Doener, Machos und Migranten
Tochter auch regelkonform verhielt.
Noch hat Fatme drei Schuljahre vor sich. In dieser Zeit werden sich ihr Selbstwertgefühl und ihr Selbstbewusstsein hoffentlich weiter steigern. Ihre intellektuellen Fähigkeiten wird die Schule nicht verbessern können, wir können Fatme nur stets ein offenes Ohr und Zuspruch bieten – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
7. Abgerutscht – Haki
Haki wurde im August 2000 an der Grundschule in eine internationale Fördergruppe eingeschult. Doch im zweiten Schuljahr konnte er dem Unterricht nicht mehr angemessen folgen und musste die Klasse wiederholen. Als die Versetzung in Klasse 3 erneut gefährdet war, lernte ich Haki im Rahmen eines Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs kennen. Die Grundschule hatte ihn aufgrund von Lernentwicklungsverzögerungen in den einzelnen Fächern beim Schulamt gemeldet. Ich war die ihm zugeteilte Sonderpädagogin, die ihn testen sollte.
Haki ist das vierte von fünf Kindern einer muslimischen Roma-Familie aus dem Kosovo, die seit November 1999 in Deutschland lebt. Sein Vater leidet an einer fortschreitenden Erkrankung des Nervensystems und ist zunehmend auf Betreuung angewiesen. Drei seiner vier Geschwister sind schwerhörig bis taub und besuchen die Schule für Schwerhörige in Gelsenkirchen-Buer. Nur Haki und seine älteste Schwester können normal hören. Die Mutter ist von der Pflege ihres Mannes und der Betreuung der Kinder sehr in Anspruch genommen und als Analphabetin größtenteils damit überfordert, die Familie in schulischen Dingen zu vertreten. Diese Aufgabe versucht ihre älteste Tochter für die jüngeren Geschwister zu übernehmen.
Aus den Überprüfungsergebnissen, Gesprächen mit der Klassenlehrerin und den beobachteten Verhaltensweisen kam ich zu dem Ergebnis, dass bei Haki sonderpädagogischer Förderbedarf bestand. Die Eltern wurden zu einem Abschlussgespräch in die Grundschule eingeladen. Dieses Gespräch ist ein notwendiger Bestandteil eines Testverfahrens, denn darin werden die erziehungsberechtigten Eltern über die Ergebnisse der Untersuchung und die vorhandenen Abschlussmöglichkeiten an der Förderschule informiert. Zudem wird auf Wunsch ein Hospitationstermin an unserer Schulform vereinbart.
Ich sah die Familie bereits von meinem Klassenzimmer aus, als sie sich in Richtung Schule bewegte. Abwechselnd schoben die Mutter und die älteste Tochter den im Rollstuhl sitzenden Vater. Er war ein sehr kräftiger Mann, sodass die Frauen beim Schieben des Rollstuhls ihre Mühe hatten. Zu allem Überfluss war es ein sehr heißer Tag. Haki lief neben seinen Eltern her. Mutter und Tochter trugen knöchellange bunte Röcke und bunt bedruckte Blusen. Das lange Haar hatten sich beidezu einer Hochsteckfrisur gebunden. Alle Familienmitglieder hatten einen sehr dunklen Teint und pechschwarze Haare.
Beim Erklimmen der Schulstufen benötigte der Vater ebenfalls die Hilfe von Frau und Tochter. Als sie schließlich das Klassenzimmer erreicht hatten, konnte man ihnen ansehen, dass es sie viel Mühe und Schweiß gekostet hatte. Die gesamte Familie strahlte mich an. Auffallend waren die vielen Goldzähne der Mutter, die nur so blitzten. Ich spürte sofort, dass es sich hier um äußerst freundliche Menschen handelte, denen allerdings auf den ersten Blick anzusehen war, dass sie weitgehend in einer anderen Welt zu Hause waren. Da die Erwachsenen kein Wort Deutsch sprachen, übernahm die Schwester die Rolle der Dolmetscherin, obwohl auch ihre Deutschkenntnisse nicht gerade perfekt waren.
Hakis Eltern waren sich über die schulischen Probleme ihres Sohnes bewusst und äußerten, dass sie nicht in der Lage seien, Haki so zu unterstützen, wie es notwendig gewesen wäre. Sie bekräftigten den Wunsch, nur das Beste für ihren Sohn zu wollen, und waren mit einer Förderung Hakis an der Förderschule einverstanden.
Für die Aufnahme an einer Förderschule ist das Einverständnis der Eltern erforderlich. Lehnen sie den Besuch dieser Einrichtung für ihr Kind ab, können sie Einspruch einlegen. Anschließend kommt es zunächst zu einem weiteren Gespräch mit der Schulaufsicht und der Schulrätin, die dann noch einmal versucht, die Eltern zu überzeugen. Gelingt dies nicht, bleibt den Eltern der Klageweg vor Gericht. In der Regel wird eine solche Klage zum Wohle des Kindes und damit zu Ungunsten der klagenden Eltern entschieden. Allerdings geht unnötig viel Zeit für das Kind verloren, da es bis zum Urteil noch an
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