Dohlenflug
hierbleiben. Ich finde für sie jederzeit Ersatz.«
»Das hast du schon oft
gesagt und bist doch nie von ihr losgekommen.«
Das Knarzen von Leder war zu
hören. Vermutlich hatte sich Regenmandl in seinem Chefsessel zurückgelehnt.
»Na ja, sie hat schon
ihre Qualitäten. Ist nicht umsonst die beste Klarinettistin im
heimischen Orchester. Aber lassen wir das. Sag mir lieber, warum es dir
solche Gewissensbisse bereitet, einigen alten Geldsäcken ein paar
Obligationen anzudrehen. Als es um die Einlagen der Zeller Senioren ging,
warst du auch nicht so zimperlich.«
»Muss ich dir,
ausgerechnet dir, erzählen, dass es sich bei Wertpapierkäufern
um eine andere Klientel handelt als irgendwelche schlichte Omas, die ihre
Sparbücher jahrelang nicht anrühren?«
»Was soll das heißen:
ausgerechnet dir?«
»Das, mein Lieber, erfährst
du schon noch, wenn es mir notwendig erscheint.«
Regenmandl lachte kurz und
ärgerlich auf. »Willst du dich wichtigmachen? Du bluffst doch
nur! Sei froh, dass du überhaupt noch hier bist. Wenn mich Salli
nicht ständig darum –«
»Lass Salli aus dem
Spiel. Soll ich dir vielleicht auch noch dankbar dafür sein, dass du
sie vögelst und deine Sadomaso-Spielchen mit ihr treibst? Ich hab
dich schon lange durchschaut, John Silver. Du umgibst dich ausschließlich
mit Befehlsempfängern, die entweder einfach gestrickt sind oder
selbst Dreck am Stecken haben. Angestellte, die ernsthaft seriös sein
könnten, lässt du von der Zentrale lieber wegrationalisieren.
Und warum? Damit du ungestört und unbehelligt deine Coups durchziehen
kannst.«
»Meine Coups? Wie
melodramatisch! Und die wären?«
»Soll ich dir jetzt im
Einzelnen auflisten, wie du dein Landhaus hier, das Weingut im Südburgenland
und deine Protz- und Prunkvilla auf Istrien erbaut beziehungsweise
erworben hast? Wie du zum Beispiel der Sanitär- und Fliesenfirma
Eulenspiegel und einigen anderen Betrieben erst lange Zähne gemacht,
ihnen dann aber bei Kreditvergaben und -verlängerungen das Weiße
aus den Augen abgepresst hast? Reicht das, oder soll ich dir –
abgesehen von den illegalen Spekulationen und dem Insider-Trading deiner
Geschäftsfreunde – noch andere Finanzierungsvarianten aufzählen?«
»Du warst also an
meinem PC. Woher weißt du das Passwort?«
»Mein Gott, das war
doch keine Kunst. Wer ein derartiges Faible für Bläserkonzerte
hat wie du, der ist leicht zu durchschauen. Außerdem hast du das
Wort gerade vorhin selbst in den Mund genommen.«
»Nämlich?«
»Klarinette.«
Schweigen.
»Jetzt bist du schmähstad,
was?«, sagte Schleißheimer, den Überlegenen markierend,
aber seine Stimme zitterte vor Angst. »Übrigens hätte ich
den Zugang zu deinem PC gar nicht gebraucht, um dich an den Eiern zu
packen«, fuhr er fort. »Als Moosrieder – du weißt
schon, der Ski-Fabrikant – in den Konkurs getrieben wurde, warst du
Filialleiter unsrer Zweigstelle in Altenmarkt. Zusammen mit einigen
anderen Wadlbeißern hast du dich damals an die BAUBANK angehängt,
als die ganz plötzlich ihre Kredite fällig stellte. Damit habt
ihr Moosrieder den Gnadenstoß versetzt. Eine tolle Performance, wo
doch deine Mutter vor ihrer Heirat jahrelang in seiner Firma gearbeitet
und dabei gutes Geld verdient hat.«
»Woher hast du das
alles?«
Keine Antwort.
»Das kannst du nicht
hier in diesem Büro gelesen haben. Du musst in meinem Haus, an meinem
Tresor gewesen sein. Das ist Einbruch! So viel Mut hätte ich einem
Kinderschänder wie dir gar nicht zugetraut.«
»Du schimpfst mich
nicht Kinderschänder! Du nicht!«
»Es hat wohl keinen
Sinn, dich zu fragen, wie du das geschafft hast?«
»Du sagst es. Das
bleibt mein kleines Geheimnis. Wenn du mich also zu sehr triezt, kannst du
dir Linz abschminken.«
»Mach dich nicht lächerlich.
Glaubst du wirklich, du könntest mit diesen Gschichterln
irgendjemanden in der Linzer Zentrale beeindrucken? Die haben doch selbst
genug Dreck am Stecken. Wenn du plauderst, bleib ich halt hier in der
Provinz, aber du bist dein Haus, deine Arbeit und deine Familie los. Dafür
werde ich sorgen, oder meinst du, ich kenne deine kleinen Geheimnisse
nicht?«
Einige Sekunden ohne jedes
Geräusch tropften dahin.
Dann Schleißheimer:
»Es wäre abzuwarten, ob du im Fall des Falles wirklich so
ungeschoren davonkämst. Du weißt, ich habe noch einen ganz
Weitere Kostenlose Bücher