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DJ Westradio

DJ Westradio

Titel: DJ Westradio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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gemacht: Ich hatte die da drüben überholt, ohne sie einzuholen müssen! Ich hatte mehr Poster an der Wand als viele Depeche-Mode-Fans im Westen. Wieviel Platz mochten die in ihren kleinen Zimmern in den Vorstadtreihenhäusern haben, zwölf Quadratmeter mit Dachschräge? Die Mittagssonne erhellte meine 20 Quadratmeter, ausgestattet mit Holzdielen und Stuck. Wer von da drüben wollte es mit meiner Postersammlung aufnehmen?
    Haben es Dir Deine Eltern erlaubt, daß Du Dir eine Dave-Gahan-Frisur schneiden läßt? Mit abrasierten Seiten, drei Millimeter Haarlänge? Meine Eltern haben sogar den Friseur bezahlt, und Deine? Wie gerne wärst Du ganz in Schwarz rumgerannt, wie Deine Stars auf den Postern, aber Deine Eltern in einem katholischen Kaff hätten Dich eher in ein Kinderheim gesteckt, als Dir so was zu erlauben. Pech für Dich, meine Eltern waren keine CSU-Wähler, sondern Individualisten, ich mußte sie nicht im Griff haben und ihnen heimlich Geld klauen. Sie ließen mich einfach mein Ding machen.

Praktische Arbeit
    In der 7. Klasse bekamen wir ein neues Unterrichtsfach: »Praktische Arbeit« – kurz PA. Das Konzept von PA war, die Schüler der DDR 14tägig für einige Stunden richtig echt arbeiten zu lassen. Dafür gab es in den Betrieben extra Lehrbeauftragte, die uns Teens einen Hauch von Berufsleben vermitteln sollten.
    Wir in unserer Klasse waren sehr gespannt, was da auf uns zukommen würde. Uns wurde gesagt, wir kämen in einen Betrieb, wo Wäschetrockner hergestellt wurden. Wäschetrockner hatte ich mal im Otto-Katalog unserer Nachbarn gesehen. Das waren solche Teile, die wie Waschmaschinen aussahen, wo aber die Wäsche nicht gewaschen, sondern getrocknet wurde, daher auch der Name. Ich dachte mir, daß dies einer der zahlreichen Betriebe der DDR sei, die für den Westexport hochwertige Konsumgüter herstellten. Möglicherweise fertigten wir dann dort fast echte Westwaren.
    Der Betrieb lag in der Ostvorstadt, nahe dem Hauptbahnhof. Er war nicht sehr groß und bestand aus einer Anzahl einstöckiger, grauer Werkstattgebäude, die sich um einen kleinen gepflasterten Hof gruppierten. Als wir vor dem Tor warteten, fragte ich mich, ob es sich hier wirklich um eine Produktionsstätte für westliche Konsumgüter handelte. Erste Zweifel kamen in mir auf. Man brachte uns in den Umkleideraum. Dort zogen wir uns unsere nagelneuen dunkelblauen PA-Latzhosen an, die uns unsere Muttis gekauft hatten. Dann endlichkam unser Lehrmeister, begrüßte uns und stellte uns sogleich das Produkt vor, welches wir nun hier anfertigen würden: den Wäschetrockner. Meine Euphorie verflog bei dessen Anblick schlagartig. Hier handelte es sich nicht um ein hochwertiges Erzeugnis, vollgepackt mit Elektrotechnik, sondern um ein Scherengitter zum An-die-Wand-Schrauben, an dessen blaugummierten Stangen man Wäsche aufhängen, also trocknen konnte. Eben schwebte ich noch über den Haushaltelektronik-Seiten des Otto-Kataloges, nun war ich wieder in der DDR gelandet.
    Dann ging es in die Produktion. Wir stanzten, nieteten, feilten und schraubten mit Hilfe von Maschinen, an denen schon unsere Großväter gearbeitet haben müssen. Besonders toll waren die Haarnetze, die man an den Bohrmaschinen aus Arbeitsschutzgründen tragen mußte. Die kannten wir schon aus dem Werkunterricht der früheren Schuljahre, aber hier waren sie noch häßlicher.
    Nach ein paar Monaten kamen wir in einen anderen PA-Betrieb und lernten eine Lehrwerkstatt im Stadtteil Lindenau kennen. Schon die Fahrt mit dem Linienbus dahin dauerte eine Ewigkeit. Vorsorglich hegte ich keine großen Hoffnungen. Der Betrieb in einer abgelegenen Seitenstraße bestand aus einem kleinen zweistöckigen Haus und einer langgestreckten Baracke. Wir wurden in mehrere Gruppen aufgeteilt. Eine wurde in eine Schlosserei entsandt und feilte und bohrte die ganze Zeit irgend etwas, das mir nicht in Erinnerung geblieben ist. Eine andere Truppe stellte Verbindungskabel für einen elektrischen Schnellkochtopf her, der jedoch genausowenig für den Export bestimmt war.
    Geradezu interessant war dagegen die Bauabteilung. Da rissen wir Zwischenwände eines alten Holzschuppens auf dem Werksgelände ab und zogen unter Anleitung unseres »Meisters« eine Ziegelmauer hoch. So richtig mit Kelle und Schaufel, Wasserwaage und Lot. Vorher noch Sand sieben und Zement mischen. Das war recht kurzweilig, und ich kann es heute noch, wenn auch nicht so ordentlich wie gelernte Maurer.
    Um die Arbeit noch authentischer zu

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