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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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fort: »Aber ja, eins stimmt. Mein
     heute so prinzipientreuer Vater ist Arthur Graf von Hofstetten-Wilfersdorf
     aus einer Seitenlinie derer von Lockenhaus-Pannoneia. Seit zwei
     Jahrzehnten managt er vom Stammschloss Mannersdorf aus die
     Hofstetten-Wilfersdorf’schen Besitzungen von Köszeg bis
     hinunter nach Pornoapati. Außerdem ist er mit Crossover-Unternehmen
     aus Agrarindustrie, Weinbau, Touristikbetrieben und Solartechnologie in Südburgenland
     und Westungarn erfolgreich.«
    »Deiner ambivalenten
     Diktion entnehme ich, dass zwischen dir und deinem Vater nicht das beste
     Einvernehmen herrscht«, klopfte Kotek auf den Busch.
    Wegener bleckte die Zähne.
     »Als Student der Agrarwissenschaften hat er meine Mutter geschwängert
     und sie sogar geheiratet – gegen den Willen seiner gesamten
     Verwandtschaft. Mama musste allerdings einen Ehevertrag unterschreiben,
     und als schließlich die erste Brunst verflogen war, wollte er nichts
     mehr von ihr wissen.«
    »Scheidung und
     Abfindung?«, vermutete Melanie Kotek.
    »Ja, Mama bekam die
     zwei Villen am Wörthersee, die Mietskasernen in Graz-Liebenau und die
     in Salzburg-Wals, in der ich noch immer wohne.«
    »Immerhin eine nicht
     gerade mickrige Abfindung, oder hat deine Mutter das anders gesehen?«
    Wegener winkte verächtlich
     ab. »Mama ging es nie um Geld. Sie hat die Scheidung nicht
     verkraftet, bekam wie aus dem Nichts Magenkrebs, eine sehr aggressive
     Form, und starb innerhalb weniger Jahre.«
    »Wie alt warst du da?«
    »Ich war gerade
     schulpflichtig geworden. Mein wiederverheirateter Vater nahm mich zwar zu
     sich nach Mannersdorf, aber ich konnte ihm von Anfang an nie was recht
     machen. Weder war er mit meinen schulischen Leistungen zufrieden noch mit
     meinem Benehmen im Allgemeinen. Ich wiederum konnte ihm den Tod meiner
     Mutter nicht verzeihen, und meine neue Stiefmutter tat ein Übriges,
     um ja ihre Bälger in Position zu bringen und mich ins Abseits zu drängen.«
    »Was ihr schließlich
     auch gelang?«, vermutete Kotek.
    Wegener nickte versonnen.
     »Als ich mit fünfzehn sogar die Schule schmiss, war es so weit.
     Mein Vater setzte mich entnervt vor die Tür und gab mich zu meiner
     alleinstehenden resoluten Großmutter mütterlicherseits nach
     Salzburg in Kost und Logis. Die Fini-Oma schaffte es immerhin, dass ich
     die Gendarmerieschule auf Burg Hohenwerfen besuchte, und brachte mich
     danach im Staatsdienst unter. Nach ein paar Jahren im Außendienst
     bin ich dann zur Spusi gegangen, aber das weißt du ja. Die Arbeit
     als kriminaltechnischer Ermittler hat mir immer schon sehr gut gefallen,
     aber der Verdienst … Tja, der war als Äquivalent zu meiner
     pathologischen Spielsucht nur ein Tropfen auf einem allzu heißen
     Stein.«
    »Ah, das also ist des
     Pudels Kern«, bemühte Kotek ihr Lieblingszitat, »du bist
     ein Spieler.«
    »Ja«, bestätigte
     Wegener völlig emotionslos. »Als ich Mitte zwanzig war,
     versuchte Von Hofstetten-Wilfersdorf zum ersten Mal, mich für erbunwürdig
     erklären zu lassen, was aber nicht so einfach ist.«
    »Klar, du hattest
     damals schon einen Beruf, einen Wohnsitz und konntest seit einigen Jahren
     über die Hinterlassenschaft der Mutter verfügen.«
    »Und ich war trotz
     meiner Zockerei nie straffällig geworden«, ergänzte
     Wegener. »Außerdem stellte Jacobi gerade in meinen ersten
     Jahren beim Referat für mich eine Art Vaterfigur dar. Ohne dass er
     selbst es geahnt hat, hat er mich zwischendurch immer wieder stabilisiert.«
    »Aber leider nicht
     ausreichend, wie man sieht«, merkte Kotek trocken an.
    »Von
     Hofstetten-Wilfersdorf hat es acht Jahre später noch einmal versucht,
     und diesmal mit Erfolg«, mischte sich da Häuslschmied ein.
    Wegener zeigte sich nicht im
     Geringsten überrascht, während Kotek über die Äußerung
     ihrer Schutzbefohlenen umso verblüffter war. Ihr fragender Blick nötigte
     Wegener zu einer Erklärung: »Amanda war eine Jugendfreundin
     meiner Großmutter, sie gingen beide in Salzburg ins
     Ursulinen-Gymnasium. Nicht wahr, Amanda? Fini und Mandi, die beiden
     Unzertrennlichen, so nannte man euch doch.«
    »Mein Gott, das hat
     vielleicht irgendeine Lehrerin in grauer Vorzeit mal so gesagt«,
     sagte die Angesprochene, sichtlich bemüht, ihre Beziehung zur Großmutter
     des Verbrechers herunterzuspielen. »Tatsache ist, dass wir uns schon
     unmittelbar nach dem Gymnasium aus den Augen verloren hatten.«
    »Das kann nicht ganz
     stimmen,

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