Doch die Sünde ist Scharlachrot
ein Foto von ihm hätten …«
Ben hörte das Wort ›Leichnam‹, doch sein Verstand weigerte sich, es aufzunehmen. »Ist er im Krankenhaus?«, fragte er. »In welchem? Was ist passiert?« Er dachte daran, dass er es Dellen würde sagen müssen und was es in ihr auszulösen vermochte.
»… furchtbar leid«, hörte er den Constable sagen. »Wenn Sie ein Foto hätten, könnten wir …«
»Was sagen Sie da?«
Constable McNulty wirkte nervös. »Ich fürchte, er ist tot. Der Junge. Den wir gefunden haben.«
»Santo? Tot? Aber wo? Wie?« Ben blickte hinaus auf die rastlosen Wellen, und in diesem Moment schlug eine Windbö gegen die Fenster und ließ sie in den Rahmen erzittern. »O mein Gott. Er ist da rausgegangen! Er war surfen!«
»Nicht surfen«, entgegnete McNulty.
»Was ist denn dann passiert?«, fragte Ben. »Bitte. Was ist Santo passiert?«
»Er ist beim Klettern abgestürzt. Materialfehler. In den Klippen bei Polcare Cove.«
»Er war klettern?«, wiederholte Ben verständnislos. »Santo war klettern? Mit wem? Wo …«
»Im Moment sieht es so aus, als sei er allein gewesen.«
»Allein? In Polcare Cove? Bei diesem Wetter?« Ben kam es vor, als könnte er nur mehr Informationen nachplappern wie ein sprechender Roboter. Mehr zu tun, hätte geheißen, es wahrzuhaben, und das konnte er nicht ertragen, denn er ahnte, was Wahr haben bedeutete. »Antworten Sie«, befahl er. »Antworten Sie mir, Mann, verflucht noch mal!«
»Haben Sie ein Foto von Alexander?«
»Ich will ihn sehen. Ich muss. Vielleicht ist es nicht …«
»Das ist im Augenblick leider nicht möglich. Darum brauche ich das Foto. Der Leichnam … ist nach Truro ins Krankenhaus gebracht worden.«
Ben stürzte sich auf das Wort ›Krankenhaus‹. »Also ist er doch nicht tot.«
»Mr. Kerne. Es tut mir leid. Er ist tot. Der Leichnam …«
»Sie sagten ›Krankenhaus‹.«
»In die Rechtsmedizin. Zur Autopsie«, erklärte McNulty. »Es tut mir furchtbar leid.«
»O mein Gott.«
Unten wurde die Eingangstür geöffnet. Ben schnellte aus dem Wohnzimmer und rief: »Dellen?«
Schritte näherten sich der Treppe. Aber es war Kerra und nicht Bens Frau, die in der Wohnzimmertür erschien. Regenwasser triefte von ihrer Kleidung auf den Fußboden, und sie hatte den Helm abgenommen. Ihr Scheitel schien der einzig trockene Teil ihres Körpers zu sein.
Ihr Blick fiel auf den Constable, dann sah sie Ben an und fragte: »Ist etwas passiert?«
»Santo.« Bens Stimme klang rau. »Santo ist tot.«
»Santo.« Und dann: »Santo?« Kerra blickte sich panisch im Zimmer um. »Wo ist Alan? Wo ist Mum?«
Ben konnte ihr nicht in die Augen sehen. »Deine Mutter ist nicht da«, murmelte er.
»Was ist passiert?«
Ben berichtete ihr das wenige, das er wusste.
Genau wie er fragte auch sie: »Santo war klettern?«, und der Ausdruck, mit dem sie ihn ansah, spiegelte exakt seine Gedanken wider: Wenn Santo zum Klettern gegangen war, dann wahrscheinlich seinetwegen.
»Ja«, antwortete Ben. »Ich weiß. Ich weiß! Du brauchst es nicht zu sagen.«
»Sie wissen was, Sir?«, erkundigte sich der Constable.
Ben wurde klar, dass diese ersten Minuten in den Augen der Polizei entscheidend waren, da sie ja anfangs nie wusste, womit genau sie es zu tun hatte. Die Polizei hatte einen Leichnam gefunden und ging davon aus, dass es sich um einen Unfall handelte, aber falls es kein Unfall war, musste sie in der Lage sein, mit dem Finger auf irgend jemanden zu zeigen und die richtigen Fragen zu stellen … Wo um Himmels willen blieb Dellen?
Ben rieb sich die Stirn. Das Meer war an allem schuld, dachte er. Immer lief alles auf das Meer hinaus. Nie war er wirklich im Einklang mit sich, wenn er das Rauschen des Meeres nicht hörte, und doch war er all die Jahre gezwungen gewesen, im Einklang mit sich zu sein. Aber all die Jahre hatte er sich unablässig nach dem Meer gesehnt, nach dessen riesiger, wogender Weite, nach dem Klang, nach der Erregung. Und jetzt das.
Nein, er allein war daran schuld, dass Santo tot war. Nicht surfen, hatte er gesagt. Ich will nicht, dass du surfst. Weißt du eigentlich, wie viele ihr Leben damit vertun, an irgendeinem Strand herumzuhängen und auf die perfekte Welle zu warten? Es ist verrückt. Pure Verschwendung.
»… schicken einen Kollegen vorbei«, sagte Constable McNulty.
»Wie bitte?«, fragte Ben. »Was war mit Ihrem Kollegen?«
Kerra betrachtete ihn, die blauen Augen verengt. Ihr Blick war forschend, und das war das Letzte, was Ben
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