Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
am Leben.
Annie war vor sechs Wochen ausgezogen. Sie hatte in King’s Cross ein Haus gemietet und beabsichtigte, Untermieter aufzunehmen. Hier im Wirtshaus war sie untätig gewesen, überheblich aufgetreten und immer mit einer Miene herumgelaufen, als wäre ihr ein übler Geruch in die Nase gestiegen, deshalb war Garth froh, als sie verschwand. Mog mochte sich immer noch um Belle grämen, aber sie behielt ihren Kummer für sich und war eine tadellose Haushälterin. Er hatte sie wirklich gern, und er wusste, dass es Jimmy genauso ging.
Mog kam in die Schankstube, als Garth sich gerade einen kleinen Whisky einschenkte.
»Du fängst heute ja früh an!«, sagte sie scharf. Ihr Blick wanderte zum Kamin, der seit dem Vorabend noch nicht gereinigt worden war. »Es ist ein kalter Tag, im Kamin sollte ein Feuer brennen, bevor die ersten Gäste kommen.«
»Ich bin hier der Wirt«, stellte Garth klar. »Ich weiß, was getan werden muss, und der Kamin ist Jimmys Sache.«
»Er arbeitet im Keller und versucht dir aus dem Weg zu gehen«, erwiderte Mog. »Ich mache das Feuer. Er erledigt tagsüber so viel für mich, dass es das Mindeste ist, was ich tun kann.«
»Du bist eine gütige Frau«, sagte er mit belegter Stimme. Mog kniete vor der Feuerstelle, um die Asche herauszukehren, und aus irgendeinem Grund erfüllte ihn ihr Anblick mit Andacht. »Ich weiß wirklich nicht, wie wir ohne dich zurechtgekommen sind. Jetzt haben wir frisch gewaschene Hemden, gutes Essen und ein sauberes Zuhause.«
Mog richtete sich auf und kauerte sich auf ihre Fersen. Sie trug über ihrem dunklen Kleid eine graue Schürze, die durch eine schneeweiße ersetzt werden würde, wenn erst einmal alle Schmutzarbeiten im Haus erledigt waren. »Ich mache nur meine Arbeit«, sagte sie. »Aber meistens kommt es mir gar nicht wie Arbeit vor, weil dein Jimmy so ein lieber Junge ist. Ich weiß, dass du dich ärgerst, weil er wegen Belle nicht aufgeben will, und wahrscheinlich denkst du, es liegt an meinem Einfluss, aber ich kann nichts dafür. Er ist wie eine junge Bulldogge, die sich in einen Knochen verbissen hat.«
Garth musste lächeln, weil er sich erinnerte, dass seine Mutter dasselbe über ihn gesagt hatte, als er ein junger Bursche war. »Ich habe Angst, dass er Ärger bekommt«, gestand er.
»Du solltest öfter lächeln«, sagte Mog unverblümt. »Dann siehst du gleich viel netter aus.«
Jetzt lachte Garth. Ihm wurde bewusst, dass er viel mehr lächelte und lachte, seit Mog bei ihnen lebte.
»Wenn ich mehr lächeln soll, um netter auszusehen, solltest du etwas Hübscheres anziehen als Tag für Tag ein schwarzes Kleid, finde ich«, zog er sie auf.
»Aus einem Ackergaul kann man kein Rennpferd machen«, sagte sie und sah ihn aus ihren ruhigen grauen Augen fest an. »Und wenn ich anfange, mich aufzutakeln, werden die Leute sagen, dass ich es auf dich abgesehen habe.«
»Seit wann kümmert es dich, was die Leute sagen?«, fragte Garth, der sich über ihre Antwort amüsierte.
»Als ich für Annie gearbeitet habe, wusste ich genau, wer ich war«, sagte Mog nachdenklich. »Ich war ihr Dienstmädchen, ihre Haushälterin und vor allem ihrem Kind eine Mutter. Ich wusste über alles, was sich im Haus abspielte, Bescheid und habe Dinge über unsere Kunden gehört, bei denen dir die Haare zu Berge stehen würden. Aber jeder hier in der Gegend hat gewusst, dass ich keine Hure bin. Darauf war ich stolz. Es hat mir Würde gegeben.«
»Diese Würde hast du immer noch«, sagte Garth. »Nichts hat sich verändert.«
»Die Leute warten nur darauf, dass mir ein Ausrutscher passiert«, sagte sie. »Nur wenige hier haben Annie wirklich gern gehabt, sie war einfach zu kühl und hochmütig. Dasselbe haben sie von mir gedacht, ohne mich wirklich zu kennen. Und jetzt, wo Annie weggezogen ist, würden sie gern über mich herziehen. Wenn sie auf die Idee kämen, dass ich dein Bett wärme, um ein Dach über dem Kopf zu haben, hätten sie genug Stoff für Klatsch und Tratsch.«
Es war eine Überraschung, dass Mog so scharfsinnig war. Garth schätzte sie bereits wegen ihrer häuslichen Tugenden, aber bisher hatte er sie für eine schlichte Seele gehalten. In einer Anwandlung seltener Selbsterkenntnis wurde ihm klar, dass sie klüger war als er, und dass sie nur bei Annie geblieben war, weil sie Belle liebte.
»Ich würde nie jemanden auf die Idee bringen, dass du mein Bettwärmst«, sagte er. Er war etwas überrascht, wie viel ihm daran lag, was seine Kunden und Nachbarn
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