Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
Weise zu verdienen. Du hast weder gestohlen noch anderen etwas Böses getan, im Gegenteil, du hast deinen Kunden viel Freude bereitet, und deshalb musst du auch kein schlechtes Gewissen haben.«
»Das hatte ich auch nicht. Erst als das mit Pascal passiert ist. Er hat mir bewusst gemacht, was es wirklich bedeutet, meinen Körper zu verkaufen. In gewisser Weise hatte er recht. Warum wollte ich es nicht mit ihm machen? Schließlich stand ich zum Verkauf. Warum habe ich einfach nicht begriffen, wie tief ich gesunken war? Ichhätte als Kellnerin oder Putzfrau arbeiten können. Aber dafür war ich mir zu gut. Wie konnte ich bloß denken, dass es besser wäre, eine Hure zu sein?«
Etienne beugte sich vor, nahm sie in die Arme und hielt sie fest. »Er war schlecht, nicht du, Belle. Komm bloß nicht auf die Idee, du hättest verdient, was er dir angetan hat! Der Tod ist keine Lösung, nur ein Ausweg für Feiglinge. Wer tapfer ist, lässt die Vergangenheit hinter sich. Ich habe die Hüte in deinem Skizzenbuch gesehen, und du hast wirklich Talent. Jetzt hast du reinen Tisch gemacht und kannst dich darauf freuen, nach England zurückzukehren, Modistin zu werden und deinen Traum wahr zu machen.«
Sie fing an zu weinen, aber es war nicht mehr das verzweifelte Wimmern, das er vorher gehört hatte, sondern ein tiefes, befreiendes Schluchzen. Etienne hielt sie fest in seinen Armen. Er wusste, dass der Heilungsprozess erst beginnen konnte, wenn sie alles herausgelassen hatte.
Sie weinte sehr lange, aber allmählich verebbte ihr Schluchzen. Etienne holte einen feuchten Waschlappen und kühlte ihre geschwollenen Augen. »Meinst du, du kannst jetzt schlafen? Habe ich dich überzeugt, dass du in Sicherheit bist, Pascal hinter Schloss und Riegel sitzt und du sehr bald nach England zurückkehren wirst?«
Belle brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Ja, aber eine Frage habe ich noch: Ist Kent für den Mord an Millie gehängt worden?«
Etienne war sich nicht sicher, ob jetzt der richtige Zeitpunkt war, über dieses Thema zu sprechen, aber wenn er auswich, würde sie sich nur Gedanken machen. »Nein. Es gab nicht genug Beweise für eine Mordanklage. Noah hat ein richtiges Dossier über die Verbrechen dieses Mannes angelegt. Er hat nicht nur dich an ein Bordell verkauft, sondern auch viele andere Mädchen, über deren Aufenthaltsort nichts bekannt ist. Noah hofft, dass er aufdecken kann, welche Leute alle in England und in Frankreich daran beteiligt sind.«
»Dann wird er mich als Zeugin brauchen, oder?«
Etienne zögerte. Er befürchtete, sie könnte in Panik geraten, wenn er ihr mitteilte, dass ihre Aussage von größter Bedeutung war.
»Niemand wird von dir verlangen, etwas zu tun, das du nicht willst.«
»Ich will, dass er bestraft wird. Und solange er und diese schreckliche Madame Sondheim ungestraft weitermachen, wird so etwas immer wieder passieren. Aber ich möchte nicht, dass du oder Lisette hineingezogen werdet.«
»Mach dir um mich keine Sorgen. Ich habe dich lediglich nach Amerika begleitet; du warst noch minderjährig, und ich hatte keine andere Wahl. Außerdem habe ich meine ganz persönlichen Gründe, um mit diesen Leuten abzurechnen, und werde die Polizei in jeder Hinsicht unterstützen. Was Lisette angeht, ist sie genauso ein Opfer wie du. Und Noah hat sich in sie verliebt, ich nehme also an, für sie wird gesorgt werden. Wenn die Leute, die in der Hierarchie ganz oben stehen, erst einmal verhaftet sind, trauen sich meistens auch viele andere, den Mund aufzumachen. Noah hofft, dass wir auch die übrigen Mädchen finden; sie alle haben Familien, die verzweifelt darauf warten, etwas von ihnen zu hören.«
»Dann muss ich als Zeugin aussagen«, erklärte Belle. »Alles andere wäre feige.«
Ihr Mut rührte ihn, und er lächelte sie an. »Leicht wird es bestimmt nicht. Die Hauptzeugin in einem Verfahren dieser Größenordnung zu sein bedeutet, dass dein Name in sämtlichen Zeitungen stehen wird und die Leute über dich reden werden«, gab er zu bedenken.
»Sollen sie reden«, sagte sie. »Diese schlechten Menschen müssen aufgehalten werden.«
»Sind Sie schon wieder über Nacht hiergeblieben?«, fragte Noah, als er am nächsten Morgen in die Klinik kam, um nach Belle zu sehen, und feststellte, dass Etienne unrasiert und mit Ringen unter den Augen vor ihrer Tür saß.
»Ja. Ich hatte Angst, sie könnte Albträume haben«, sagte Etienne.
»Und?«
»Nein, sie hat bemerkenswert gut geschlafen. Aber gehen wir erst
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