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DJ Westradio

DJ Westradio

Titel: DJ Westradio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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prima zwei Langspielplatten drauf. Diese Kassetten gab es aber nur im Intershop oder von der Westverwandtschaft. Statt Playmobil und Matchbox-Autos wünschte ich mir darum nun 90er Kassetten. Das war außerdem einfacher und billiger für die Westverwandtschaft,als schwer aussprechliche Schallplatten zu besorgen.
    Meinen Sharp-Kassettenrekorder habe ich übrigens noch heute. Er hat einen würdigen Alterssitz auf dem Küchenschrank gefunden, und trotz unzähliger Blessuren spielt er noch immer Musik. Er und ich – wir waren ein Spitzenteam.

New Wave
    Musik hörten wir ja bereits seit Ewigkeiten, aber 1986 kamen wir nun mit unseren 14 beziehungsweise 15 Jahren in das Alter, wo man seine Vorlieben für Musik und Jugendkultur auch in Form von Äußerlichkeiten wie Frisur und Klamotten offen zur Schau stellen wollte. Hierbei konnten wir uns an einem beachtlichen Angebot an westlichen Vorbildern orientieren. Die Auswahl fiel uns nicht schwer. Die langhaarigen Blues-Fans und Hippies waren für uns Relikte aus den 70ern, einem Jahrzehnt, welches für uns, kulturell gesehen, nichts Interessantes zu bieten hatte. Schwer angesagt war bei den ganz harten Jungs immer noch Heavy Metal, doch dafür waren wir zu brav. Metaller waren Prolls, meist besoffen, die sich gern prügelten, und außerdem gefiel mir weder ihr Outfit noch ihre Musik. Punks fanden wir schon cool, aber so wild wollten wir nun auch nicht rumlaufen. Außerdem waren wir ja schon irgendwie immer Popper und das nicht erst, seit wir mit Hawaiihemd und dünnem Lederschlips zu unserer Jugendweihe aufgetaucht waren.
    Nachdem wir die Jahre zuvor auf den Schul- und Ferienlagerdiscos noch zu Hitparaden-Popsongs Breakdance getanzt hatten, waren wir nun, bedingt durch unsere Lieblingsbands, auf dem New-Wave-Trip. New Wave gab es zu diesem Zeitpunkt schon über sechs Jahre, und es war eigentlich alles andere als »new«. Aber wir waren nun mal erst jetzt in dem passenden Alter füreine Jugendsubkultur, außerdem hatte uns die BRAVO in letzter Zeit mit den kommerziell erfolgreichsten New-Wave-Bands bekannt gemacht, und deren Outfit fanden wir cool. Nauni und ich zogen uns schwarz an und ließen uns Dave-Gahan-Bürstenhaarschnitte machen, und auch Thümi und Rüdi trugen von nun an hauptsächlich schwarze Klamotten. Das Fehlen von entsprechenden Szenegeschäften mit der nötigen Bekleidung konnten wir einigermaßen kompensieren: Man räumte seinen Klamottenschrank aus und brachte den Inhalt zur Färberei. »Alles in Schwarz bitte.«
    Dunkle knielange Wintermäntel aus den 60er Jahren kamen bei uns in Mode und waren in dem Kleiderschrank jedes Großvaters zu finden. Die altmodischen Lederjacken der eigenen Väter im 70er-Jahre-Schnitt wurden von geduldigen Müttern auf deren Nähmaschinen umgeschneidert – oder man schnitt selbst einfach alles unterhalb der Hüfte ab. Plötzlich war es nicht mehr ganz so wichtig, daß man Klamotten aus dem Westen hatte. Hauptsache, die Teile waren schwarz und ähnelten irgendwie den Klamotten der Lieblingsbands auf den Postern.
    Fehlten nur noch die Schuhe. Im Westen trug man Doc-Martens-Schnürstiefel oder Schuhe mit Schnallen und einer schicken Spitze vorne dran. Aber auch dafür fanden wir in der DDR »Ersatz«. Für keine 30 Mark konnte man in jedem größeren Schuhgeschäft robuste schwarze Arbeitsschutzschuhe kaufen, mit Profilsohle, in der Sechs-Loch- oder in der Zehn-Loch-Variante, wie bei Doc Martens. Natürlich sahen sie nicht wirklich so schick aus wie die englischen Originale, aber sie machten uns einigermaßen glücklich und sorgten bei derarbeitenden Bevölkerung für einiges Aufsehen, weil kein Proletarier verstehen konnte, wieso man in seiner Freizeit Arbeitsschuhe tragen konnte und diese auch noch auf Hochglanz poliert hatte.
    New Wave war für uns damals die elitär-melancholische Weiterentwicklung unseres bisherigen Popperdaseins. Wir separierten uns aber gleichzeitig entschieden von den düster-traurigen »Gruftis«, die noch schwärzer angezogen und geschminkt waren und noch deprimierter schauten als wir. In einer Disco sagte mal ein 14jähriger zu mir: »Ich bin Grufti, und deshalb lache ich nie.« Das fand ich lächerlich. Es gab für uns trotz fortgeschrittener Pubertät immer etwas, worüber wir lachen konnten, schließlich lebten wir in der DDR. »Über Kuba lacht die Sonne – über die DDR lacht die ganze Welt«, hieß es hierzu im Volksmund. Außerdem erschienen uns nächtliche Besuche von Friedhöfen und das

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