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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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probiert, bis ich
     rangegangen bin. Das war so gegen neun Uhr, als der Schneefall vorübergehend
     nachließ. Er hat mich sofort nach dem Zeugenschutzprogramm
     ausgefragt. Ich tat, als wüsste ich von nichts, und als ich ihm auch
     nicht sagen wollte, wo ich mich im Augenblick befand, hat er überraschend
     schnell aufgelegt.«
    »Kollegin Tina hat kein
     einziges Mal gefragt, wer denn überhaupt ins ZSP genommen werden
     sollte«, erklärte Wegener weiter, »deshalb erriet
     Marageter natürlich gleich, dass sie eingeweiht war. Und dass Fritz
     Ostermeyer mit dir verwandt ist und ein Landhaus in Sportgastein besitzt,
     war ihm ebenfalls bekannt. Gastein hält schließlich etwas auf
     seine Beziehungen zum alten Adel. So fügte sich eines zum andern. Wir
     mussten diese Spur also nur weiterverfolgen.«
    »Wir? Paul Marageter
     ist doch nicht etwa dein Komplize, oder?«
    Wegener ließ sich mit
     der Antwort Zeit. »Sagen wir es mal so: Mit dem Material, das ich in
     den Wohnungen von Schleißheimer und Heinrich gefunden hatte, konnte
     ich ihm ein wenig Druck machen. Pauli sollte auskundschaften, wo das ZSP
     stattfindet oder wenigstens einen wichtigen Tipp dazu liefern, und sich
     gleichzeitig irgendwo verstecken, um Verwirrung zu stiften. Ich brauchte
     schließlich Zeit.«
    »Um dir das Nazigold
     von Hans Häuslschmied zu krallen«, platzte es aus Kotek heraus.
     »Aber warum? Du bist doch wohlhabend und brauchst kein Geld.«
    »Außerdem klebt
     ohnehin schon so viel Blut an diesem Gold«, meldete sich plötzlich
     wieder Hohenauer fast beschwörend zu Wort.
    Die naive, für Kotek
     aber nicht überraschende Äußerung veranlasste Wegener, die
     Luft verächtlich durch die geschlossenen Lippen zu blasen. »Spielt
     das jetzt noch irgendeine Rolle, Häschen?«
    »O ja, natürlich
     spielt es eine Rolle«, stellte Kotek klar. »Wir wissen, dass
     du auf dem Weg zum Gold schon zwei Mal über Leichen gegangen bist,
     wahrscheinlich sogar drei Mal! Regenmandl ist ja auch verschwunden. Was
     hast du mit ihm gemacht?«
    Wegener nahm einen Schluck
     aus der vor ihm stehenden Kaffeetasse, und Kotek registrierte, was ihr
     unterschwellig längst bekannt war: Ihr Kollege war Linkshänder.
    Während er die Tasse
     absetzte, sagte er entschieden: »Jetzt lass mal die Kirche im Dorf.
     Das mit Fredl Schleißheimer und Lotte Heinrich war ich nicht. Ich
     bin schließlich nicht der Einzige, der von Häuslschmieds Gold
     wusste. Und wo Regenmandl sich versteckt, weiß ich erst recht nicht.«
    Amanda Häuslschmied schüttelte
     energisch den Kopf. »Niemand außer mir hatte Kenntnis von dem
     Gold«, behauptete sie.
    Wegeners Antwort war zunächst
     nur eine wegwerfende Handbewegung. »Mach dich nicht lächerlich,
     du Gruftassel, und denk mal an deinen Anruf bei Lotte Heinrich zurück.
     Dein verblichener Hans hat ihr die Aussicht auf das Gold in einem Brief
     geradezu aufgedrängt, um sie zur Rückkehr aus Amerika zu
     bewegen, wobei es ihm natürlich in erster Linie um das Kind ging.«
    »Unsinn! Totaler
     Unsinn!«, rief die alte Frau.
    »Unsinn? Ich habe den
     Brief selbst in der Hand gehabt. Ja, ich habe ihn neben anderen Infos bei
     der Haussuchung gefunden und einbehalten, aber die Bachblüten-Lotte
     habe ich nicht angerührt. Wenn man weiß, was sich im
     Laderdinger Alpl abgespielt hat und wie zugedröhnt dein Mann dort oft
     war, dann kann man sich durchaus mehrere Mitwisser vorstellen.«
    Warum Wegener die Morde so
     konsequent leugnete, ahnte Kotek inzwischen. Vorsichtshalber ließ
     sie das Thema fallen.
    »Erklär mir eins:
     Wie konnte es überhaupt so weit kommen?«, bog sie den Diskurs
     ins Allgemeine ab. »Und was sollte die ironische Anmerkung über
     alten Adel? Soviel ich weiß, stammst du doch selbst von einem
     pannonischen Grafen ab und hättest es gar nicht nötig gehabt, in
     den Staatsdienst zu gehen.«
    »Du hast ganz richtig
     gesagt: ›Soviel du weißt‹, und das, was du weißt,
     ist eben nicht besonders viel. Euch vom Referat 112 reichten ja schon
     immer die paar Eckdaten über mich. Dass ich zwei Villen am Wörthersee
     und Zinshäuser in Graz und Salzburg besaß und es eigentlich
     nicht nötig gehabt hätte zu arbeiten, war alles, was bei euch hängen
     geblieben ist. ›Doch die Verhältnisse sind nicht so‹,
     heißt es, glaub ich, bei Brecht. Das alles war einmal.«
    Er starrte durchs Fenster
     hinaus ins weiße Nichts. Erst nach etlichen quälend
     dahintropfenden Sekunden fuhr er

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