Dohlenflug
etwas so Naheliegendes natürlich
nicht, weil wir einen Stollen nicht auf dem Schirm haben.«
»Komm mal wieder
runter, Oskar«, besänftigte ihn Kotek, die wusste, dass er sich
für die Tragödie im Bergwerk mitverantwortlich fühlte.
»Wir alle haben gepatzt und eine teils stümperhafte Arbeit
abgeliefert.«
»Du sagst es. Ursprünglich
wolltest du ja Lenz und Leo zu einem Essen beim ›Döllerer‹
einladen. Jetzt besteht allerdings Lenz darauf, uns alle zum ›Posauner‹
einzuladen. Was meinst du, warum wohl?«
»Vielleicht, weil er
als Pinzgauer aus Embach nicht an Kolm-Saigurn gedacht hat?«
Oskar nickte lächelnd.
»Allerdings. Ihm geht es ähnlich wie mir. Und ich sage es dir
ganz ehrlich: Ich bin froh, Wegener nicht mehr lebend erwischt zu haben.
Ich darf gar nicht daran denken, was ich dann mit ihm angestellt hätte.
Weißt du überhaupt, wie er auf die Idee verfallen ist, Amanda Häuslschmied
das Goldversteck abzupressen?«
»Seine Oma hat ihn auf
das Häuslschmied-Gold aufmerksam gemacht?«
»Das ist nur die halbe
Wahrheit. Vor einigen Wochen war er wieder einmal in Gastein, um seinen
Jugendfreund Schleißheimer zu einer weiteren Stundung der
Kreditzinszahlung zu überreden. Aber der wollte nicht nur die Zinsen
nicht mehr stunden, sondern verlangte auch die Rückzahlung der fälligen
Kreditrate. Nach diesem Bescheid ist Werner mit einem anderen frustrierten
Bittsteller auf ein Bier gegangen.«
»Mit Marageter?«,
riet Kotek.
»Allerdings. Und der
hat dann, wie wir von ihm selbst wissen, die entscheidende Bemerkung
fallen lassen. Er gibt an, wortwörtlich gesagt zu haben: ›Wenn
man nur das Häuslschmied-Gold hätte, dann wäre man alle
Sorgen los.‹ Vermutlich wird er sich jetzt die Haare raufen, denn
er selbst hat die Prahlereien, die der Herr Scharführer bei seinen
Exzessen am Laderdinger Alpl dann und wann vom Stapel ließ, immer für
heiße Luft gehalten.«
»Werner hingegen war spätestens
jetzt davon überzeugt, dass ihm seine Großmutter keinen Holler
erzählt hatte«, vermutete Kotek.
Jacobi nickte. »Von
diesem Tag an ging er planmäßig vor. Er machte sich an
Hohenauer heran, der Marageter eben den Weisel gegeben hatte, und fragte
sie über ihre Großtante aus. Und wäre ihm nicht die
Revision der Linzer Sparkasse dazwischengekommen, hätte er den Coup
tatsächlich durchziehen können – gegebenenfalls mit zwei
Bauernopfern: Tina und Amanda.«
»Aber der Druck, den
ihm Schleißheimer zusehends gemacht hat, trieb ihn vorwärts,
ließ vieles aus dem Ruder laufen, und eine zunächst
kontrollierte Partie verwandelte sich in hektisches, blutiges Blitzschach.«
»Dass Wegener den
Schleißheimer ermordet hat, lässt sich vielleicht noch mit dem
Zeitaufschub erklären, den er sich davon erhoffte. Aber die Morde an
der Bachblüten-Lotte, an Regenmandl und vor allem an der unglücklichen
Tina waren keine Präventivmorde mehr, sie erinnern eher an das
Um-sich-Schlagen eines Kindes, das keine Rücksicht auf irgendjemanden
oder irgendetwas nimmt, um an ein Spielzeug zu kommen.«
»Ich wäre die Nächste
gewesen, die er eliminiert hätte«, sagte Kotek zum wiederholten
Mal. »Und obwohl Amanda Häuslschmied das verhindert hat, willst
du jetzt trotzdem wegen Gattenmords gegen sie ermitteln?«
Der Querschuss erwischte den
Oberst auf dem falschen Fuß. Koteks Vorwurf bezog sich auf den
Brief, den die Alpingendarmerie in Regenmandls Wagen sichergestellt hatte.
In dem Schreiben forderte Hans Häuslschmied seine Muse Lotte auf, aus
den USA zu ihm nach Gastein zurückzukehren.
»Melanie, der Brief an
Lotte Heinrich …«, stotterte der sonst so coole Jacobi. Seine
Märtyrermiene hätte einen Tintoretto sicher zu einem Meisterwerk
inspiriert, dann aber sammelte er sich und fuhr energisch fort: »Also,
der Brief bringt eindeutig neue Verdachtsmomente ins Spiel, die kann ich
nicht so einfach übergehen.«
Er zog ein zerknittertes
Kuvert aus einer Innentasche seiner grauen Lederjacke und entnahm ihm
einen gefalteten Bogen Papier. »Das hier ist natürlich eine
Kopie, das Original wird noch erkennungsdienstlich behandelt. Die
entscheidenden Stellen stehen im Mittelteil. Hans Häuslschmied
schreibt da: ›Du weißt, dass ich dich und unsre Tochter reich
machen kann. Ich habe auch vor, Julie zu meiner Universalerbin zu machen.
Komm zu mir zurück, und ich werde für Amanda
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