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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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einen Schritt zurück, umbesser sehen zu können: ein großer Owtscharka-Mischling mit dichtem Fell. Er stand geduldig zwischen den Menschen und wich aus, wenn ihm jemand zu nahe kam.
    Die Gleise zischten und ratterten, die Luft, die durch den Tunnel und über die Menschen hinwegzog, war von einer vertrauten Kakophonie erfüllt, und die gedrungene Front des Zuges kam in Sicht. Die Leute regten sich, als wären sie wiederbelebt worden. Der Schwanz des Hundes wedelte, und das Tier wandte sich zusammen mit den Menschen dem einfahrenden Zug zu.
    Der Hund wartete, bis sich die Türen ächzend öffneten und sich das anfängliche Gedränge aufgelöst hatte, dann sprang auch er in den Zug. Dimitri folgte ihm. Das Tier stellte sich an die Seite und starrte ins Leere. Die Leute schenkten ihm keine Beachtung. Dimitri stellte sich mit pochendem Herzen in seine Nähe. Der Hund setzte sich und starrte leise hechelnd durch die Glastüren. Dimitri sah, wie sich das dichte Fell bewegte und an den Schultern scheitelte, wenn er hin und her schwankte. Er sah das Profil des Tieres – ein breites, lächelndes Maul, weiße Zähne. Ab und zu schluckte der Hund, um den Speichel von der Zunge zu entfernen, dann hechelte er wieder. Der ruhige Blick in seinen braunen Augen, die gerunzelte Stirn, nichts veränderte sich. Als der Zug in der nächsten Station hielt, hörte der Hund auf zu hecheln und blickte sich mit respektvoll, ja reumütig gesenkten Ohren um, während er mit seinem großen Körper den aussteigenden Fahrgästen Platz machte. Dann starrte er wieder auf die Tür und nahm seine entspannte Wiegehaltung ein. Bei der zweiten Station hörte er wieder auf zu hecheln. Er wartete, bis die meisten Leute den Zug verlassen hatten, dann stieg auch er mit den Nachzüglern aus. Dimitri beobachtete, wie er auf den perechod zur Ringstrecke zulief und auf der Treppe nach oben verschwand.
    Er ließ sich auf einen Sitz sinken und von dem heimwärts fahrenden Zug in die vertrauten Viertel der Stadt bringen. Ihm wurde wieder schwindlig. Seine Welt hatte sich verändert, hatte sich ausgeweitet, um eine Wahrheit umfassen zu können, die es schon immer gegeben hatte, von der er jedoch ausgeschlossen gewesen war. Warum hatte er Hunde immer als dinghaft, als symbolisch empfunden, obwohl sie in Wirklichkeit menschenähnlich und ungefähr so symbolisch waren wie er? Wohin ging der Hund? Gehörte er jemandem? Wie hatte er gelernt, mit dem Zug zu fahren und umzusteigen? Oder fuhr er ziellos umher – Dimitri verspürte ein Kribbeln am Kopf –, nur zum Vergnügen? Als er zu Hause ankam, eine Station vor der Universität, sah er noch immer ein vierbeiniges Geisterbild vor sich, das mit der Menschenmenge aus dem Zug stieg.
    Hier war ihm wieder alles vertraut. Direkt hinter dem Park lag seine Wohnung, im siebten Stock, mit einem herrlichen Blick auf Birkenstämme und goldene Wipfel, auf eine restaurierte Kirche und einen Ring identischer Wohnblocks. Und dort wartete auch Natalja. Er hatte das sichere Gefühl, dass sie im Gegenteil zu ihm in seinen Neuigkeiten keinerlei Grund zur Bestürzung sehen würde, und obwohl er sich gegen ihre Begeisterung wappnete, sehnte er sich auch danach. Er war erschöpft, und seine Beine zitterten. Er hatte sich Blasen gelaufen, und es fiel ihm schwer, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    Am Parktor erblickte er einen Hund. Es war ein zotteliger Köter, der im Licht der Straßenlaterne dunkelorange leuchtete. Ihre Blicke trafen sich, und der Hund ließ den Kopf sinken und schlich in den Schatten, dann sprang erauf leisen Pfoten davon und verschwand in der schmalen Gasse neben der MegaFon-Filiale. Weiter hinten plünderten drei Hunde den großen neuen Müllcontainer. Ein heller, schimmernder Hund stand obendrauf und zerrte an einem Pappkarton. Der zweite stand schwanzwedelnd auf den Hinterbeinen am Container und ruckte immer wieder mit dem Kopf, als würde er lautlos bellen. Der dritte, schwarz, die Silhouette von orangefarbenem Licht umrahmt, stand unerschütterlich ein Stückchen entfernt, ohne die beiden anzusehen.
    Plötzlich erkannte Dimitri, dass sie ein Team bildeten. Die Muskeln, das Hirn und die Wache – die, wie er feststellte, den Blick auf ihn gerichtet hatte, denn auch er gehörte zu dieser Szene.
    Dimitri wandte sich ab und stieß das Parktor auf.
    Dieser große, schlecht beleuchtete Park galt allgemein als ungefährlich. Eine Polizeistreife sollte Betrunkene, Bettler und Drogendealer fernhalten. Alle im Viertel

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