Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
Celle-Staint-Cloud an. Seit damals hatten sich die beiden Frauen nur einmal gesehen, und zwar, als Gabrielle nach Samuels Tod nach Paris zurückkehrte. An diesem Tag hatte Lisette nur wenig über sich selbst gesprochen, weil sie sich Sorgen machte, wie Gabrielle Samuels Verlust verkraftete und ob es richtig war, das Geld, das er ihr hinterlassen hatte, in ein Hotel zu investieren.
Gabrielle war sich bewusst, dass sie ihre Freundin vernachlässigt hatte. Sie war von Natur aus kein geselliger Mensch, und seit dem Überfall war sie noch reservierter und ging kaum jemals aus sich heraus. Ihre Gäste beklagten sich manchmal darüber, wie mürrisch und wortkarg sie war, und wenn das Mirabeau nicht so nahe beim Bahnhof gelegen hätte, hätte das ein Problem werden können. Aber zum Glück gab es einen stetigen Strom von Leuten, die ein kleines, behagliches Hotel wie ihres suchten, sodass sie nicht auf Stammgäste angewiesen war.
Gabrielle saß kaum im Zug nach La Celle-Staint-Cloud, als ihr auf einmal der schreckliche Gedanke kam, Lisette könnte umgezogen sein. Sie hatte seit fast einem Jahr nichts mehr von ihrer Freundin gehört. Aber selbst wenn das so war, tröstete sie sich, dann hatte sie wenigstens versucht, etwas für Belle zu tun.
Sie fand das Pflegeheim problemlos und klopfte an die Tür, die kurz darauf von einer alten Frau in schwarzem Kleid und weißer Schürze geöffnet wurde.
Gabrielle entschuldigte sich für die Störung und sagte, dass sie dringend mit Lisette sprechen müsse. Die alte Frau bat sie, draußen zu warten.
Ein paar Minuten später kam Lisette zur Tür. Sie wirkte etwas nervös, als befürchte sie, schlechte Nachrichten zu bekommen, aber als sie ihre alte Freundin sah, breitete sich ein strahlendes Lächeln auf ihrem hübschen Gesicht aus. »Gabrielle!«, rief sie. »Wie schön, dich zu sehen! Was führt dich hierher?«
Gabrielle fragte, ob sie sich irgendwo unterhalten könnten, und Lisette meinte, sie würde gern eine Tasse Kaffee mit ihr trinken gehen, müsste aber vorher rasch im Haus Bescheid sagen.
Fünf Minuten später gingen sie zum Dorfplatz, und Gabrielle erklärte so kurz wie möglich, dass ein Gast von ihr nach einem Treffen mit einem Mann verschwunden war. »Das englische Mädchen ist mir ans Herz gewachsen«, sagte sie. »Wie du dir vorstellen kannst, habe ich mir gleich Sorgen um sie gemacht, aber sie ist genauso, wie wir es waren, voller Zuversicht, dass niemand ihr etwas tun wird. Ich hatte gehofft, dass du vielleicht jemanden kennst, der mir bei der Suche helfen kann.«
»Eine Engländerin?«, fragte Lisette. »Wie alt?«
»Ungefähr achtzehn, würde ich sagen. Ihr Name ist Belle Cooper.«
Lisette machte ein betroffenes Gesicht. »Belle? Dunkle Locken, blaue Augen?«
»Du kennst sie?«, fragte Gabrielle ungläubig.
»Na ja, es hört sich nach demselben Mädchen an«, sagte Lisette und erzählte Gabrielle, wie sie vor zwei Jahren ein Mädchen, auf das Name, Alter und Beschreibung zutrafen, gepflegt hatte. »Sie wurde nach Amerika gebracht«, schloss sie. »Aber es war einmal jemand hier, der sich nach ihr erkundigt hat, ein Freund der Familie. Das muss jetzt bald ein Jahr her sein.«
»Hieß er Etienne?«
Lisette runzelte die Stirn. »Nein, er war Engländer, um die dreißig. Warum fragst du, ob er Etienne hieß?«
»Belle hat mir den Namen am letzten Abend, als ich sie gesehen habe, genannt und gesagt, dass sie ihm vertraut.«
Sie hatten inzwischen das Café erreicht und nahmen ein gutes Stück von den anderen Gästen entfernt Platz. Lisette wirkte leicht benommen.
»Was ist? Kennst du jemanden namens Etienne?«, wollte Gabrielle wissen.
Lisette nickte. »Er ist der Mann, der sie nach Amerika gebracht hat.«
Gabrielle hatte sich nicht viel von diesem Treffen versprochen, und die Tatsache, dass Lisette nicht nur Belle, sondern auch diesen Etienne kannte, war fast zu viel für sie. Ihr Herzschlag raste, und Schweißperlen traten ihr auf die Stirn. »Kannst du mir alles sagen, was du weißt?«, bat sie. »Anscheinend weißt du viel mehr über Belle als ich.«
Lisette zögerte. »Im Gegensatz zu dir bin ich immer noch in der Branche«, sagte sie bekümmert. »Du weißt sicher noch, wie es da zugeht. Ich habe dir das alles nur gesagt, weil du eine gute Freundin bist und ich dir vertraue. Aber ich muss an meinen Sohn denken.«
Gabrielle wusste genau, was sie meinte. Sie nahm Lisettes Hand und drückte sie beruhigend. »Ich habe nichts vergessen. Aber alles,
Weitere Kostenlose Bücher