Doctor Boff - Weiberkranckheiten
davon?«
Boff, dem die Frage gegolten hatte, lächelte: »Jeder Ratsherr muss vor mir die Hosen fallen lassen. Das wäre der Tropfen, der noch fehlt, damit das Fass überläuft.«
So vergnügt hatte man den Stadtphysicus selten gesehen. Er war noch vergnügt, als Katarina Tänzer ihm den Umschlag überreichte. Als er der Davongehenden hinterherblickte, wurde er ernst. Einerseits wahrte die Frau in bewundernswerter Weise ihre Fassung. Andererseits sprach ihr Körper eine deutliche Sprache. Das Gesicht hatte tiefe Falten bekommen, sie hatte abgenommen, ihr Gang war der einer zehn Jahre Älteren.
Der Papagei erschien und gesellte sich zu Boff. Vorher nahm er die Huldigungen der anderen Gruppen entgegen.
»Das ist der Grund, weshalb ich noch die Arbeitskleidung trage«, sagte er in das vorwurfsvolle Gesicht von Boff. »Es ist doch zu ärgerlich, wenn man das Bedürfnis verspürt, sich beim Prinzipal zu bedanken und ihn dann nicht mehr erkennt, weil er abgeschminkt ist.«
»Und du wunderst dich, warum man mit dir als Wissenschaftler Probleme hat.«
»Nein, eigentlich wundere ich mich nicht mehr. Ich habe eingesehen, dass ich die Menschen überfordere. Ich bin zu vielseitig, das goutiert nicht jeder.«
Eitel nahm er die Glückwünsche der Umstehenden entgegen. Man verlief sich dann, Boff und Rohwedder gingen gemeinsam zum Haus.
»Das ist der Vorteil einer Stadt, die kleiner ist als Paris und London«, sagte Rohwedder. »Man ist schneller am Ziel.«
»Aber du spürst deine Gegner auch schneller am Hals.«
Der junge Gelehrte warf einen prüfenden Blick zur Seite und sagte: »Keiner hat etwas gemerkt. Die Räuber waren maskiert und schwarz gekleidet. Das Gegenteil von einem Papagei.«
»Wo versteckst du eigentlich deine Masken? Du hast doch keinen Kleiderschrank. Gib es zu, du hast bei der Fürstin einen zweiten Wohnsitz begründet.«
Diese Vermutung ließ Rohwedder unkommentiert, den Rest gab er zu: wie er mit zwei Männern, die ihm etwas schuldig waren, die Kutsche mit dem Bürgermeister verfolgt und bei erstbester Gelegenheit entführt hatte. Der Kutscher war durchgeprügelt worden, aber er würde es überleben, zumal er an Ort und Stelle ärztlich untersucht worden war. Diese Untersuchung hatte ihm wohl mehr Angst eingejagt als die Schläge. Dann hatte man den Bürgermeister in die Stadt zurückgebracht, wo in der Zwischenzeit ein dienstbarer Geist namens Lewerkühn sowohl Sigmund Pups als auch den akademischen Arzt aufgetriebenund überredet hatte. Bei den beiden Medizinern waren die Begründungen wohl nicht identisch ausgefallen.
»Ich erwarte kein Wort des Danks«, sagte Rohwedder großmütig. »Ich habe nur getan, was ich tun musste. Und falls Ihr meint, dass ich damit Eure Position ungeheuer gestärkt habe, so lautet meine Antwort: Ja, das ist wohl möglich. Eine Einladung zum Essen würde ich nicht ablehnen.«
42
Zweimal waren die Treffen mit der alten Gräfin ausgefallen. Beim ersten Mal hatte sie abgesagt, weil Schwindel sie ans Bett fesselte und sie sich niemandem zeigen wollte. Die zweite Begegnung war den Ereignissen in der Stadt zum Opfer gefallen, denn der Stadtphysicus kämpfte an allen Fronten. Er hielt seine Praxis offen; er traf sich mit Anwärtern auf eine Praxis im Haus. In der Regel schloss sich eine zweite Begegnung an, denn Boff wollte wissen, ob es die Aussicht auf bessere Arbeitsbedingungen oder allein die Freude über eine ordentliche Wohnung war, die die Anwärter in Scharen zu ihm trieb; er musste seine Pflichten als Physicus abarbeiten und sich mit Ratsherren und Ärztevertretern treffen, um endlich den hausgemachten Konflikt zu beenden. Wann sollte er da eine Kutsche besteigen, um die Patienten aufzusuchen, die nicht in die Praxis kommen konnten? Vor Mitternacht kam er nicht ins Bett, um halb sechs war die Nacht zu Ende, denn er nutzte den Morgen, um Briefe zu schreiben.
Zu allem Unglück war auch noch die Roth ausgefallen, seine neue Haushälterin, Nachfolgerin des Mädchens, das entgegen Stines Ermahnungen das Weite gesucht hatte, weil ihr der Haushalt über den Kopf gewachsen war. Die Roth war ihm von mehreren Seiten empfohlen worden, weil sie so fleißig und dabei praktisch unsichtbar sei. Boff hatte sich nach dem Abgang des Mädchens wieder gegen solche Hilfe gesträubt. Aber Rohwedder fühlte sich bei ihm so wohl und er war so unordentlich; vor allem aber hatte Boff begriffen, dass man von ihm eine Haushälterin erwartete. Ihr Fehlen fachte die Phantasie der Menschen an.
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