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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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gewesen war, die sie notwendig gemacht hätten.
    Nun, eine solche Situation
     schien jetzt eingetreten zu sein – doch leider nicht so, wie sie es
     geplant hatte.
    Die Erkenntnis, sich in einer
     ziemlich prekären Lage zu befinden, brachte ihren Kreislauf in
     Schwung. Sie blickte sich um. Das zweite Paar Handschellen war Hohenauer
     angelegt worden. Sie saßen Rücken an Rücken, waren
     kreuzweise aneinandergefesselt und lehnten mit jeweils einer Schulter am
     Specksteinofen.
    Koteks Blick wanderte weiter
     zur Sitzecke, wo zwei Personen am Tisch saßen. Eine davon war Amanda
     Häuslschmied. Ihr Gesicht war eingefallen, sie sah mitgenommen aus.
     Von der rechten Wange hing ein breites Klebeband herunter, das wohl als
     Knebel gedient hatte, und ihre Handgelenke waren ebenfalls mit
     Handschellen versehen. Zusätzlich hatte man sie an den
     schmiedeeisernen Schirmständer gekettet, der zwischen Stubentür
     und Sitzecke am Boden festgeschraubt war.
    Die Person auf der anderen
     Tischseite war ein dunkelhaariger Mann Anfang dreißig, der
     anscheinend für das dritte Paar Handschellen verantwortlich war.
     Kotek kannte ihn.
    »Werner, du? Darauf wär
     ich im Leben nicht gekommen.«
    Das Eingeständnis seiner
     langjährigen Kollegin nötigte Werner Wegener, dem Stellvertreter
     von Spusi-Chef Oliver Stubenvoll, ein zufriedenes Lächeln ab.
    »Endlich munter
     geworden, Frau Oberleutnant?«, sagte er aufgeräumt. »Ich
     dachte schon, ich hätte ein wenig zu fest zugeschlagen.«
    »Es tut mir so leid,
     Frau Kotek«, meldete sich jetzt zerknirscht die Praktikantin zu
     Wort. »Heut Vormittag beim Kochen sind zwei alte Schmelzsicherungen
     durchgebrannt. Zufällig wusste ich, dass drüben in der
     Genossenschaftsalm noch eine so vorsintflutliche Sicherung installiert
     war.«
    »Und weil wegen des
     dichten Schneefalls keine Gefahr von außen zu fürchten war,
     haben Sie trotz ausdrücklicher Weisung das Haus verlassen und sind
     zur Genossenschaftsalm gegangen, um diese blöden Schmelzsicherungen
     zu schnorren«, ergänzte Kotek ungehalten.
    Wegener grinste. »Ich würde
     nicht zu streng über die junge Kollegin urteilen. Ja, ich bin in der
     Früh mit den Tourenskiern über die alte Naßfelder Straße
     heraufgewandert, aber es war purer Zufall, dass ich gerade in dem Moment
     am alten Gewerken-Gesellschafterhaus vorbeikam, als ich jemanden über
     die Brücke des Siglitzbaches gehen hörte.«
    »Eine oder zwei Brückenbohlen
     sind seit Jahren lose«, glaubte Hohenauer erklären zu müssen.
     »In der Stille hört man das Poltern ziemlich weit.«
    Doch die Beschaffenheit der
     Brücke beschäftigte Kotek im Augenblick wesentlich weniger, als
     wie Wegener ins Naßfeld gelangt sein wollte. Blitzartig fiel ihr die
     gestrige nächtliche Begegnung an der Tankstelle beim »Posauner
     Wirt« ein. Der dunkelblaue Range Rover! Wenn nicht Regenmandl selbst
     am Volant gesessen hatte, konnte nur sein Mörder mit dem schweren Geländefahrzeug
     gefahren sein – und zwar so weit, wie es damit möglich war,
     also vermutlich bis in die Nähe der Asten-Almen. Dort hatte er dann
     irgendwo abseits der alten Naßfelder Straße im Wagen übernachtet
     und war am Morgen mit den Tourenskiern losgezogen.
    Aber warum hatte sie weder
     vom Wagen noch von ihm selbst die geringste Spur im Naßfelder Tal
     entdeckt? Und wie war es ihm nur geglückt, unbeobachtet an der Böcksteiner
     Brücke vorbeizufahren? Dort hätte jeder vorbeimüssen, der
     ins Naßfelder Tal wollte, egal, ob er später auf Höhe
     »Evianquelle« die neue oder die alte Naßfelder Straße
     wählte.
    Wegener nickte grinsend.
     »Du sagst es, ich habe das Poltern gehört. Natürlich sah
     ich mich gezwungen, auf der eigenen Spur zurückzulaufen, um zu sehen,
     wer bei diesem extremen Wetter unterwegs war. Zu meiner freudigen Überraschung
     erkannte ich die junge Kollegin, die mir bereits von Pauli avisiert und
     bis ins Detail beschrieben worden war. Von ihm wusste ich, dass man sie
     zum        
    ZSP abkommandiert hatte, und
     auch, dass sie eine Bettgenossin von Pauli war.«
    Eine reife Tomate aus dem
     burgenländischen Seewinkel hätte neben Hohenauer blass
     ausgesehen.
    »Ich habe Pauli nichts
     gesagt!«, beteuerte sie.
    »Aber er hat Sie
     angerufen oder angesimst?«, wollte Kotek wissen. Ihr war kotzübel,
     und das war nicht allein die Folge der Gehirnerschütterung.
    »Mehrmals«, bestätigte
     Hohenauer. »Heut früh hat er es so lange

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