Dohlenflug
probiert, bis ich
rangegangen bin. Das war so gegen neun Uhr, als der Schneefall vorübergehend
nachließ. Er hat mich sofort nach dem Zeugenschutzprogramm
ausgefragt. Ich tat, als wüsste ich von nichts, und als ich ihm auch
nicht sagen wollte, wo ich mich im Augenblick befand, hat er überraschend
schnell aufgelegt.«
»Kollegin Tina hat kein
einziges Mal gefragt, wer denn überhaupt ins ZSP genommen werden
sollte«, erklärte Wegener weiter, »deshalb erriet
Marageter natürlich gleich, dass sie eingeweiht war. Und dass Fritz
Ostermeyer mit dir verwandt ist und ein Landhaus in Sportgastein besitzt,
war ihm ebenfalls bekannt. Gastein hält schließlich etwas auf
seine Beziehungen zum alten Adel. So fügte sich eines zum andern. Wir
mussten diese Spur also nur weiterverfolgen.«
»Wir? Paul Marageter
ist doch nicht etwa dein Komplize, oder?«
Wegener ließ sich mit
der Antwort Zeit. »Sagen wir es mal so: Mit dem Material, das ich in
den Wohnungen von Schleißheimer und Heinrich gefunden hatte, konnte
ich ihm ein wenig Druck machen. Pauli sollte auskundschaften, wo das ZSP
stattfindet oder wenigstens einen wichtigen Tipp dazu liefern, und sich
gleichzeitig irgendwo verstecken, um Verwirrung zu stiften. Ich brauchte
schließlich Zeit.«
»Um dir das Nazigold
von Hans Häuslschmied zu krallen«, platzte es aus Kotek heraus.
»Aber warum? Du bist doch wohlhabend und brauchst kein Geld.«
»Außerdem klebt
ohnehin schon so viel Blut an diesem Gold«, meldete sich plötzlich
wieder Hohenauer fast beschwörend zu Wort.
Die naive, für Kotek
aber nicht überraschende Äußerung veranlasste Wegener, die
Luft verächtlich durch die geschlossenen Lippen zu blasen. »Spielt
das jetzt noch irgendeine Rolle, Häschen?«
»O ja, natürlich
spielt es eine Rolle«, stellte Kotek klar. »Wir wissen, dass
du auf dem Weg zum Gold schon zwei Mal über Leichen gegangen bist,
wahrscheinlich sogar drei Mal! Regenmandl ist ja auch verschwunden. Was
hast du mit ihm gemacht?«
Wegener nahm einen Schluck
aus der vor ihm stehenden Kaffeetasse, und Kotek registrierte, was ihr
unterschwellig längst bekannt war: Ihr Kollege war Linkshänder.
Während er die Tasse
absetzte, sagte er entschieden: »Jetzt lass mal die Kirche im Dorf.
Das mit Fredl Schleißheimer und Lotte Heinrich war ich nicht. Ich
bin schließlich nicht der Einzige, der von Häuslschmieds Gold
wusste. Und wo Regenmandl sich versteckt, weiß ich erst recht nicht.«
Amanda Häuslschmied schüttelte
energisch den Kopf. »Niemand außer mir hatte Kenntnis von dem
Gold«, behauptete sie.
Wegeners Antwort war zunächst
nur eine wegwerfende Handbewegung. »Mach dich nicht lächerlich,
du Gruftassel, und denk mal an deinen Anruf bei Lotte Heinrich zurück.
Dein verblichener Hans hat ihr die Aussicht auf das Gold in einem Brief
geradezu aufgedrängt, um sie zur Rückkehr aus Amerika zu
bewegen, wobei es ihm natürlich in erster Linie um das Kind ging.«
»Unsinn! Totaler
Unsinn!«, rief die alte Frau.
»Unsinn? Ich habe den
Brief selbst in der Hand gehabt. Ja, ich habe ihn neben anderen Infos bei
der Haussuchung gefunden und einbehalten, aber die Bachblüten-Lotte
habe ich nicht angerührt. Wenn man weiß, was sich im
Laderdinger Alpl abgespielt hat und wie zugedröhnt dein Mann dort oft
war, dann kann man sich durchaus mehrere Mitwisser vorstellen.«
Warum Wegener die Morde so
konsequent leugnete, ahnte Kotek inzwischen. Vorsichtshalber ließ
sie das Thema fallen.
»Erklär mir eins:
Wie konnte es überhaupt so weit kommen?«, bog sie den Diskurs
ins Allgemeine ab. »Und was sollte die ironische Anmerkung über
alten Adel? Soviel ich weiß, stammst du doch selbst von einem
pannonischen Grafen ab und hättest es gar nicht nötig gehabt, in
den Staatsdienst zu gehen.«
»Du hast ganz richtig
gesagt: ›Soviel du weißt‹, und das, was du weißt,
ist eben nicht besonders viel. Euch vom Referat 112 reichten ja schon
immer die paar Eckdaten über mich. Dass ich zwei Villen am Wörthersee
und Zinshäuser in Graz und Salzburg besaß und es eigentlich
nicht nötig gehabt hätte zu arbeiten, war alles, was bei euch hängen
geblieben ist. ›Doch die Verhältnisse sind nicht so‹,
heißt es, glaub ich, bei Brecht. Das alles war einmal.«
Er starrte durchs Fenster
hinaus ins weiße Nichts. Erst nach etlichen quälend
dahintropfenden Sekunden fuhr er
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