Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
Hände waren eiskalt, aber in der Kutsche wurde ihr ein bisschen wärmer. »Wo ist denn Ihre Frau?«, erkundigte sie sich.
»Sie hat mich beauftragt, nach Ihnen Ausschau zu halten und Ihnen zu helfen«, antwortete Arnaud. »Meine Familie bringt sienach Hause; ich komme später nach. Avril hat mich auch gebeten, Sie zu Weihnachten einzuladen.«
Am nächsten Tag war Heiligabend, aber für Belle bedeutete Weihnachten nichts weiter als eine weitere Unannehmlichkeit, die sie daran hinderte, sofort nach England weiterzureisen. Selbst wenn am nächsten Morgen ein Zug ging, glaubte sie nicht, dass ihr genug Geld für die Fahrkarte geblieben war. Schlimmer noch, die kleine Barschaft, über die sie im Moment verfügte, würde schnell erschöpft sein, wenn sie in einer Pension abstieg. Sie musste unbedingt eine Arbeit finden, um etwas dazuzuverdienen, aber das würde angesichts ihrer mangelnden Französischkenntnisse nicht leicht sein.
Eigentlich hatte sie Captain Rollins bitten wollen, ihr etwas Geld zu leihen, es aber dann doch nicht fertiggebracht, und sie wünschte, sie hätte den Mut, Arnaud Germaine zu fragen.
»Ich würde sehr gern kommen, aber ich muss mir eine Arbeit suchen, weil ich nicht genug Geld für die Heimfahrt nach England habe«, platzte sie heraus.
»Ich bin überzeugt, das lässt sich alles regeln«, lächelte Arnaud und tätschelte ihr Knie.
Auf einmal war Belle verunsichert. Sie wusste nicht, ob es bloß daran lag, dass sie müde, verfroren und verängstigt war, aber sie hatte das Gefühl, dass seine vermeintliche Freundlichkeit nur gespielt war.
Ihr war eindringlich bewusst, dass es in Marseille nur eine Möglichkeit gab, schnell zu Geld zu kommen, und im Grunde hatte sie sich bereits damit abgefunden. Sie würde den Hotelplan anwenden, eine Idee, die sie von ein paar Mädchen bei Martha übernommen hatte. Aber auch wenn sie gern bereit war, einem Hotelportier ein paar Francs zuzustecken, damit er ihr die richtigen Kunden zuführte, hatte sie keine Lust, Arnaud Germaine oder irgendeinen anderen Mann finanziell von ihrer Arbeit profitieren zu lassen.
Das konnte sie allerdings nicht laut aussprechen. Vielleicht wollteArnaud sie ja wirklich nur aufmuntern. Wenn sie seine Bemerkung jetzt mit einer scharfen Erwiderung konterte, warf er sie womöglich aus dem Wagen und überließ sie ihrem Schicksal.
Letzten Endes sagte sie gar nichts; es schien die beste Lösung zu sein.
Madame Albertine, die rothaarige Besitzerin der Pension, überfiel Arnaud mit einem Wortschwall auf Französisch. Nach ihrer freudig erregten Stimme und ihrem strahlenden Lächeln zu urteilen, schienen die beiden gut befreundet zu sein.
Aber auf einmal schlug sie die Hände zusammen und wandte sich an Belle. »Ich sollte nicht Französisch mit Arnaud sprechen, wenn Sie es nicht verstehen«, sagte sie in perfektem Englisch. »Es tut mir leid. Können Sie mir verzeihen?«
Belle lächelte und meinte, sie habe hier in Frankreich nichts anderes erwartet und würde sich bemühen, während ihres Aufenthalts ein paar Brocken Französisch zu lernen.
Arnaud sagte, dass er gehen müsse und Belle sich keine Gedanken wegen der Rechnung machen solle, er werde sie als Dank für die Pflege seiner Frau gern übernehmen. Belle, die sich schämte, weil sie ihm misstraut hatte, dankte ihm, küsste ihn auf die Wange und wünschte ihm frohe Weihnachten.
»Bis bald«, sagte er und gab ihr einen Handkuss. »Ich lasse Sie mit dem Wagen abholen.«
Madame Albertine war um die vierzig und mit ihrem roten Haar, den grünen Augen und der kurvenreichen Figur sehr attraktiv. Sie trug ein wunderschönes Kleid aus silbrigem Brokat, das Belle sofort bewunderte.
»Ich gehe heute Abend aus«, erklärte Madame Albertine. »An jedem anderen Tag würden Sie mich in sehr eintönigen Sachen sehen, aber zu Weihnachten muss ich mich ein bisschen herausputzen.«
Als sie Belle die Treppe hinaufführte, sprach sie die Hoffnung aus, Belle würde sich nicht zu einsam fühlen. »Ich hatte ein volles Haus, aber jetzt sind alle meine Gäste zu ihren Familien gefahren.Aber in den nächsten Tagen werde ich Sie mit ein paar Freunden bekannt machen.«
Das Zimmer, das sie Belle zeigte, war klein, hatte weiß gestrichene Wände und Fensterläden, aber auf dem Messingbett lag eine bunte Decke, und Madame Albertine zündete gleich ein Feuer im Kamin an.
»Bald ist es warm«, versprach sie. »Wenn ich gewusst hätte, dass heute noch ein Gast kommt, hätte ich schon vor ein, zwei
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