Dogma
weg und drückte den Pistolenlauf dagegen.
«Bereit?», fragte er.
«Hast du das schon mal gemacht?»
«Nicht direkt.»
Sie zuckte die Schultern. «Das war nicht die Antwort, die ich mir erhofft hatte.»
«Auf drei. Eins. Zwei.»
Sie schaltete die Taschenlampe ein, und Reilly drückte den Abzug. Das Schloss zersprang mit einem ohrenbetäubenden Krachen, Funken sprühten – und im selben Moment schlugen mehrere Kugeln neben ihnen in die Felswand ein.
«Zurück», schrie Reilly und riss Tess von dem Durchgang fort, während um sie herum Gesteinssplitter flogen.
Dann hörte er es – das leere Einschnappen des Pistolenschlittens, der die letzte Hülse ausgeworfen hatte.
«Er hat keine Munition mehr», rief Reilly, riss Tess den Bombengürtel ab und schleuderte ihn von sich. Dann packte er die Taschenlampe und rannte los. «Komm!»
Als er nach vorn leuchtete, sah er den Iraner, der gerade den Tunnel hinter sich gelassen hatte und eine weitere geräumige Kammer durchquerte.
Reilly jagte ihm nach, so schnell ihn seine Beine trugen. Das Gefühl, seine Beute jeden Moment zur Strecke zu bringen, beflügelte ihn.
Zahed rannte mit zusammengebissenen Zähnen durch das unterirdische Labyrinth.
Er verfluchte die Amerikanerin – dafür, dass sie ihn hier heruntergelockt hatte, dass sie seinen Rucksack mitgenommen hatte, dass er ihretwegen keine Munition mehr hatte.
Es war an der Zeit, Schadensbegrenzung zu betreiben und sich aus dem Staub zu machen, sofern es dazu noch nicht zu spät war. Er wusste nicht, was ihn oben erwartete. Ihm war klar, dass Reilly geblufft haben musste, was die Jandarma betraf, aber er konnte doch nicht sicher sein. Zwar hatte es in der Schlucht nicht gerade von Touristen gewimmelt, aber bestimmt hatte irgendwer die Schießerei vorhin gehört. Und womöglich die Polizei gerufen. Der Boden konnte schon recht bald heiß werden, und es gab nur eine sehr begrenzte Anzahl von Wegen aus der Schlucht. Zu entkommen würde nicht leicht sein.
Er musste verschwinden, bevor sie kamen.
Zahed stürmte durch einen großen Gemeinderaum und in einen breiteren Gang hinein. Zwischendurch flackerte immer wieder sekundenlang die Taschenlampe seiner Verfolger auf. Der Widerschein half ihm, sich zu orientieren, beleuchtete Wände und Tunnel, doch zugleich war er dadurch wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Er musste außerhalb von dessen Reichweite gelangen. Er rannte, so schnell er das in der Dunkelheit konnte, ohne zu wissen, wohin. Das spielte im Augenblick keine Rolle. Er hatte keine andere Wahl, als den Stromkabeln zu folgen und zu hoffen, dass sie ihn zurück zum Eingang führten.
Nicht weit hinter sich hörte er Reilly. Er musste ihn abschütteln. Als er eine schmale Treppe entdeckte, sprintete er, zwei Stufen auf einmal nehmend, hinauf. Oben gabelte sich der Tunnel. Zahed entschied sich für die rechte Seite und lief geduckt weiter, so leise er konnte, in der Hoffnung, seinen Verfolger zu verwirren und etwas Zeit zu gewinnen.
Er musste etwas unternehmen. Den Agenten irgendwie aufhalten.
Und dann sah er es.
Am Ende des engen Tunnels ragte eine runde Form aus der Felswand.
Es war eine Art Falltür in Gestalt eines runden, tonnenschweren Steins von etwa ein Meter zwanzig Durchmesser, ähnlich einem Mühlstein. Sein Zweck war es, Eindringlinge abzuhalten – der Stein konnte im Handumdrehen vor die Tunnelöffnung gerollt werden, man brauchte nur ein paar Holzkeile zu entfernen.
«Keine Bewegung, Arschloch.»
Zahed wandte sich um.
Dort, am anderen Ende des Tunnels, stand Reilly und richtete mit einer Hand die Pistole, mit der anderen die Taschenlampe auf ihn. Zahed kniff die Augen zusammen.
Gleich darauf sah er Tess neben Reilly erscheinen. Sein Blick glitt zu ihrer Taille, doch der Gürtel zeichnete sich nicht unter ihrem Hemd ab, und aus dem trotzigen Funkeln ihrer Augen schloss Zahed, dass sie ihn nicht mehr trug.
«Ich hätte dich schon in Rom umbringen sollen», rief Zahed Reilly zu, um Zeit zu gewinnen.
«Zu spät, Wichser. Leg die Pistole ab.»
Zahed warf einen verstohlenen Blick auf den unteren Rand des Mühlsteins. Die Holzkeile, die die Dorfbewohner früher benutzt hatten, waren längst nicht mehr dort. Stattdessen ragte eine rostige Eisenstange unter dem Stein hervor. Es schien sich um eine Behelfslösung von vor mehreren Jahrzehnten zu handeln, aus der Zeit, bevor die Schluchten zum Gefahrengebiet erklärt und evakuiert worden waren. Damals hatte es in Kappadokien kaum Tourismus
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