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Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Titel: Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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wir krank sind, kümmert sie sich um uns. Sie erwartet nicht, dass wir arbeiten, wenn wir unsere Monatsblutung haben. Bevor du anfängst, dich zu beschweren, Schätzchen, solltest du mal sehen, wie es manchen Mädchen in dieser Stadt ergeht. Meine Güte! Einige bekommen nichts Anständiges zu essen, sie werden ausgepeitscht, und man nimmt ihnen ihre Babys weg. Ich habe gehört, dass eine Madame, als ihr beliebtestes Mädchen nach Hause zurückgehen wollte, das Wort ›Hure‹ auf ihren Handrücken tätowieren ließ. Deshalb konnte sie nie in ihre Heimat zurückkehren. Falls du ein paar Stunden Zeit hast, kann ich dir Geschichten erzählen, bei denen dir die Haare zu Berge stehen.«
    »Aber ich brauche das Geld, um nach England zurückzufahren«, wandte Belle ein, obwohl ihr das, was Hatty erzählt hatte, einengewaltigen Schrecken einjagte. »Ich habe Angst, dass ich noch jahrelang hierbleiben muss!«
    Hatty lachte. »Schätzchen, nicht mal die wirklich hübschen unter uns werden jahrelang hierbleiben, jedenfalls nicht in diesem Teil der Stadt«, sagte sie und tätschelte Belle gönnerhaft den Kopf. »Am besten du bringst das mit Martha schnell in Ordnung, zeigst, was du kannst, und wartest ab, ob sich nicht ein reicher Mann findet, der dich zur Mätresse nimmt oder vielleicht sogar heiratet. Das ist der einzige Weg, den ich kenne, um hier rauszukommen, und genau das habe ich vor.«
    Ein paar Tage dachte Belle über alles, was Hatty ihr gesagt hatte, nach. Was sie am meisten erschütterte, war der Satz über Blumen, die nicht ewig hielten; ihr war nie der Gedanke gekommen, dass diese Arbeit zeitlich begrenzt war. Außerdem fiel ihr ein, dass Etienne ihr gesagt hatte, dass sich die Mädchen immer gut mit ihrer Madame stellen sollten. Ihre Mutter hatte sich über manche Mädchen immer wieder beklagt, und wenn sie darüber nachdachte, wurde ihr klar, dass diese Mädchen das Haus bald wieder verlassen hatten   – wahrscheinlich nicht ganz freiwillig.
    Es bestand kein Zweifel, dass Martha sehr verärgert war. Sie wandte sich ab, wenn Belle hereinkam, und sprach sie nicht ein einziges Mal direkt an.
    Belle erkannte, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als sich zu entschuldigen und die Sache ins Reine zu bringen; wenn nicht, wurde sie womöglich weiterverkauft. In Amerika betonten alle gern, dass die Sklaverei der Vergangenheit angehörte, aber auch wenn die Sklavenmärkte für Feldarbeiter und Hausangestellte verschwunden sein mochten, für Prostituierte, ob weiß, schwarz oder Mulattin, existierten sie hier in New Orleans immer noch.
    Jeder nahm diesen Stand der Dinge als gegeben hin; Marthas Mädchen redeten ständig über diesen inoffiziellen Markt. In der obersten Kategorie der Prostitution stellte ein Mädchen, das für sehr viel Geld den Besitzer wechselte, einen hohen Wert dar. So ein Mädchen konnte sich darauf verlassen, mit Samthandschuhenangefasst zu werden, solange Männer bereit waren, für sie ein Lösegeld wie für einen König lockerzumachen. Aber weiter unten in der Rangordnung hatten die Mädchen keine Rechte mehr. Niemand scherte sich darum, wie sie behandelt wurden, schon gar nicht die Polizei. Und Belle war sich ziemlich sicher, dass ein Mädchen, das es wagte, über diese Zustände zu sprechen, für immer zum Schweigen gebracht werden würde.
    Deshalb sagte sie sich, dass sie froh sein musste, in einem guten Freudenhaus gelandet zu sein, und dass sie einen beträchtlichen Wert verkörperte, weil sie jung, hübsch und Engländerin war. Sie musste ihre Arbeit gut machen, echten Einsatz zeigen und auf diese Weise dafür sorgen, dass ihr nichts passierte, bis sich eine Möglichkeit fand, aus dieser Situation zu entkommen.
    Also ging sie zu Martha und entschuldigte sich.
    Belle stellte fest, dass sie sich zwar an Dinge, die vor einer Woche passiert waren, kaum erinnern konnte, aber jenen Tag vor sechzehn Monaten, als sie Martha in ihrem Salon aufsuchte, noch deutlich im Gedächtnis hatte.
    Sie hatte für diesen Anlass das blassblaue Rüschenkleid aus Frankreich gewählt, weil sie darin besonders unschuldig aussah. Sie ließ ihr Haar offen auf die Schultern fallen und tupfte einen Hauch Rouge unter ihre Augen, damit es so aussah, als hätte sie geweint.
    Es war fast Mittag, und Martha saß in ihrem aprikosenfarbenen Nachmittagskleid und einem dazu passenden Turban auf ihrem Sofa.
    »Nun, was gibt es denn, Belle?«, fragte sie in eisigem Tonfall.
    »Ich wollte Sie um Verzeihung bitten«, sagte Belle,

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