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Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Titel: Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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offensichtlich von einem Block abgerissen worden, weil die Oberkante leicht gezackt war.
    »Oder der Absender hat die Adresse abgerissen, die dort stand«, murmelte sie.
    Plötzlich ging ihr ein Licht auf. »Ein Hotel!«, rief sie. »Natürlich! So ist sie zu ihren Verabredungen gekommen.«
    Sie wusste, dass es bei reichen männlichen Gästen in Luxushotels eine allgemein übliche Praxis war, den Türsteher oder Portier zu bitten, eine weibliche Begleitung zu besorgen. Sie konnte nicht begreifen, warum sie nicht schon vorher daran gedacht hatte, denn Belle eignete sich hervorragend für so etwas. Sie sah nicht wie eine gewöhnliche Prostituierte aus, und sie hatte die Haltung und die guten Manieren, die bei Männern von Welt ankamen.
    Gabrielle wurde ganz elend, als sie daran dachte, dass Belle vielleicht das Pech gehabt hatte, an einen wirklich üblen Kunden zu geraten. Auch wenn die meisten Geschäftsleute auf Reisen nichts anderes als unkomplizierten Sex wollten, gab es immer auch solche, die pervers und grausam waren und in einer Prostituierten eine leichte Beute sahen.
    Gabrielle fuhr mit einer Hand unter die Rüschen ihres Stehkragens und strich mit den Fingern über die wulstige Narbe an ihrem Hals. Ihr Sohn Henri war gerade ein Jahr alt gewesen, als sie dem Mann begegnete, der sich Gérard Tournier nannte. Er wirkte wie ein vollendeter Gentleman, erklärte sich mit dem Preis von fünfzig Francs einverstanden und führte sie zuerst zum Abendessen aus. Aber statt sie dann wie vereinbart in ihre Wohnung zu bringen, hatte er sie in eine dunkle Gasse gezerrt und ihr mit einem Messer die Kehle aufgeschlitzt. Zum Glück hatte man sie gefunden, bevor sie verblutete, aber die hässliche Narbe war eine ständige Erinnerung an das, was sie einmal gewesen war.
    »Aber Belle ist klüger, als du es warst«, sagte Gabrielle zu sich, steckte den Zettel in ihre Schürze und verließ das Zimmer. Sie wusste, wenn Belle am nächsten Morgen nicht zurückkam, musste sie Hilfe suchen, um sie zu finden. Sie könnte nicht damit leben, wenn das Mädchen irgendwo tot aufgefunden wurde und sie nichts unternommen hatte.
    Gabrielle hatte zu allen Menschen, die sie in ihrer Zeit als Prostituierte gekannt hatte, den Kontakt abgebrochen. Sie wollte nicht an ihr früheres Gewerbe erinnert werden. Und schon gar nicht wollte sie, dass Henri jemals etwas davon erfuhr. Aber mit einem Menschen von damals war sie in Verbindung geblieben, denn diese Frau hatte Gabrielle nach dem Überfall gesund gepflegt und sich um Henri gekümmert. Als Gabrielle am nächsten Morgen feststellen musste, dass Belle immer noch nicht zurückgekommen war, beschloss sie, zu Lisette zu gehen, wenn die Gäste ihr Frühstück bekommen hatten und Henri in der Schule war. Sie erwartete nicht, dass ihre alte Freundin wusste, wo Belle war, aber vielleicht kannte sie Leute, die es wissen konnten.
    Wenn sie nicht gerade mit Henri einen Ausflug machte, verließ Gabrielle nur selten den Radius von einer halben Meile rund um das Hôtel Mirabeau , und dann auch nur, um Lebensmittel einzukaufen. Zu Hause fühlte sie sich sicherer. Auch mit ihrem Aussehen gab sie sich keine Mühe, denn wer unscheinbar aussah, zog keine Aufmerksamkeit auf sich. Aber für ihren Besuch bei Lisette wollte sie sich ein bisschen schick machen und zog ein altes, aber immer noch elegantes Kostüm mit grauweißem Hahnentrittmuster an. Die Jacke saß fast zu gut für eine Frau, die ihre Formen sonst am liebsten mit weiten Gewändern verhüllte. Gabrielle schlang noch einen weißen Schal um den Hals, um ihre Narbe zu verdecken, setzte den schwarzen Samthut mit Halbschleier auf, den sie immer zur Messe trug, und stellte erfreut fest, dass sie weder zu auffallend noch zu hausbacken aussah.
    Als Lisette sie vor über zehn Jahren gepflegt hatte, lebten diebeiden Frauen noch im selben Haus auf dem Montmartre, aber ein Jahr darauf, als Gabrielle Paris verließ, um in der Provence als Haushälterin für den englischen Maler Samuel Arkwright zu arbeiten, entschloss sich Lisette, in einem Bordell zu leben und zu arbeiten. Sie hielten die Verbindung nur durch gelegentliche Briefe aufrecht, denn obwohl Gabrielle sehr an Lisette hing, wollte sie nicht an das Leben erinnert werden, das sie beide früher geführt hatten.
    Lisettes Qualitäten als Pflegerin erwiesen sich ein paar Jahre später als ihre Rettung. Nachdem sie einen kleinen Jungen zur Welt gebracht hatte, nahm sie eine Arbeitsstelle in einem Pflegeheim in La

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