Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
Vom Netzwerk:
funkelten. Bei der Erinnerung begann Dimitris Hand wieder zu brennen. Er wünschte, er hätte gehört, was der Junge gesagt hatte. Der Vorfall kam ihm inzwischen wichtig vor. Ein unwiederbringlicher Moment, der vielleicht alles erhellt hätte.
    Wenn Romotschka ungefähr vier gewesen war, als er bei den Hunden zu leben begann, dann war Marko … erst später zur Welt gekommen.
    Nein. Das war unmöglich. Seine Enttäuschung war noch bedrückender als vorher. Es musste eine ganz normale Erklärung geben, die zeigte, dass die beiden nur vernachlässigt waren.
    Dimitri blickte auf, denn sein Rhythmus wurde vom Strom der Fußgänger gebremst. Er hatte sich weit vom Makarenko-Zentrum und der Universität entfernt. Ein Blick auf seine Uhr sagte ihm, dass es bereits 16:30 Uhr war. Er hatte das Zentrum direkt nach dem Mittagessen verlassen. Dieses Viertel kannte er überhaupt nicht. Der Gehsteig war schmal und tückisch, stellenweise kaputt, als wäre er von einer Krankheit befallen, und die Gebäude bildeten einehässliche, willkürliche Mischung, manche ausgeblichen und bröckelig, manche neuer, aus der Chruschtschow-Zeit. Fast alle erst nach der Revolution erbaut. Weiter vorn gab es einen Stau auf dem Gehsteig. Die Fußgänger schlängelten sich zwischen Autos und anderen Menschen hindurch, und er folgte ihnen, bis er sich schließlich direkt hinter dem Verkehrshindernis befand. Eine ältere Frau mit schmutzigem cremefarbenem Spitzenschal schlich den rissigen Bordstein entlang, in den Händen zwei prall gefüllte awoski . Während er gedankenverloren auf die Gelegenheit wartete, sie zu überholen, brausten Autos durch das zermahlene Eis der Pfützen und bespritzten sie beide mit Wasser.
    Er überquerte die Straße und stand nun an einer Kreuzung, unsicher, wohin er sich wenden sollte. Nirgendwo eine Straßenbahnhaltestelle, ein Autobus oder eine Metrostation. Er würde nach dem Weg fragen müssen. Ein traurig wirkender schwarzer Hund überquerte vorsichtig die Straße und lief zielstrebig weiter. Wohin begaben sich Hunde mit solcher Entschlossenheit?
    Neugierig folgte er dem Tier. Nur fünf Minuten später ließ die Entschlossenheit des Hundes nach. Er blieb stehen, schnupperte herum, hob das Bein, um eine Betonbank zu markieren; schweifte umher, aber nicht ziellos. Er war auf etwas konzentriert, schnupperte hier und da und markierte dann hinter der Bank einen Baum. Dimitri blickte auf und sah, dass er vor einem noch ziemlich neuen Metroeingang aus der Sowjetzeit stand.
    Drinnen empfing ihn wohlige Wärme, und er ging erleichtert auf die Drehkreuze zu, kam an einer Gruppe von bomschi vorbei, Männern und Frauen, die an der Wand saßen und bettelten, und fuhr auf der Rolltreppe in das tiefe Gewölbe und zu den Ladenpassagen hinab. Den Namen der Station kannte er nicht, und er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Bestimmt außerhalb der Ringstrecke, dachte er, sonst würde er den Namen kennen. Er suchte nach den Hinweistafeln und wusste anfangs nicht genau, welcher Bahnsteig nach Hause führte. Tatsächlich. Er war nur eine Station vom Ende der Strecke entfernt.
    Die Station öffnete sich in einer Reihe von schlichten Palisaden, Bögen und Säulen. Trotz aller Schlichtheit ein ziemlich imposanter Ort. Auf dem Bahnsteig drängten sich müde aussehende Pendler. Fabrikarbeiter. An der Rückwand des Bahnsteigs wimmelte es von weiteren bomschi . Einige schliefen auf Lumpenhaufen, andere standen neben Einkaufswagen, die mit verschiedenen Sachen vollgepackt und mit Plastiktüten oder blauen Planen abgedeckt waren. Sie schienen in Lauerstellung zu sein, und als die milizia die Treppe herunterkam, standen alle auf und taten so, als würden sie auf den Zug warten. Dimitri achtete besonders auf die Hunde. Einer stand argwöhnisch hinter den Arbeitern, und ein anderer schlängelte sich wachsam, aber furchtlos zwischen den Menschen hindurch, ohne jemanden zu berühren. Er wirkte, als hätte er sich in einen eigenen Kokon eingesponnen. Ein kleines Hündchen saß oben auf einer blauen Plane und starrte glupschäugig, aber ausdruckslos vor sich hin. Keiner von ihnen gab einen Laut von sich. Auch wenn es Dimitri überraschte, wie viele Hunde er sah, so war ihm dieses Bild doch vertraut. In den Metrostationen sah man oft Hunde und bomschi , nur hatte er vorher nie besonders darauf geachtet.
    Er stand jetzt inmitten der Arbeiter, die auf die Ankunft des Zuges warteten. Direkt vor sich erblickte er einen fedrigen Hundeschwanz, und er trat

Weitere Kostenlose Bücher