Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
was du mir sagst, bleibt unter uns.«
Jetzt erzählte Lisette ihr alles, was sie wusste: Wie Belle ins Pflegeheim gekommen war und wie sehr sie das Mädchen gemocht hatte. Zuletzt sprach sie über Noah Bayliss.
»Er hat mir sehr gut gefallen«, gestand sie. »Fast wäre ich schwach geworden und hätte sein Angebot angenommen, mich hier rauszuholen. Aber ich hatte zu viel Angst.«
Gabrielle nickte. Die Leute, die hinter dem Geschäft steckten, junge Mädchen nach Frankreich zu bringen, waren absolut skrupellos, und Lisette würde es sicher nicht wagen, ihr Leben und das ihres Kindes einem fremden Mann anzuvertrauen.
»Aber wenn dieser Etienne Belle nach Amerika gebracht hat, muss er doch genauso schlimm sein wie die anderen! Wie kann sie sagen, dass sie ihm vertraut?«
Lisette zuckte die Achseln. »Viele von uns, die in diesem Gewerbe arbeiten, werden dazu gezwungen, Dinge zu tun, von denen wir wissen, dass sie falsch sind. Meistens, weil man uns in der Hand hat und uns unter Druck setzt. Das heißt aber nicht, dass wir alle schlecht sind. Ich denke, Belle hat an die gute Seite von Etienne gerührt, genau wie bei dir und mir. Sie haben zusammen eine lange Seereise unternommen und sich dabei wohl angefreundet. Dieser Noah wollte, dass ich versuche, Kontakt zu Etienne aufzunehmen, um herauszufinden, wohin man sie gebracht hat. Ich habe es versucht, doch leider vergeblich.«
Gabrielle seufzte. »Ich nehme an, in dieser Sache könnte er uns sowieso nicht helfen.«
»Wahrscheinlich nicht«, meinte Lisette. »Zumal ich gehört habe, dass er aus dem Geschäft ausgestiegen ist. Es heißt, dass seine Frau und seine zwei Kinder bei einem Brand umgekommen sind und er ein gebrochener Mann ist. Das muss natürlich nicht wahr sein. Solche Geschichten habe ich schon öfter gehört, und ich glaube, man will uns damit nur Angst machen.«
»Du meinst, jemand könnte das Feuer absichtlich gelegt haben?«, fragte Gabrielle entsetzt.
»So etwas kommt vor, wenn jemand aus der Reihe tanzt«, sagte Lisette und sah sich verstohlen um, als hätte sie Angst, jemand könnte sie belauschen.
Beide Frauen verfielen einen Moment lang in Schweigen. Lisette trank ihren Kaffee aus und sagte, dass sie gehen müsse. »Ich habe übrigens Noahs Adresse«, sagte sie, als sie dem Kellner winkte, um zu zahlen.
»Wirklich?«, rief Gabrielle. »Kannst du sie mir geben?«
Lisette nickte. Der Kellner kam, Gabrielle bezahlte, dann standen die beiden Frauen auf und gingen. »Ich laufe schnell ins Haus und hole dir die Adresse«, sagte Lisette. »Ich fürchte, unsere Neuigkeiten werden für die Familie alles noch schlimmer machen, aber wenn Noah nach Paris kommt, um mit dir zu sprechen, was ergarantiert tun wird, mach ihm bitte begreiflich, dass ich leider nicht helfen kann.«
Während sich die beiden Frauen in La Celle-Saint-Cloud miteinander unterhielten, lag Belle in dem kleinen versperrten Zimmer auf dem Bett und bemühte sich verzweifelt, nicht völlig in Panik zu geraten.
Die Tageszeit konnte sie nur annähernd schätzen, indem sie auf das winzige Loch in den Brettern vor dem Fenster starrte. Es war nicht einmal groß genug, um den kleinen Finger durchzustecken, und als sie ihr Auge daran hielt, sah sie nur ein winziges Stück Himmel. Das Loch war ihr nicht einmal aufgefallen, bis bei Tagesanbruch ein dünner Lichtstrahl hindurchfiel. Sie hatte das ganze Zimmer nach einem scharfen Gegenstand abgesucht, um das Loch zu vergrößern, aber ohne Erfolg. Sie hatte die dünne Matratze vom Bett gehoben, nur um festzustellen, dass es keine Sprungfedern, sondern nur überkreuzt gespannte Bänder gab, und sie hatte mit den Fingerspitzen den ganzen Boden abgetastet, um vielleicht einen Nagel oder eine Schraube zu finden, aber da war nichts.
Der winzige Lichtfleck war jetzt etwas heller, deshalb nahm sie an, dass Nachmittag war und die Sonne auf das Fenster schien. Aber die Zeit hatte ohnehin nicht viel zu bedeuten, nicht so viel jedenfalls wie ihr Magen, der immer lauter knurrte. In dem Krug auf dem Waschtisch war Wasser, und sie hatte vorhin etwas davon getrunken, aber weil sie nicht wusste, wann Pascal zurückkommen würde, wollte sie nur gelegentlich einen kleinen Schluck nehmen.
Sie hoffte inständig, dass er heute Abend wiederkam. Aber was würde er dann mit ihr machen? Sie bezweifelte, dass er sie freilassen würde; bestimmt fürchtete er, dass sie sich an die Polizei oder den Leiter des Ritz wenden würde. Aber er konnte sie nicht auf Dauer
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