. Das Mondlicht gab ihnen Kraft, sie tankten es und schienen zu wachsen. Die weiblichen Vampire konnten nicht mehr an sich halten und lachten laut, so dass ihr Gelächter über den alten menschenleeren Friedhof hallte.
Dann tanzten sie zwischen den Grabreihen, wobei ihre Gesichter wie fahle Kugeln leuchteten.
Ja, sie freuten sich, sie waren in ihrem Element. Eine Baumreihe schützte das Gräberfeld, über das die Vampire sich bewegten, vor neugierigen Blicken. Hintereinander gingen sie, die beiden Mädchen hatten die Führung übernommen.
Gitti schritt an der Spitze. Manchmal tanzte sie weiter, dann wieder blieb sie stehen, bückte sich und warf den Kopf herum, so dass er eine kreisende Bewegung vollführte und ihre rotblonden Haare durcheinandergeschüttelt wurden. Die weiblichen Vampire waren völlig aus dem Häuschen, sie dachten nur an die folgende Nacht, die sie zu einer Blutnacht machen wollten.
Der Friedhof war haargenau die richtige Umgebung. Sobald es dunkel wurde, schloss man ihn ab. In der Nacht jedoch wurde der Friedhof des öfteren von Pärchen bevölkert, die aus der Disco kamen und allein sein wollten, falls sie keine Lust hatten, sich auf dem Gelände der Rennbahn irgendwelchen Spielchen hinzugeben.
»Gehen wir sofort hinein?« wollte Ro Bittl wissen. Er konnte es kaum erwarten.
»Nein, erst wirst du den Meister sehen.«
»Und dann?«
»Läuft alles seinen gewohnten Gang«, erwiderte Gitti. »Schließlich bist du der Discjockey.«
Das stimmte. Ro Bittl erinnerte sich wieder daran, was er Heinz Grattner versprochen hatte. Er wollte ja die Schau leiten, wollte mit seinen Sprüchen und Witzen das große Ereignis anreißen. Nur gab es diesmal einen Unterschied zu sonst.
Er war ein echter Vampir!
Er schaute an sich hinab. »So kann ich auf keinen Fall gehen«, stellte er fest.
Die weiblichen Vampire schauten ihn an. »ja, das stimmt«, sagten sie wie aus einem Munde. »Aber wir haben an dich gedacht. Komm mit, Bruder.«
Die Vampirhexen verschwanden hinter einem alten Grabstein. Er glich schon fast einem Turm, stand unter einer alten Ulme und hatte eine dicke Moosschicht angesetzt.
Hinter dem Grabstein lag die neue Kleidung für Roland Bittl. Sie war passend für die Disco. Violett schimmerte die enge Hose, die an den Seiten eine Perlenstickerei zeigte. Das Hemd wies einen bläulichen Ton auf und bestand aus Seide. Es besaß einen breiten Schalkragen und eine Knopfleiste in der Mitte.
Roland Bittl zog sich schnell um, während seine Artgenossinnen Wache hielten.
Niemand war in der Nähe. Der Friedhof strahlte eine nahezu gespenstische Ruhe aus. Hier auf dem alten Teil brannten auch kaum Laternen, und wo sich die drei aufhielten, war es sowieso dunkel.
Nur hin und wieder sahen sie ein Licht. Dann blitzten die Scheinwerfer fahrender Wagen auf, wenn sie über die Straße An der Rennbahn fuhren. Das meiste Licht wurde jedoch von den noch dicht belaubten Bäumen gefiltert.
»Bist du fertig?« Gitti drehte sich um.
»Nur noch die Jacke.«
Sie wies die Form eines Boleros auf und zeigte eine beigeweiße Farbe.
Passend zum Hemd waren Biesen abgesetzt, und als Ro Bittl sich in seiner neuen Kleidung bewegte, da nickte er zufrieden.
»Ja, sie ist gut«, sagte er.
»Dann komm.«
Die weiblichen Blutsauger schlichen los. Sie schlugen den Weg ein, der zum Nebengelände der Rennbahn führte. Dort konnten sie in sicherer Deckung des Waldes bleiben und brauchten
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