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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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mit den Hunden auf Nahrungssuche ging, machte er sich Sorgen um Welpe. Er begann, Wochentage und Wochenenden zu unterscheiden, denn das Zentrum war an zwei Tagen in der Woche geschlossen.
    Er begann, sich auf die Spaziergänge mit Dimitri zu freuen, auf ihre Gespräche über dieses und jenes, doch hauptsächlich über Welpe. Es machte ihm Freude, seine Schritte Dimitris langen Beinen anzupassen, und ihm gefiel, wie Dimitris großer Adamsapfel in seinem Hals auf und ab hüpfte. Er mochte seine freundlichen grauen Augen, und auch, dass es ihm nichts ausmachte, wenn man ihn anstarrte. Dimitri fand nichts dabei, sich die Nase zuzuhalten und ihm aus nächster Nähe in die Augen zu schauen; er lachte nie, war aber witzig. Romotschka fühlte sich wohl in seiner Nähe; mit Natalja verhielt es sich anders. Er bedauerte Dimitri, denn er sah, dass auch dieser Angst vor Natalja hatte.
    Dimitri wusste nicht alles, versuchte es aber herauszufinden, um Welpe helfen zu können. Romotschka fand die raue Stimme, die ihm diese trockenen Wahrheiten sagte, beruhigend, doch vor allem mochte er Dimitris Geruch.
    Er beobachtete Dimitri und Natalja, bemerkte die Küsse und Zärtlichkeiten, die sie austauschten; und auch die Kämpfe. Romotschka wusste, dass Dimitri sich hauptsächlich für Welpe interessierte, doch zu seiner großen Genugtuung stellte er fest, dass Natalja sich mehr für ihn interessierte. Sobald sie ihm zu nahe kam, runzelte er die Stirn und stellte sich vor, an ihren langen braunen Haaren zu ziehen. Sie roch nach verfaulten Blumen, nach Dimitri, Haaren, Seife und Mädchenschweiß. Er roch auch ihre Scham – sie roch nach Frühlingsschlamm und geschnittenem Gras; ganz anders als der Geschlechtsduft und der scharfe Aftergeruch erwachsener Männer. Ganz anders als der heimelige, liebliche Geruch von Mamotschka. Wenn Natalja in seiner Nähe war, stieß er Stühle um und versuchte, alles Mögliche zu verbiegen oder kaputt zu brechen, um ihr zu zeigen, wie stark er war. Mittlerweile spielte er den Jungen vor allem für Natalja. Ihr Körpergeruch sickerte in seine Träume.
    Doch bei Dimitri fühlte er sich sicherer.
     
    ~
     
    31. August. Heute kam Romotschka um 10:30 Uhr in einem kleinen, ganz scheußlichen Mantel, zu klein für ihn, aber eindeutig zu groß für Marko. Ein furchtbares Ding, innen und außen ganz schmierig und voll dunkelbrauner und grauer Flecke. Blut? Schwer zu sagen, welche Farbe der Mantel einmal hatte. Fetzen verfilzten Kaninchenfells hingen am Kapuzensaum. Romotschka legt viel Wert darauf, dass er ihm gehört. Brachte ihn schüchtern, aber mit theatralischer Miene herein. Dieser Gestank! Er erfüllte das ganze Gebäude. Als er in Markos Zimmer ging, spielte sich ein seltsames Ritual ab. Romotschka legte den Mantel vor Markoauf den Boden. Bei dessen Anblick war der Kleine plötzlich ganz außer sich vor Freude, schien aber zu zögern, ihn anzufassen. Er schien ihn mit einer gewissen Ehrfurcht zu betrachten. Der heilige Mantel. Romotschka schaute auf seine Hände und starrte dann aus dem Fenster. Marko kroch, den Bauch auf dem Boden, zu dem Mantel hinüber, legte behutsam die Hand darauf und starrte Romotschka dabei die ganze Zeit an. Marko regte sich nicht, sondern ließ die ausgestreckte Hand auf dem Mantel liegen. Dann drehte er langsam den Kopf, schloss die Augen und blieb so liegen, das Gesicht abgewandt. Ich habe bis zehn gezählt, und in dieser Zeit blieben beide Jungen völlig reglos. Schließlich drehte Romotschka sich um und verließ das Zimmer. Er ging. Ich hörte ihn ziemlich laut die Treppe hinunterstapfen, während Marko sich in einem wahren Freudentaumel auf den Mantel stürzte. Ich verständigte Anna Alexandrowna und Dimitri, damit sie sich das Ganze ansehen konnten. Marko sog den Geruch des Mantels in sich auf, streifte ihn langsam über, wälzte sich damit auf dem Boden herum, zog ihn dann wieder aus, legte sich darauf und schlief mit einem Zipfel der Kapuze im Mund ein. Nach zehn Minuten ging ich hinein. Der Gestank im Zimmer war unerträglich.
    Ich weiß nicht genau, was Dimitri davon hält. Wahrscheinlich wird er mir irgendwelchen Unsinn über den älteren Bruder eines autistischen Kindes erzählen, dem der jüngere erfolgreich das zur Kommunikation notwendige Verhalten beigebracht hat. Aber wann? Und woher weiß Romotschka, dass Marko seine Geschenke auf Hundeart erhalten muss? Denn genau das habe ich gesehen. Warum zieht Marko den Mantel an und macht auch noch diese ganzen Hundesachen

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