Dog Boy
Schalter drücken musste, um ins Freie zu gelangen. Er reichte mühelos heran, und im nächsten Moment war er wieder draußen unter dem grauen Himmel. Er kläffte, und Weiße Schwester kam hinter einer Reihe von Müllcontainern hervorgesprungen.
Treppenhäuser und Hausflure würden ihm nicht das bringen, worauf er es abgesehen hatte. Er musste sorgfältiger vorgehen, wenn er in eine Wohnung eindringen wollte, und versuchen, von außen hineinzugelangen.
An älteren fünfstöckigen Gebäuden waren außen manchmal Abflussrohre in der Nähe der Fenster angebracht. Als er ein paar von ihnen entdeckt hatte, hielt er Ausschau nach Wohnungen, die noch die alten Doppelglasfenster hatten: mit inneren und äußeren Scheiben auf beiden Seiten eines breiten Simses. Die waren zwar immer geschlossen, aber bisweilen gab es kleine rechteckige Lüftungsfenster in den größeren Rahmen, und diese standen häufig offen. Schließlich konzentrierte er sich auf drei Wohnungen im dritten Stock, an denen ein Abflussrohr vorbeiführte, das er erklimmen konnte.
Eine Woche lang beobachtete er die Wohnungen von der Straße aus. Eine kam nicht in Frage, weil er nicht genau wusste, ob tagsüber niemand zu Hause war. Die zweite war von außen zu gut einsehbar; dort würde es bestimmt auffallen, wenn er am Rohr hinaufkletterte. In der letzten gab es Kinder, die er abends manchmal am Fenster sah, doch tagsüber schien sie leer zu sein. Eine weitere Woche verging, bis er seinen ganzen Mut zusammengenommen hatte.
Weiße Schwester saß jaulend am Fuß des Abflussrohrs, während er seinen hageren Körper durch das kleine Fenster zwängte. Als er auf dem breiten Sims zwischen den beiden großen Scheiben eingekeilt war, blickte er zu ihr hinunter, zuckte mit dem Maul und spürte, wie er die Ohren beruhigend anlegte. Doch zu seinem Verdruss lief sie weiter jaulend auf und ab. Sie dachte wohl, dann würde er vielleicht wieder herunterkommen.
Er hockte sich hin. Von der Straße aus war er leicht zu entdecken, und wenn sich jemand in der Wohnung befand, musste er nur den Spitzenvorhang aufziehen, um Romotschka eingezwängt im Fenster zu sehen. Als er durch das äußere Fenster eingestiegen war, hatte er bestimmt schon ziemlich viel Lärm gemacht. Das innere Lüftungsfenster war geschlossen und verriegelt. Er rüttelte an dem kaputten Rahmen der inneren Scheibe, und plötzlich sprang das Fenster nach innen auf. Nachdem er eine Weile gewartet hatte, sprang er leise durch den Vorhang ins Zimmer.
Er befand sich in einem sauberen Schlafzimmer mit gelben Wänden und einer hohen weißen Decke. Neben dem Fenster stand ein Bettchen mit Gitterstäben, doch den größten Teil des Raumes nahm ein riesiges Bett ein. Hinter ihm hingen schöne Babysachen über der Heizung, die sogar für Welpe zu klein waren. Auf einem Bild an der Wand war ein Wald zu sehen, der seinem Wald zu Hause ähnelte. Im Vordergrund standen herbstlich gelb gefärbte Birken, und zwischen grünen Ufern floss ein Fluss hindurch, der viel sauberer und blauer war als alle, die er je gesehen hatte. Er sehnte sich nach der Zeit zurück, als er nichts weiter als einen solchen Ort für eine gute Nahrungssuche benötigt hatte. Einer Zeit, als sie noch keine Spielsachen und Welpenkleidung gebraucht hatten.
Auf dem großen Bett lagen eine schöne rosa, grün und malvenfarben gemusterte Decke und dazu passende Kissen. Er schnupperte in der Luft. Im Zimmer roch es nachWaschpulver, Parfüm, verbranntem Stoff und unmerklich nach Urin. Er war jetzt doch ein wenig besorgt: Die Wohnung war offenbar größer, als er gedacht hatte, denn dieses Zimmer war ausschließlich zum Schlafen da.
Lautlos kroch Romotschka auf allen vieren zur Tür und horchte. Es war weder ein Knacken noch eine Verlagerung des Körpergewichts oder das gedämpfte Rascheln eines wartenden Menschen zu hören. Die Wohnung war leer. Er streckte die Hand aus und drehte leise den Türknauf, ließ sich dann auf den Boden sinken und zog die Tür behutsam auf. Die Wohnung war riesig: Vom Flur gingen drei offene Türen ab, Innentüren, nicht die schweren gepolsterten Wohnungstüren. Der Flur war voller Möbel und Zierrat. Romotschka war leicht beunruhigt, sah aber zu seiner Freude, dass unter dem Fenster auf der anderen Seite des langen Zimmers Kindersachen auf den Heizungsrohren hingen und überall Spielzeug verstreut war. Und er roch eine Hündin. Was würde die wohl denken, wenn sie nach Hause kam? Er befand sich hier in geschlossenen
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