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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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sie könne schließlich tun und lassen, was sie wollte, doch stattdessen legte er behutsam den Pinsel ab, trat ans Fenster und zwang es mit einiger Kraftanwendung auf. Es musste neu justiert oder geölt werden – oder was immer man tat, um einem Fenster eine Verjüngungskur zu verpassen.
    »Danke«, sagte sie. »Ich würde gerne eine Zigarette rauchen. Rauchen Sie? Nein? Das überrascht mich. Sie sehen aus wie ein Raucher.«
    Cadan wusste, sie erwartete von ihm, dass er jetzt fragte, wie ein Raucher denn wohl aussehe. Wäre sie jünger gewesen, zwischen zwanzig und dreißig vielleicht, hätte er es getan, weil er ahnte, dass eine solche Frage mit einem gewissen metaphorischen Potenzial durchaus zu interessanten Antworten führen mochte, aus welchen sich wiederum interessante Entwicklungen ergeben konnten. Doch er hielt lieber den Mund, und als sie fragte: »Es stört Sie doch nicht, wenn ich rauche?«, schüttelte er nur stumm den Kopf. Er hoffte, sie erwartete nicht, dass er ihr die Zigarette anzündete, denn sie sah genau wie die Sorte Frau aus, um die Männer üblicherweise eilfertig herumsprangen. Aber weder hatte er Streichhölzer noch ein Feuerzeug bei sich. Ihr Eindruck hatte sie indes nicht getäuscht. Er war in der Tat Raucher, hatte aber seinen Konsum in letzter Zeit ein wenig eingeschränkt, denn er hatte sich einzureden versucht, es sei der Tabak, nicht der Alkohol, der seinen Problemen zugrunde lag.
    Sie zupfte ein Streichholzbriefchen aus der Zellophanfolie, die ihre Zigarettenschachtel umschloss, steckte sich eine Zigarette an, zog daran und ließ langsam den Rauch durch die Nase entweichen.
    »Giftgas, Giftgas«, krähte Pooh.
    Cadan zuckte zusammen. »Tut mir leid. Das hat er ungefähr eine Million Mal von meiner Schwester gehört. Er imitiert sie. Er imitiert jeden. Tja, und sie hasst es, wenn jemand in ihrem Beisein raucht.« Und dann noch einmal: »Tut mir leid«, denn sie sollte nicht glauben, er wollte sie kritisieren.
    »Sie sind nervös«, bemerkte Dellen. »Das liegt an mir. Und das mit dem Papagei ist schon in Ordnung. Er weiß ja nicht, was er sagt.«
    »Na ja. Stimmt schon. Obwohl … Manchmal könnte ich schwören, er weiß es ganz genau.«
    »Wie die Bemerkung über das Vögeln?«
    Er blinzelte. »Was?«
    »›Polly will vögeln‹«, rief sie ihm in Erinnerung. »Das war das Erste, was er gesagt hat, als ich ins Zimmer gekommen bin. Ich will übrigens nicht. Vögeln, meine ich. Aber ich wüsste zu gerne, warum er das gesagt hat. Ich nehme an, Sie bedienen sich des Vogels, um Frauen aufzureißen. Haben Sie ihn deshalb mitgebracht?«
    »Ich nehme ihn fast überall mit hin.«
    »Das ist bestimmt nicht immer praktisch.«
    »Wir kommen schon klar.«
    »Tatsächlich?« Sie betrachtete den Vogel, doch Cadan hatte das Gefühl, dass es nicht wirklich Pooh war, den sie ansah. Er hätte nicht sagen können, was sie sah, aber ihre nächsten Worte verrieten ihm zumindest die vage Richtung ihrer Gedanken. »Santo und ich standen einander sehr nahe. Stehen Sie Ihrer Mutter nahe?«
    »Nein.« Er fügte wohlweislich nicht hinzu, dass es nahezu unmöglich war, Wenna Rice Angarrack McCloud Jackson Smythe – alias ›das Miststück‹ – nahezustehen. Sie war niemals lange genug am selben Ort geblieben, um Nähe auch nur ansatzweise zuzulassen.
    »Santo und ich standen einander sehr nahe«, wiederholte Dellen nun. »Wir waren uns sehr ähnlich. Sinnenmenschen. Wissen Sie, was das ist?« Sie gab ihm keine Gelegenheit zu antworten – nicht dass er ihr eine Definition hätte geben können – und fuhr fort: »Wir leben für Sinneserfahrungen. Für das, was wir sehen und hören und riechen können. Was wir schmecken können. Was wir berühren können. Und für das, was uns berühren kann. Wir erfahren das Leben in all seiner Vielfalt, in seinem Reichtum – ohne Schuldgefühle, ohne Angst. So war Santo. Ich habe ihm beigebracht, so zu sein.«
    »Okay …« Cadan hätte allerhand darum gegeben, das Zimmer zu verlassen, aber ihm fiel einfach nicht ein, wie er seinen Abgang bewerkstelligen sollte, ohne dass es nach Flucht aussah. Er redete sich ein, dass es doch eigentlich gar nicht notwendig sei, Fersengeld zu geben und zu verschwinden, und doch hatte er das beinah instinkthafte Gefühl, dass Gefahr lauerte.
    »Was sind Sie denn für einer?«, fragte Dellen, und dann: »Kann ich Ihren Vogel mal anfassen, oder beißt er?«
    »Er hat es gern, wenn man ihn am Kopf krault. Wo die Ohren wären, wenn

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