Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
Vom Netzwerk:
Boff stahl sich mehrmals in seine Wohnung. Streng genommen war die Zeit dafür nicht vorhanden, aber er musste es tun, zu bizarr war der Anblick des jungen Gelehrten, den er, eingeschlagen in einen orientalischen Morgenmantel, den Boff ihm überlassen hatte, bei jedem Besuch in einem anderen Raum fand. Er tat dort nichts besonderes, schaute aus dem Fenster, studierte die Buchreihen, probierte die Polster des Sofas, öffnete in der Küche Gewürzgläser und roch an ihnen.
    »Ich hatte das total vergessen«, murmelte er. »Ich wusste gar nicht mehr, wie das geht. Wenn in deiner Nase nur noch Leichengeruch ist, weißt du doch nicht, was Kümmel ist oder Salbei. Heh, vorhin habe ich Melisse gerochen.« Er stürzte auf das Regal zu und hielt Boff das Glas unter die Nase. Der Doctor musste riechen und bestätigen, dass Melisse dem Leben einen neuen Sinn geben würde. So ging es weiter. Die Helligkeit in allen Räumen, Wände und Decken, die nach Farbe und Kalk rochen. Keine einzige Maus war ihm über den Weg gelaufen, in den Wänden raschelte und fiepte es nicht, wie es geschah, wenn die Ratten ihre Jungen aufzogen. Vor allem hatten es ihm die Fenster angetan. Er riss sie auf und deutete hinaus und führte Boff die Ausblicke vor, als würde sich der Doctor zum ersten Mal hier aufhalten.
    »So beruhige dich doch«, sagte Boff. Aber insgeheim störte ihn Rohwedders Begeisterung nicht. Sie rührte ihn und bestätigte ihm, dass er richtig gehandelt hatte. Er hätte das auch schon früher tun können, aber er war froh, dass es nun geschehen war.
    Beim nächsten Besuch fand Boff den Untermieter schlafend auf dem Sofa, beim übernächsten Besuch lag er schlafend in seinem Bett. Beim dritten Besuch war er verschwunden. Zornerfüllte den Doctor. Er war getäuscht worden! Seine Rührung hatte ihn blind gemacht. Ein Zimmer nach dem anderen durchsuchte er, um niemanden zu finden. Zornbebend erledigte er die restlichen Stunden seines Arbeitstags. Selbst Hermine verkniff sich Fragen, und das wollte etwas heißen. Stine fragte, ob sie Patientinnen wegschicken sollte. Das untersagte er ihr streng. »Ich bin der Doctor, ich erledige meinen Dienst. Habt ihr damit ein Problem?«
    Stine fürchtete sich vor dem verwandelten Doctor. Als die Praxis geschlossen worden war, lief man schnell auseinander. Hermine stieg in ihre Kemenate unter dem Dach hinauf, wo kurz darauf Schreie ertönten. Jemand polterte die Treppe herab, beide Arme schützend über den Kopf erhoben, torkelte Rohwedder in seinem Mantel in die offene Wohnungstür. Dem verdutzten Boff erzählte er die Geschichte eines neugierigen Gelehrten, der zu gern wissen wollte, wo wohl Hermine hausen würde. Er hatte sich hinaufgeschlichen und war beim Anblick des Betts eingeschlafen. »Vielleicht wollte ich in einem Bett liegen, in dem sonst eine Frau liegt. Ich dachte, nach einer halben Stunde bin ich wieder wach. Dann stand sie vor mir, dann kam sie über mich, mein Gott, wie kann man sich eine Frau im Bett wünschen, wenn man am Leben hängt!«
    Später tauchte Hermine auf, um sich nach dem Befinden des Gelehrten zu erkundigen. Sie hatte ihn schlichtweg verdroschen, nannte ihn »Schweinepriester« und wollte keine Entschuldigung gelten lassen.
    »So dumm ist doch keiner«, knurrte sie.
    Aber Boff wusste es besser.

    Rohwedder schlief zwei Tage lang, zwischendurch wurde er für wenige Minuten wach, die er nutzte, um zu essen. Danach fiel er erneut ins Bett – wohlweislich in sein eigenes – und schlief sich die Erschöpfung aus dem Leib. Sein Körper holte sich, was er lange entbehrt hatte. Der Mann brach regelrecht entzwei. Alle Gelenketaten weh, mühsam schleppte er sich auf den Abort, mühsam vor den Spiegel. Er wartete darauf, dass Bartwuchs einsetzen würde. Er war besessen vom Gedanken an einen Bart. Aber außer kümmerlichen Stoppeln wagte sich nichts hervor. Sein Bart bestand aus vier Inseln. Sie verliehen ihm keinen männlichen Eindruck, es sah aus wie Dreck, den man mit Wasser und Seife abwaschen könnte.
    Der Bote erschien mit einem Brief der Fürstin Bengtsson vor dem Doctor. Zwischen den Männern hatte sich ein merkwürdiges Verhältnis herausgebildet. Sie pflaumten sich bei jeder Begegnung an, wobei es stets der Doctor war, der den Anfang machte. Beide waren schlagfertig, beide waren nicht eigentlich nett zum anderen. Aber Respekt war dabei. Denn dass dieser Bote ein fleißiger und zuverlässiger Mann war, stand außer Frage. Boff hätte gern gewusst, wie er lebte und ob

Weitere Kostenlose Bücher