Doch die Sünde ist Scharlachrot
nichts«, eröffnete sie ihm. »Es sei denn, irgendjemand möchte meine Dartscheibe stehlen.«
»Ich wünschte, jemand täte es«, seufzte er, und sie lachte.
»Jetzt da wir uns getroffen haben, darf ich die Sachen in Ihr Auto legen?«
Sie hatte den Wagen an derselben Stelle geparkt wie am Tag zuvor, gegenüber vom Toes on the Nose, wo sich die Surfergemeinde bereits wieder versammelt hatte. Heute standen die meisten jedoch draußen und hatten ein Auge auf St. Mevan Beach. Etwa dreihundert Meter vom Parkplatz entfernt ragte das King-George-Hotel auf. Daidre machte Lynley darauf aufmerksam. Dort habe Santo Kerne gewohnt, erklärte sie. Und dann fügte sie hinzu: »Sie haben gar nichts von Mord gesagt, Thomas. Sie müssen es gestern Abend schon gewusst haben, aber Sie haben es nicht mit einer Silbe erwähnt.«
»Wie kommen Sie darauf, dass ich es gewusst habe?«
»Sie sind gestern Nachmittag zusammen mit der Polizistin weggefahren. Sie sind selbst einer. Polizist, meine ich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie es Ihnen nicht gesagt hat. Sie sind doch so gut wie Kollegen.«
»Sie hat es mir gesagt«, räumte er ein.
»Gehöre ich zu den Verdächtigen?«
»Wir alle sind verdächtig, ich selbst mit eingeschlossen.«
»Und haben Sie ihr gesagt …«
»Was?«
»Dass ich Santo Kerne kannte. Oder zumindest erkannt habe.«
Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort, und sie fragte sich, warum. »Nein«, erwiderte er schließlich. »Ich habe es ihr nicht gesagt.«
»Warum nicht?«
Er gab ihr keine Erklärung. Stattdessen bemerkte er: »Da ist Ihr Auto«, als sie es erreichten. Sie wollte auf einer Antwort bestehen; andererseits wollte sie sie gar nicht hören, weil sie sich nicht sicher war, was sie damit anfangen würde.
Sie durchwühlte ihre Tasche auf der Suche nach dem Schlüssel. Die Ausdrucke, die sie beim Watchman gemacht hatte, glitten ihr aus der Hand und flatterten auf den Bürgersteig hinab. »Verflixt«, sagte sie, während die Blätter sich mit Regenwasser vollsogen. Sie wollte sich schon hinknien, um sie aufzuheben. »Erlauben Sie«, sagte Lynley, stellte – ganz Gentleman – sein Paket ab und begann, die Blätter einzusammeln.
Überdies ganz Polizist, warf er einen Blick darauf und sah überrascht zu Daidre hoch. Sie fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.
»Hoffen Sie auf ein Wunder?«, fragte er.
»Mein Privatleben war in den letzten Jahren ziemlich unerfreulich. Ich finde, man sollte nichts unversucht lassen. – Darf ich fragen, warum Sie es mir nicht gesagt haben, Thomas?«
»Was habe ich Ihnen nicht gesagt?«
»Dass Santo Kerne ermordet wurde. Top secret kann es ja wohl kaum gewesen sein. Sogar Max Priestley wusste es.«
Er reichte ihr die Ausdrucke und hob sein eigenes Paket wieder auf, während sie den Kofferraum des Vauxhalls öffnete. »Wer ist Max Priestley?«
»Der Herausgeber des Watchman. Ich habe vorhin mit ihm gesprochen.«
»Ich nehme an, die Presse wurde von Detective Inspector Hannaford informiert. Sie ist diejenige, die entscheidet, wann Informationen öffentlich gemacht werden, denn ich habe Zweifel, dass es bei der hiesigen Polizei einen Pressesprecher gibt. Es sei denn, sie hat jemanden dazu ernannt. Mir hätte es nicht angestanden, davon zu sprechen, ehe Detective Inspector Hannaford die Information freigegeben hatte.«
»Verstehe.« Sie hätte schlecht sagen können: Aber ich dachte, wir sind Freunde, denn das entsprach nicht den Tatsachen. Es schien wenig sinnvoll, das Thema weiterzuverfolgen, also fragte sie stattdessen: »Wollen Sie jetzt gleich mit raus zum Cottage kommen, um das Fenster zu reparieren?«
Er habe noch einige Kleinigkeiten in der Stadt zu erledigen, erklärte er, aber wenn es ihr recht sei, wolle er anschließend nach Polcare Cove kommen und alles in Ordnung bringen. Sie fragte, ob er denn wisse, wie man ein Fenster reparierte. Irgendwie sei es kaum vorstellbar, dass ein Blaublut – ob nun im Polizeidienst oder nicht – wisse, was man mit einer Glasscheibe und Kitt anfing.
Er erwiderte, er sei zuversichtlich, dass er das schon irgendwie zufriedenstellend hinbekommen werde. Und dann fragte er – aus Gründen, die sie nicht verstand: »Führen Sie Ihre Recherchen immer in der Zeitungsredaktion durch?«
»Normalerweise recherchiere ich überhaupt nicht«, erwiderte sie. »Jedenfalls nicht, wenn ich in Cornwall bin. Aber wenn ich etwas nachschauen muss, ja. Dann gehe ich zum Watchman. Max Priestley hat einen Retriever, den ich
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