Dohlenflug
fort: »Aber ja, eins stimmt. Mein
heute so prinzipientreuer Vater ist Arthur Graf von Hofstetten-Wilfersdorf
aus einer Seitenlinie derer von Lockenhaus-Pannoneia. Seit zwei
Jahrzehnten managt er vom Stammschloss Mannersdorf aus die
Hofstetten-Wilfersdorf’schen Besitzungen von Köszeg bis
hinunter nach Pornoapati. Außerdem ist er mit Crossover-Unternehmen
aus Agrarindustrie, Weinbau, Touristikbetrieben und Solartechnologie in Südburgenland
und Westungarn erfolgreich.«
»Deiner ambivalenten
Diktion entnehme ich, dass zwischen dir und deinem Vater nicht das beste
Einvernehmen herrscht«, klopfte Kotek auf den Busch.
Wegener bleckte die Zähne.
»Als Student der Agrarwissenschaften hat er meine Mutter geschwängert
und sie sogar geheiratet – gegen den Willen seiner gesamten
Verwandtschaft. Mama musste allerdings einen Ehevertrag unterschreiben,
und als schließlich die erste Brunst verflogen war, wollte er nichts
mehr von ihr wissen.«
»Scheidung und
Abfindung?«, vermutete Melanie Kotek.
»Ja, Mama bekam die
zwei Villen am Wörthersee, die Mietskasernen in Graz-Liebenau und die
in Salzburg-Wals, in der ich noch immer wohne.«
»Immerhin eine nicht
gerade mickrige Abfindung, oder hat deine Mutter das anders gesehen?«
Wegener winkte verächtlich
ab. »Mama ging es nie um Geld. Sie hat die Scheidung nicht
verkraftet, bekam wie aus dem Nichts Magenkrebs, eine sehr aggressive
Form, und starb innerhalb weniger Jahre.«
»Wie alt warst du da?«
»Ich war gerade
schulpflichtig geworden. Mein wiederverheirateter Vater nahm mich zwar zu
sich nach Mannersdorf, aber ich konnte ihm von Anfang an nie was recht
machen. Weder war er mit meinen schulischen Leistungen zufrieden noch mit
meinem Benehmen im Allgemeinen. Ich wiederum konnte ihm den Tod meiner
Mutter nicht verzeihen, und meine neue Stiefmutter tat ein Übriges,
um ja ihre Bälger in Position zu bringen und mich ins Abseits zu drängen.«
»Was ihr schließlich
auch gelang?«, vermutete Kotek.
Wegener nickte versonnen.
»Als ich mit fünfzehn sogar die Schule schmiss, war es so weit.
Mein Vater setzte mich entnervt vor die Tür und gab mich zu meiner
alleinstehenden resoluten Großmutter mütterlicherseits nach
Salzburg in Kost und Logis. Die Fini-Oma schaffte es immerhin, dass ich
die Gendarmerieschule auf Burg Hohenwerfen besuchte, und brachte mich
danach im Staatsdienst unter. Nach ein paar Jahren im Außendienst
bin ich dann zur Spusi gegangen, aber das weißt du ja. Die Arbeit
als kriminaltechnischer Ermittler hat mir immer schon sehr gut gefallen,
aber der Verdienst … Tja, der war als Äquivalent zu meiner
pathologischen Spielsucht nur ein Tropfen auf einem allzu heißen
Stein.«
»Ah, das also ist des
Pudels Kern«, bemühte Kotek ihr Lieblingszitat, »du bist
ein Spieler.«
»Ja«, bestätigte
Wegener völlig emotionslos. »Als ich Mitte zwanzig war,
versuchte Von Hofstetten-Wilfersdorf zum ersten Mal, mich für erbunwürdig
erklären zu lassen, was aber nicht so einfach ist.«
»Klar, du hattest
damals schon einen Beruf, einen Wohnsitz und konntest seit einigen Jahren
über die Hinterlassenschaft der Mutter verfügen.«
»Und ich war trotz
meiner Zockerei nie straffällig geworden«, ergänzte
Wegener. »Außerdem stellte Jacobi gerade in meinen ersten
Jahren beim Referat für mich eine Art Vaterfigur dar. Ohne dass er
selbst es geahnt hat, hat er mich zwischendurch immer wieder stabilisiert.«
»Aber leider nicht
ausreichend, wie man sieht«, merkte Kotek trocken an.
»Von
Hofstetten-Wilfersdorf hat es acht Jahre später noch einmal versucht,
und diesmal mit Erfolg«, mischte sich da Häuslschmied ein.
Wegener zeigte sich nicht im
Geringsten überrascht, während Kotek über die Äußerung
ihrer Schutzbefohlenen umso verblüffter war. Ihr fragender Blick nötigte
Wegener zu einer Erklärung: »Amanda war eine Jugendfreundin
meiner Großmutter, sie gingen beide in Salzburg ins
Ursulinen-Gymnasium. Nicht wahr, Amanda? Fini und Mandi, die beiden
Unzertrennlichen, so nannte man euch doch.«
»Mein Gott, das hat
vielleicht irgendeine Lehrerin in grauer Vorzeit mal so gesagt«,
sagte die Angesprochene, sichtlich bemüht, ihre Beziehung zur Großmutter
des Verbrechers herunterzuspielen. »Tatsache ist, dass wir uns schon
unmittelbar nach dem Gymnasium aus den Augen verloren hatten.«
»Das kann nicht ganz
stimmen,
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