Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
Geschäfte arbeiten. Aber selbst, wenn es ihr gelungen wäre, von irgendjemandem ein Empfehlungsschreiben zu bekommen, was unwahrscheinlich war, hieß es, dass die Mädchen in den Kaufhäusern lange Arbeitszeiten hatten, wenig verdienten und von ihren Abteilungsleitern schikaniert wurden. Sie erinnerte sich an das Getuschel der anderen Mädchen, als sie in Bloomsbury zur Schule ging. Bestimmt würde ihr dieses Getuschel an jeden Arbeitsplatz folgen, den sie eventuell fand. Genau wie Jimmy würden auch alle anderen annehmen, dass sie eine Hure war, weil sie in einem Bordell lebte.
Daher hatte sie beschlossen, genau das zu tun, was Etienne ihr geraten hatte, und ihren Grips zu benutzen, um etwas aus ihrem Leben zu machen. Sie würde sich nicht dagegen wehren, als Hure zu arbeiten, sondern mitspielen und sich bemühen, ganz nach oben zu kommen. Man würde sie nicht mit Adleraugen beobachten, wenn sie sich fügsam zeigte. Und es wäre schön, seidene Kleider zu tragen und in einer eigenen Kutsche zu fahren. Wer weiß, vielleicht entpuppte sich alles als großes Abenteuer? Immerhin war sie in Amerika, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
Und eines Tages, wenn sie genug Geld gespart hätte, würde sie nach England zurückkehren und den kleinen Hutladen eröffnen, von dem sie immer geträumt hatte.
Abends beim Dinner fühlte sich Belle fast ein bisschen beschwingt, weil sie jetzt feste Pläne für ihre Zukunft hatte. Es war warm, und sie zog ein leichteres Kleid aus hellblauem Taft an, das sie in Paris bekommen und bisher nicht getragen hatte, weil es immer zu kalt gewesen war. Es hatte weiße Spitzenrüschen am Mieder und an den Ärmeln und war sehr hübsch, und sie band sich eine passendeblaue Schleife ins Haar. Als Etienne sie fragte, ob sie ein Glas Rotwein wolle, nickte sie eifrig, denn auch das gehörte zu ihrem neuen Leben.
»Du wirkst heute Abend verändert«, stellte Etienne fest, als er ihr einschenkte. »Du hast doch nicht vor, morgen, wenn das Schiff anlegt, über alle Berge zu gehen, oder? New Orleans ist für eine junge Dame ohne Begleitung ein sehr gefährlicher Ort.«
Belle kicherte. »Nein, bestimmt nicht. Das wäre dumm. Ich fühle mich jetzt einfach viel besser.«
Er lächelte und legte seine Hand auf ihre. »Das freut mich. Und du weißt, dass ich morgen alles tun werde, was in meiner Macht steht, um denen begreiflich zu machen, dass du etwas Besonderes bist.«
Nach dem Essen schlenderte Etienne nach draußen aufs Deck, um eine Zigarre zu rauchen, und Belle ging allein in ihre Kabine und zündete eine Kerze an. Sie stellte fest, dass sie einen kleinen Schwips hatte, aber es gefiel ihr – und Etiennes Hand auf ihrer zu spüren, hatte ihr auch gefallen.
Als sie anfing, ihr Kleid aufzuknöpfen, dachte sie darüber nach, wie es wäre, von Etienne geküsst zu werden, nicht auf die Wange, sondern richtig auf den Mund. Bei der Vorstellung wurde ihr heiß, und sie fühlte sich zitterig.
Ihr Blick wanderte zu seiner Schlafkoje, und auf einmal wusste sie, dass sie darin liegen wollte, zusammen mit ihm. Mit zitternden Fingern hakte sie die letzten Knöpfe auf, stieg aus ihrem Kleid und schlüpfte aus ihren Stiefeln. Als Nächstes kamen ihre zwei Unterröcke, die wie eine schäumende weiße Woge auf ihr Kleid fielen. Nur noch mit Hemd, Höschen und Strümpfen bekleidet, hielt sie inne und fragte sich, wie viel sie noch ausziehen sollte. Das Hemd gefiel ihr; sie hatte es in Paris bekommen, und es war aus weicher, weißer Baumwolle mit Biesen und einem Spitzenbesatz am Ausschnitt. Sie zog energisch Unterhose und Strümpfe aus, warf all ihre Sachen auf ihr Bett und stieg in Etiennes Koje.
Ihr Herz klopfte vor Aufregung, und sämtliche Muskeln undSehnen spannten sich an, aber zum Glück musste sie nicht lange warten, bis sie draußen im Korridor seine vertrauten Schritte hörte.
Die Kabinentür öffnete sich. Etienne kam herein und blieb abrupt stehen, als er Belle in seinem Bett sah. »Nanu, was machst du denn da?«, fragte er. »Zu beschwipst, um nach oben zu klettern?«
Es gefiel ihr, dass er nicht davon ausging, dass sie in seinem Bett lag, um mit ihm zusammen zu sein. »Nein. Ich bin hier, weil ich in deinen Armen liegen möchte«, flüsterte sie nervös.
Er zog sein Jackett aus, hängte es an einen der Haken und kniete sich neben die Koje. »Schöne Belle«, seufzte er. »Du könntest selbst einen Heiligen in Versuchung führen. Aber warum tust du das? Möchtest du deine Verführungskünste
Weitere Kostenlose Bücher