Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
mal kurz nach draußen und reden. Dann stelle ich Sie Belle ganz offiziell vor, bevor ich ins Mirabeau fahre und mich frisch mache.«
Noah hatte seine Vorbehalte gegen Etienne längst aufgegeben, auch wenn der Mann einmal ein Gangster gewesen war, und dass er achtundvierzig Stunden vor Belles Tür Wache hielt, war für ihn ein weiterer Beweis für seine Vertrauenswürdigkeit und auch für seine Zuneigung zu Belle. Sie gingen den Flur entlang und die Treppe hinunter und in einen kleinen begrünten Hinterhof an der Rückseite der Klinik. Es war ein warmer, sonniger Morgen, und in dem geschützten Garten blühten rote und gelbe Tulpen. Ein kleiner Baum war übersät mit weißen Knospen und Blüten.
Die beiden setzten sich auf eine Bank, und Etienne berichtete, dass Belle bereit war, bei einer Gerichtsverhandlung als Zeugin auszusagen.
»Es hat sich herausgestellt, dass die hiesige Polizei Pascal schon seit einiger Zeit in Verdacht hat«, erzählte Noah. »Man glaubt nicht nur, dass er die alte Dame irgendwie ausgetrickst hat, um an ihr Haus zu kommen, sondern auch, dass er möglicherweise ein Mädchen getötet hat, eine gewisse Claudette, die vor ungefähr achtzehn Monaten verschwunden ist.«
Etienne meinte, dass ihn das nicht weiter überrasche, und fragte, ob sie eine Prostituierte gewesen sei.
»Nein, sie hat in einem Kaufhaus gearbeitet. Eine Kollegin, die mit ihr zusammenwohnt, hat sie bei der Polizei als vermisst gemeldet, als sie eines Abends nicht nach Hause kam. Sie war überzeugt, dass ein Kunde, der ständig ins Geschäft kam, um ihre Freundin zu sehen, etwas damit zu tun hatte. Den Namen des Mannes kannte sie nicht, aber ihre Beschreibung passt auf Pascal. Ihrer Meinung nach hat er nach Ladenschluss auf ihre Freundin gewartet und sie überredet, mit ihm zu gehen.«
»Die Polizei ist der Sache doch sicher nachgegangen?«
Noah zuckte die Achseln. »Die scheinen hier fast genauso nachlässig zu sein wie in England. Man hat etliche Leute befragt, ob sie Claudette in Begleitung eines Mannes gesehen hätten, aber in einer Stadt von dieser Größe ist es wahrscheinlich schwer, einen namenlosen Unbekannten zu finden. Da Claudettes Leiche nirgendwo gefunden wurde und keine nahen Verwandten existierten, die Druck gemacht hätten, wurde der Fall zu den Akten gelegt und vergessen. Jetzt will die Polizei allerdings gründlich Pascals Haus und Garten durchsuchen.«
»Hat Pascal schon etwas über Belle gesagt?«
»Anscheinend hat er in den ersten Stunden jede Aussage verweigert, aber gestern Nachmittag behauptete er, dass er Belle auf der Straße angesprochen hätte und sie bereitwillig in sein Haus mitgekommen wäre. Weiter hat er angegeben, dass sie, nachdem sie Sex hatten, fünfhundert Francs wollte und ihm damit drohte, es sonst seiner Frau und seinem Arbeitgeber zu sagen.«
Etienne schüttelte ungläubig den Kopf. »Und damit will er rechtfertigen, dass er sie tagelang eingesperrt, mehrmals vergewaltigt und mit dem Tod bedroht hat?«
»Er sagt, er wäre in Panik geraten«, erwiderte Noah trocken und zog vielsagend eine Augenbraue hoch. »Aber mit seiner Aussage hat er uns direkt in die Hand gespielt. Philippe hatte nämlich schon ausgesagt, dass Pascal als Vermittler für ihn agierte, nachdem er Belle vor einigen Wochen im Ritz gesehen und sich bei Pascal nach ihr erkundigt hatte. Laut Philippe hat Pascal sie daraufhin angesprochen und ihr mitgeteilt, dass ein Gentleman sie gern näher kennenlernen würde. Tja, und so kam es angeblich, dass Philippe sie ein paar Mal zum Essen ausgeführt hat.«
»Gut geschaltet«, sagte Etienne anerkennend. »Man dürfte Belle zwar für etwas leichtfertig halten, aber das ist weit weniger schlimm als die Wahrheit.«
»Genau. Philippe ist nicht der Typ, an dessen Wort man zweifelt; er ist ein angesehener, redlicher Bürger, der zufällig eine Schwäche für Frauen hat. Außerdem ist er sehr angetan von Belle, das müssen auch die Gendarmen gemerkt haben. Und wie Philippe selbst sagt,wird die Hauptanklage in dem Prozess gegen Pascal der Mord an dieser Claudette sein, falls ihre Leiche gefunden wird, und Belle nur eine Nebenrolle spielen. Dass andere Kunden von ihr sich melden, ist äußerst unwahrscheinlich.«
»Wollten die Gendarmen wissen, wovon sie lebt?«
»Ja. Philippe hat gesagt, dass sie Stubenmädchen im Mirabeau ist. Das war übrigens Gabrielles Idee.«
Etienne war beeindruckt. Philippe hatte anscheinend an alles gedacht. »Haben Sie erwähnt, dass Belle
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