Doch die Sünde ist Scharlachrot
endlich auf, wie es um sie bestellt war. Sie würde sich weiterhin verweigern und die Drohungen und den Spott der beiden Beamtinnen über sich ergehen lassen können – oder sie konnte reden. Sie wählte die Option, die sie vermutlich schneller aus den Händen der Polizei befreite.
»Ich bin der Ansicht, die Menschen sollten sich an ihresgleichen halten«, begann sie.
»Und das hat Santo nicht getan?«, fragte Bea. »Was genau heißt das?«
»Genau das, was ich sage.«
»Was?«, hakte Havers ungeduldig nach. »Hat er es hinter Ihrem Rücken mit Ministranten getrieben? Mit Gespenstern? Schafen? Gemüsebrei? Was?«
»Hören Sie auf!«, rief Madlyn. »Er hatte andere Frauen, okay? Ältere Frauen. Ich habe es ihm auf den Kopf zugesagt, als ich es erfahren habe. Und ich habe es erfahren, weil ich ihm gefolgt bin.«
»Da waren wir bereits«, bemerkte Bea. »Wohin sind Sie ihm gefolgt?«
»Polcare Cottage.« Ihre Augen hatten einen merkwürdigen Glanz angenommen. »Er ist nach Polcare Cove gefahren, und ich bin ihm gefolgt. Er ist ins Haus gegangen und … Ich habe gewartet und gewartet, weil ich einfach dämlich war und glauben wollte … Aber nein. Nein. Also bin ich nach einer Weile an die Tür gegangen und habe dagegengedonnert und … Den Rest können Sie sich ja wohl denken, oder? Und das ist alles, was ich Ihnen zu sagen habe. Also lassen Sie mich in Frieden. Lassen Sie mich verdammt noch mal endlich in Frieden!« Und mit diesen Worten zwängte sie sich zwischen den beiden Polizistinnen hindurch und marschierte auf die Tür der Bäckerei zu. Im Gehen fuhr sie sich wütend mit den Handflächen über die Wangen.
»Polcare Cottage?«, fragte Havers.
»Ein überaus hübsches Ziel für einen kleinen Ausflug«, antwortete Bea.
Lynley wusste gleich, dass es keinen Sinn haben würde, das Cottage zu stürmen. Sie war offenbar nicht zu Hause. Entweder das, oder sie hatte den Vauxhall in dem größeren der beiden Außengebäude auf ihrem Grundstück geparkt. Er trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad seines Mietwagens und überlegte, was er als Nächstes tun sollte. Detective Inspector Hannaford zu berichten, was er in Erfahrung gebracht hatte, schien ganz oben auf der Liste zu stehen, aber er fühlte sich noch nicht bereit dazu. Stattdessen wollte er Daidre Trahair die Möglichkeit einräumen, die Dinge zu erklären.
Auch wenn Barbara Havers das bei ihrem Abschied im Salthouse Inn in Zweifel gezogen hatte, hatte er sich ihre Worte doch zu Herzen genommen. Er war in einer prekären Lage, und das wusste er, auch wenn es ihm zuwider war, das einzuräumen oder auch nur darüber nachzudenken. Er war verzweifelt bemüht, dem schwarzen Loch zu entrinnen, in dem er sich seit Wochen wähnte, und geneigt, sich an jedwedes Rettungsseil zu klammern, das ihn dort herausholen mochte. Die Wanderung auf dem Küstenpfad hatte diese Rettung nicht herbeigeführt, wie er gehofft hatte. Und er musste sich eingestehen, dass Daidre Trahairs Gesellschaft in Verbindung mit der Güte in ihren Augen ihn veranlasst hatte, über Details hinwegzusehen, die andernfalls seine Aufmerksamkeit erregt hätten.
Denn er war tatsächlich auf ein weiteres Detail gestoßen, nachdem Havers am Morgen fortgefahren war. Und da er weder sturköpfig noch blind war, hatte er nochmals im Zoo in Bristol angerufen. Dieses Mal hatte er sich indessen nicht nach Dr. Trahair, sondern nach den Primatenpflegern erkundigt. Während er von einem Gesprächspartner zum nächsten und durch ungefähr ein halbes Dutzend Abteilungen gereicht wurde, ahnte er bereits, was er herausfinden würde. Es gab keinen Affenpfleger namens Paul in diesem Zoo. Vielmehr wurden die Affen von einem Frauenteam unter der Leitung einer gewissen Mimsie Vanee versorgt, mit der er sich schließlich aber doch nicht verbinden ließ.
Noch eine Lüge. Ein weiterer Punkt, der ein schlechtes Licht auf Daidre warf und der geklärt werden musste.
Er war zu dem Schluss gekommen, dass er endlich die Karten offen auf den Tisch legen musste. Schließlich war er derjenige gewesen, dem Daidre von Affenpfleger Paul und dessen todkrankem Vater erzählt hatte. Vielleicht hatte er aber auch irgendetwas, was sie gesagt hatte, missverstanden oder falsch gedeutet. Auf jeden Fall hatte sie die Chance verdient, die Sache aufzuklären. Hätte nicht jeder in ihrer Situation das verdient?
Er stieg aus dem Wagen, schlenderte auf Daidres Cottage zu und klopfte an. Wie erwartet, war die Tierärztin nicht zu Hause. Er
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