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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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hat doch alles keinen
     Sinn mehr. Durch solche Aktionen setzen Sie sich nur noch stärker ins
     Unrecht. Soll wirklich noch weiteres Blut fließen?«
    Keine Reaktion von drinnen.
     Haberstroh rappelte sich langsam hoch und achtete darauf, sich ja nicht
     hastig zu bewegen.
    »Wer sind Sie, und was
     wollen Sie?«, ertönte schließlich doch von drinnen eine
     Frauenstimme.
    »Bezirksinspektor
     Haberstroh vom Landesgendarmeriekommando Salzburg, Frau Schleißheimer.
     Wir suchen in erster Linie nicht Sie, sondern Paul Marageter.«
    »Ach ja? Mit dem Pauli
     wollen Sie sprechen? Da hätten Sie früher kommen müssen.«
    Haberstroh durchlief es heiß
     und kalt. »Dürfen wir trotzdem reinkommen?«

 
    39
    KOTEK HATTE DEN ALMBODEN von
     Sportgastein erreicht. Die Tour wurde durch den dichten Schneefall
     erschwert und hatte ihr fast alles abverlangt. Sie war zwar
     durchtrainiert, aber in dieser Disziplin nicht so geübt wie etwa ein
     Lorenz Redl, der bei Tourengehern wegen seiner Zähigkeit und Ausdauer
     als Begleiter gefürchtet war. Von ihm hieß es, er mache jeden
     hin.
    Von der »Evianquelle«
     bis kurz hinter die Asten-Almen war es vergleichsweise noch ein
     Spaziergang gewesen, aber ab Kesselfall und Russenbrücke nahm die
     Steigung spürbar zu. Vorteilhaft wirkte sich hier nur die dicke
     Schneedecke aus, die aus dem sonst so steinigen und schrundigen Steig eine
     glatte weiße Fläche machte. Der Schnee war zum Glück fest
     und kompakt, was die Lawinengefahr möglicherweise noch für ein
     paar Stunden hinausschob.
    Das steilste Stück
     begann nach dem Schleierfall. Dort wechselte Kotek über die
     romantische Holzbrücke zurück auf die rechte Seite der Ache, die
     hier noch Naßfelder Bach hieß. Trotz Grätschschritt und
     Fellen auf ihren Skiern war sie immer wieder in Gefahr geraten zurückzurutschen.
     Die Anstrengung und die Angst, jeden Moment eine Lawine auszulösen,
     ließ ihr den Schweiß in Bächen am Körper
     hinabrinnen. Die Steigung schien kein Ende nehmen zu wollen, sodass sie in
     immer kürzeren Abständen rasten musste.
    Mit zitternden Beinen
     erreichte sie schließlich die Scheitelhöhe des Naßfelder
     Kraftwerks. Während sie sich mit einer Hand am Absperrungsgitter zur
     Staumauer festhielt, griff sie mit der anderen zum Handy: der zweite Anruf
     von Max Haberstroh!
    Die neuen Nachrichten von der
     Gadaunerer Hochalm ließen ihre Kräfte zurückkehren, und
     zwanzig Minuten später schnallte sie die Tourenski vor dem Landhaus
     ab, wobei sie dessen Front keine Sekunde aus den Augen ließ.
    Mit großer
     Erleichterung sah sie Tina Hohenauer an einem Stubenfenster stehen und ihr
     von drinnen zuwinken. Tina schien genauso erleichtert zu sein wie sie. Nun
     musste sie die Verantwortung nicht mehr allein tragen.
    Kotek klaubte ihr Handy aus
     dem Anorak, wählte Weiders Nummer und gab Entwarnung: »Also,
     damit Oskar zufrieden ist: Batrachomyomachia. Hier im Landhaus ist noch
     alles an seinem Platz. Melde mich in zwei Stunden wieder.«
    Kotek stellte die Ski neben
     der Haustür ab, während sie hörte, wie sich der Bartschlüssel
     im vorsintflutlichen Schloss drehte. Sie war kein heuriger Hase, und
     professionelle Vorsicht bedeutete ihr wesentlich mehr als die Angst, sich
     lächerlich zu machen, also zog sie ihre Neunzehner Glock, um bösen
     Überraschungen vorzubeugen.
    Die Tür öffnete
     sich, und der Kussmund von Tina Hohenauer formte beim Anblick der Pistole
     ein rundes »Oh!«.
    Kotek lachte. »Kein
     Grund zur Besorgnis. Ich wollte nur auf Nummer sicher gehen. Keine
     besonderen Vorkommnisse bisher?«
    Sie steckte die Glock ins
     Holster zurück und trat ins Vorhaus, dann explodierte die Welt um sie
     herum.

 
    40
    ALLMÄHLICH kam Melanie
     Kotek wieder zu sich, aber ihre Umgebung konnte sie vorerst nur wie durch
     einen Nebel wahrnehmen. Rechts oben an ihrem Kopf pochte der Schmerz
     gewaltig. Sie spürte, dass die Haut dort aufgeplatzt war und Haare
     an- und zusammenklebten. Aus einem Reflex heraus wollte sie mit der
     rechten Hand dorthin fassen, konnte aber nicht. Auch nicht mit der linken.
    Trotz des Dämmerzustands,
     in dem sie sich befand, begriff sie, dass sie in der Stube von Ostermeyers
     Landhaus mit dem Rücken an etwas Weiches gelehnt auf dem Fußboden
     saß und ihre Handgelenke rücklings fixiert waren mit …
     mit ihren eigenen Handschellen?
    Möglich war es. Sie
     hatte vorsichtshalber zwei Paar mitgenommen, weil mit Situationen zu
     rechnen

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