Dohlenflug
gewesen war, die sie notwendig gemacht hätten.
Nun, eine solche Situation
schien jetzt eingetreten zu sein – doch leider nicht so, wie sie es
geplant hatte.
Die Erkenntnis, sich in einer
ziemlich prekären Lage zu befinden, brachte ihren Kreislauf in
Schwung. Sie blickte sich um. Das zweite Paar Handschellen war Hohenauer
angelegt worden. Sie saßen Rücken an Rücken, waren
kreuzweise aneinandergefesselt und lehnten mit jeweils einer Schulter am
Specksteinofen.
Koteks Blick wanderte weiter
zur Sitzecke, wo zwei Personen am Tisch saßen. Eine davon war Amanda
Häuslschmied. Ihr Gesicht war eingefallen, sie sah mitgenommen aus.
Von der rechten Wange hing ein breites Klebeband herunter, das wohl als
Knebel gedient hatte, und ihre Handgelenke waren ebenfalls mit
Handschellen versehen. Zusätzlich hatte man sie an den
schmiedeeisernen Schirmständer gekettet, der zwischen Stubentür
und Sitzecke am Boden festgeschraubt war.
Die Person auf der anderen
Tischseite war ein dunkelhaariger Mann Anfang dreißig, der
anscheinend für das dritte Paar Handschellen verantwortlich war.
Kotek kannte ihn.
»Werner, du? Darauf wär
ich im Leben nicht gekommen.«
Das Eingeständnis seiner
langjährigen Kollegin nötigte Werner Wegener, dem Stellvertreter
von Spusi-Chef Oliver Stubenvoll, ein zufriedenes Lächeln ab.
»Endlich munter
geworden, Frau Oberleutnant?«, sagte er aufgeräumt. »Ich
dachte schon, ich hätte ein wenig zu fest zugeschlagen.«
»Es tut mir so leid,
Frau Kotek«, meldete sich jetzt zerknirscht die Praktikantin zu
Wort. »Heut Vormittag beim Kochen sind zwei alte Schmelzsicherungen
durchgebrannt. Zufällig wusste ich, dass drüben in der
Genossenschaftsalm noch eine so vorsintflutliche Sicherung installiert
war.«
»Und weil wegen des
dichten Schneefalls keine Gefahr von außen zu fürchten war,
haben Sie trotz ausdrücklicher Weisung das Haus verlassen und sind
zur Genossenschaftsalm gegangen, um diese blöden Schmelzsicherungen
zu schnorren«, ergänzte Kotek ungehalten.
Wegener grinste. »Ich würde
nicht zu streng über die junge Kollegin urteilen. Ja, ich bin in der
Früh mit den Tourenskiern über die alte Naßfelder Straße
heraufgewandert, aber es war purer Zufall, dass ich gerade in dem Moment
am alten Gewerken-Gesellschafterhaus vorbeikam, als ich jemanden über
die Brücke des Siglitzbaches gehen hörte.«
»Eine oder zwei Brückenbohlen
sind seit Jahren lose«, glaubte Hohenauer erklären zu müssen.
»In der Stille hört man das Poltern ziemlich weit.«
Doch die Beschaffenheit der
Brücke beschäftigte Kotek im Augenblick wesentlich weniger, als
wie Wegener ins Naßfeld gelangt sein wollte. Blitzartig fiel ihr die
gestrige nächtliche Begegnung an der Tankstelle beim »Posauner
Wirt« ein. Der dunkelblaue Range Rover! Wenn nicht Regenmandl selbst
am Volant gesessen hatte, konnte nur sein Mörder mit dem schweren Geländefahrzeug
gefahren sein – und zwar so weit, wie es damit möglich war,
also vermutlich bis in die Nähe der Asten-Almen. Dort hatte er dann
irgendwo abseits der alten Naßfelder Straße im Wagen übernachtet
und war am Morgen mit den Tourenskiern losgezogen.
Aber warum hatte sie weder
vom Wagen noch von ihm selbst die geringste Spur im Naßfelder Tal
entdeckt? Und wie war es ihm nur geglückt, unbeobachtet an der Böcksteiner
Brücke vorbeizufahren? Dort hätte jeder vorbeimüssen, der
ins Naßfelder Tal wollte, egal, ob er später auf Höhe
»Evianquelle« die neue oder die alte Naßfelder Straße
wählte.
Wegener nickte grinsend.
»Du sagst es, ich habe das Poltern gehört. Natürlich sah
ich mich gezwungen, auf der eigenen Spur zurückzulaufen, um zu sehen,
wer bei diesem extremen Wetter unterwegs war. Zu meiner freudigen Überraschung
erkannte ich die junge Kollegin, die mir bereits von Pauli avisiert und
bis ins Detail beschrieben worden war. Von ihm wusste ich, dass man sie
zum
ZSP abkommandiert hatte, und
auch, dass sie eine Bettgenossin von Pauli war.«
Eine reife Tomate aus dem
burgenländischen Seewinkel hätte neben Hohenauer blass
ausgesehen.
»Ich habe Pauli nichts
gesagt!«, beteuerte sie.
»Aber er hat Sie
angerufen oder angesimst?«, wollte Kotek wissen. Ihr war kotzübel,
und das war nicht allein die Folge der Gehirnerschütterung.
»Mehrmals«, bestätigte
Hohenauer. »Heut früh hat er es so lange
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