Dogma
Fall in Gefahr.»
«Also haben sie die Templer gebeten, sie anderswo in Sicherheit zu bringen? Aber warum ausgerechnet die Templer?»
Tess führte sich die Zeitleiste vor Augen. Wieder flammte ein Gedanke auf, blendend hell und unwiderstehlich. «Was, wenn die Templer von Anfang an beteiligt waren?»
«Wie meinst du das?»
«Vor drei Jahren, im Vatikan, als du Brugnone zum ersten Mal begegnet bist, da hat er dir erzählt, die Templer hätten in Jerusalem Jesu Tagebuch entdeckt. Er hat bestätigt, was Vance bereits vermutet hatte – sie haben es dazu benutzt, den Papst zu erpressen, und sind dadurch so schnell an Macht und Reichtum gelangt. Aber woher kam das Tagebuch wirklich?»
«Haben sie es nicht irgendwo in den Überresten des alten Salomon-Tempels in Jerusalem gefunden? Ich dachte, sie haben in den ersten Jahren nach der Ordensgründung dort gegraben, und als sie es gefunden haben, konnten sie damit vom Vatikan Unterstützung erpressen. Und von da an wurden sie mit Geldspenden und Landschenkungen überschüttet.»
«Davon sind wir immer ausgegangen. Aber was, wenn wir im Irrtum waren?» Tess dachte an die überlieferte Geschichte vom Ursprung des Templerordens. Neun Ritter aus verschiedenen Teilen Europas, die eines Tages im Jahre 1118 aus heiterem Himmel in Jerusalem auftauchten und dem König erklärten, sie wollten die christlichen Pilger beschützen, die in Scharen herbeiströmten, um die kürzlich eroberte Heilige Stadt zu sehen. Der König gab ihnen ein riesiges Gelände als Hauptquartier, das Gelände des alten Salomon-Tempels – daher Tempelritter oder Templer –, ein Quartier, das sie allem Anschein nach neun Jahre lang nicht verließen, Jahre, in denen sie mutmaßlich nach etwas gruben, das ihnen, als sie es gefunden hatten, zu Reichtum und Macht verhalf. Etwas, wovon Tess angenommen hatte, sie und Reilly hätten es vor drei Jahren entdeckt.
«Haben die ersten Templer es wirklich bei ihren Grabungen dort in den Ruinen gefunden?», fragte sie. «Oder haben sie diese Geschichte nur erfunden, um die Wahrheit zu vertuschen? Vielleicht war es ja in Wirklichkeit ein Teil des Schatzes aus Nicäa?»
«Und sie haben den Papst belogen, um die Sache aufzubauschen? Um es geheimnisvoller zu machen und einen Mythos darum zu spinnen?»
«Zum Teil, ja», vermutete Tess. «Zugleich aber auch, um den Rest des Schatzes nicht in Gefahr zu bringen. Der Papst und seine Getreuen brauchten schließlich nicht zu wissen, dass all diese unorthodoxen Evangelien und sonstigen Schriften noch existierten.»
«Das würde bedeuten, die Gründer des Templerordens wussten von Anfang an von dem Schatz», bemerkte Reilly.
«Womit sich die Frage stellt: Wer waren sie wirklich?», spann Tess den Gedanken weiter. «Und warum sind sie gerade zu diesem Zeitpunkt in Aktion getreten und haben den Papst erpresst?» Ihr schwirrte der Kopf von all den Schlussfolgerungen, die sich aus jeder neuen Erkenntnis ergaben. Alles, was sie über die Ursprünge des Templerordens zu wissen geglaubt hatte – wer diese Ritter tatsächlich waren, woher sie kamen, warum sie gerade zu diesem Zeitpunkt in Jerusalem auftauchten, worauf sie in Wirklichkeit aus waren –, all das wurde plötzlich in Frage gestellt.
«Wann sind sie noch gleich zum ersten Mal in Erscheinung getreten?»
«1118. Eine Zeit des Umbruchs», dachte Tess laut. Ihr Verstand arbeitete fieberhaft. «Es war das erste Mal, dass ein Papst, Oberhaupt der katholischen Kirche und Stellvertreter Christi auf Erden, nicht die christliche Botschaft von Liebe und Frieden verbreitete. Stattdessen befahl er seinen Schäfchen, hinzugehen und im Namen Christi zu töten, versprach ihnen, all ihre Sünden würden ihnen vergeben und das Himmelreich wäre ihnen sicher, wenn sie loszögen und im Namen des Kreuzes die Heiden niedermetzelten. Und seine heilige Armee war siegreich. Sie hatten Jerusalem eingenommen, die Muslime waren am Boden. Der Papst war der Führer der einzigen Supermacht der damaligen Zeit, er war im Begriff, die Weltherrschaft zu erringen.»
Reilly dachte über ihre Worte nach. «Vielleicht hat daraufhin irgendjemand beschlossen, ein Gegengewicht zu schaffen?», warf er ein. «Eine Macht, die die Vorherrschaft Roms erschüttern und die Entwicklung bremsen konnte, ehe das Ganze außer Kontrolle geriet?»
Tess nickte mit abwesendem Blick. «Vielleicht ist alles, was wir bisher über die Templer zu wissen glaubten, falsch.»
Eine Weile lang hingen beide schweigend ihren
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