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DJ Westradio

DJ Westradio

Titel: DJ Westradio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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rum, was damals der letzte Schrei war. Triebis Jacke schmückte ein selbstgebastelter Anstecker: »Da lacht der Löwe, da kotzt der Bär – 822 Jahre sind schon ein bißchen mehr.« Nobi, wie Uwe genannt wurde, hatte einen der beliebten Depeche-Mode-Bürstenhaarschnitte und war mir deshalb schon sympathisch. Und Pyro machte das Trio komplett.
    Die drei kamen aus der Schule jenseits der Straßenbahngleisanlagen auf der Karl-Liebknecht-Straße Richtung Scherbelberg, keine fünf Minuten von unserer »Hoffmann« entfernt. Dort hatten wir bislang noch niemanden gekannt, denn alles, was östlich der Karl-Liebknecht-Straße wohnte, ging auf unsere Schule. So wurde an diesem historischen Frühsommerabend des Jahres 1987 endlich über die uns trennenden Gleise hinweg Freundschaft geschlossen zwischen Ost- und Westseite der Karl-Liebknecht-Straße. Die territoriale Grenze der Straßenbahnschienen war für uns nun gefallen, es wuchs zusammen, was zusammengehörte: Die New-Wave-Kids der Südvorstadt waren vereinigt.
    Von nun an trafen wir uns an den warmen Tagen auf dem Steinplatz gleich neben unserer Schule, im Winter bei Triebi zu Hause in einer riesigen Bauhaus-Wohnung am Scherbelberg. Wir gaben unserer neu entstandenen Clique den markigen Namen »Black Power«, wegen unserer schwarzen Klamotten. Außerdem wußten wir, daß es in den USA mal eine Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner mit diesem Namen gegeben hatte, und das fanden wir irgendwie toll, obwohl wir sonst überhaupt nichts darüber wußten. Außerdem legten wir uns noch ein Cliquenlied zu. Es gab von den Ärzten einen Song, dessen Refrain lautete:
    »Mit uns kommt sowieso keiner mit,
    denn wir sind die Ärzte, und wir sind zu dritt.«
    Wir machten daraus:
    »Mit uns kommt sowieso keiner mit,
    denn wir sind Black Power, und wir sind zu siebt.«
    Leider reimte es sich nicht so schön wie bei den Ärzten, also es reimte sich eigentlich überhaupt nicht, aber wir waren nun mal sieben Jungs und zogen damit laut singend, oder eher grölend, durch die Straßen unseres vereinigten Kiezes und fühlten uns großartig.
    Die meiste Zeit im Sommer verbrachten wir im übrigen nicht an einem Badesee, denn das war für uns »New Waver« einfach total uncool. Egal wie heiß es war: Wir trugen nicht mal kurze Hosen oder Sandalen, weil das einfach nicht zu unseren Outfits paßte. Wir gingen in eine nahe gelegene Eisdiele in der Kochstraße und verdrückten unzählige Eisbecher, um nach der Rückankunft am Cliquentreff sofort wieder dorthin aufzubrechen.
    Gern liefen wir auch als Gang bei Schuldiscos in der Nähe auf, denn zu den richtigen Discos an den Wochenenden in Jugendclubs fand man aufgrund des enormen Andrangs und fehlender Beziehungen zum Einlaß schwer Zutritt. Eine Ausnahme war die »Delicata«-Disco. »Delicata« hieß der Schlachthof, der gleich bei uns um die Ecke war. In dessen Kantine fand Freitag abend immer eine Disco statt, die von allen Cliquen aus den umliegenden Wohngebieten besucht wurde. Dort gab es öfter mal Stunk mit den »Straßen«-Typen, einer Clique aus der »Straße des 18. Oktober«, einem Neubaugebiet hinter den Gleisanlagen Richtung Bayerischer Bahnhof. Besonders Thümi hatten sie immer wieder auf dem Kieker. Unter dem Delicata-Discopublikum waren auch sonst immer ein paar ältere Jungs, die zu vorgerückter Stunde mit entsprechendem Alkoholpegel gewisse Aggressionen verspürten, besonders gegen solche Popper-Kids in schwarzen Klamotten, wie wir es waren. Es empfahl sich daher, mindestens 15 Minuten vor Schluß der Veranstaltung abzuhauen, um der obligatorischen Massenschlägerei zu entgehen.
    Absolute Highlights waren die Partys bei Triebi. Er hatte einen fünf Jahre älteren Bruder und sich schon einiges abgeschaut, was das Feiern anging. Jahrelang wurde von einer Party erzählt, an der bis zu 100 Leute teilgenommen haben sollen, und dementsprechend laut war es im ganzen Haus. Irgendwann nachts riefen die genervten Nachbarn die Polizei. Die Wohnung von Triebi lag im letzten Stock, und über ihr war ein großes Flachdach, welches man vom Balkon aus erklettern konnte. Kurz vor Eintreffen der Polizei verschwanden darum alle Gäste unbemerkt auf das Dach, und TriebisBruder öffnete den Vopos unschuldig die Tür zur leeren Wohnung.
    Günstigerweise hatten die Eltern ein Wochenendgrundstück bei Berlin und waren deshalb des öfteren nicht da. Glück für uns, daß Triebi ausgesprochen gastfreundlich war. Geheimnisumwittert war die Kammer hinter der

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