Dohlenflug
schlechthin, in Alfred
Schleißheimer eine existenzbedrohende Gefahr gesehen hätte. Hätten
Sie sich dann wirklich rausgehalten? Ich frage Sie also noch einmal nach
Ihrem Alibi: Wo waren Sie vorgestern zwischen vierzehn und achtzehn Uhr?«
»Das habe ich doch
schon gesagt: Chrissie und ich sind um halb vier Uhr nachmittags zu meiner
Mutter in die Indianer-Siedlung gefahren.«
»Indianer-Siedlung?«
Auf Koteks glatter Stirn bildete sich eine steile Falte.
»Die Zeugin meint die Bürgerberg-Siedlung
in der Nähe vom Hofgasteiner Bahnhof«, erklärte Höllteufel.
»Die Einfamilienhäuser ähneln vom Stil her Blockhäusern,
und obwohl den Architekten seinerzeit ein renommierter Preis für das
Konzept verliehen wurde, haben manche konventionell hausende Gasteiner der
Siedlung die Bezeichnung gegeben.«
»Aha. Und weiter?«
Die Aufforderung war an die Zeugin gerichtet.
»Abends«, fuhr
Salma Schleißheimer fort, »sind wir so um halb acht wieder
nach Hause gefahren und haben uns gewundert, dass Fredl immer noch nicht
da war und auch nicht angerufen hatte.«
»Ihre Mutter wird
zurzeit dazu befragt – eventuell auch später Ihre Tochter, wenn
ihre Vernehmungsfähigkeit von zwei Ärzten festgestellt worden
ist.«
Die Schleißheimer
sprang auf wie von der sprichwörtlichen Tarantel gestochen.
»Das ist eine ganz
linke Tour! Hab ich mir doch gleich gedacht, dass da irgendwas getrickst
wird, weil mich keiner nach Chrissie gefragt hat. Sie dürfen meine
Tochter gar nicht verhören, wenn ich nicht dabei bin.«
»Setz dich wieder hin,
Salli«, schnauzte Höllteufel sie an, »die Vernehmung ist
noch nicht zu Ende.«
Wohl oder übel nahm
Salma Schleißheimer wieder Platz. Kotek sah zum Fenster hinaus. Sie
vermied es, sofort weiterzumachen. Der Zeugin sollte klar werden, welche
Folgen ihre überzogene Reaktion hatte.
Die Sekunden krochen dahin.
Als Kotek in Gedanken bis dreißig gezählt hatte, setzte sie
wieder an: »Nach diesem Ausrutscher, den Sie sich eben geleistet
haben, sollte Ihnen eines bewusst sein: Unsere Ermittlungen werden sich
nun verstärkt auf Sie und Ihre Tochter konzentrieren. Und zwar so
lange, bis wir auch noch die letzte Info aus Ihnen herausgequetscht haben.
Und glauben Sie mir, das werden Sie nicht durchhalten. Mein Kollege
Feuersang, den Sie gestern schon kennengelernt haben, ist auf so was
spezialisiert. Er vernimmt in diesem Augenblick Ihre Mutter, Frau Margit
Thame, und die hat ganz gewiss keinen Anspruch auf Jugendschutz. Also,
Frau Schleißheimer, wo waren Sie vorgestern zwischen vierzehn und
achtzehn Uhr?«
»Ich war zunächst
zu Hause und bin dann um fünfzehn Uhr dreißig mit meiner
Tochter zu meiner Mutter hinaus in die Bürgerberg-Siedlung gefahren«,
beharrte die Gefragte auf dem Status quo.
Kotek nickte langsam und rief
über die Kurzwahl Feuersang an. »Leo, wie steht’s?«
Seine Antwort erfolgte
postwendend: »Frau Thame war den ganzen Samstagnachmittag allein zu
Hause. Um neunzehn Uhr kam ihre Enkelin zu ihr, die zuvor angeblich mit
ihrer Freundin Julie Heinrich unterwegs war. Salli Schleißheimer hat
ihre Mutter am Samstag gar nicht besucht. Ich musste übrigens nicht
lange tricksen, um das zu erfahren. Frau Thame ist eine sehr vernünftige
und seriöse Dame. Ihr klarzumachen, man würde als Zeuge mit der
Wahrheit immer am besten fahren, war gar nicht nötig. Sie sitzt jetzt
neben mir im Wohnzimmer der Schleißheimers, und wir trinken zusammen
Cappuccino.«
»Danke, Leo. Und wie
steht’s mit der Tochter?«
»Da ist nichts zu
machen. Frau Thame hat gesagt, ihre Enkelin sei am Sonntagnachmittag beim
Erntedankfest gewesen. Etwa gegen fünfzehn Uhr, also überraschend
früh, sei sie zurückgekommen und habe etwas von einem Anruf
gestottert, den sie auf dem Erntedankfest erhalten habe. Seither hat sie
kein Wort mehr gesprochen. Dr. Wächter hat gleich nach der ersten
Kontaktaufnahme festgestellt, dass Chrissie schwer traumatisiert ist. Eine
Vernehmung kann, wenn überhaupt, nur im Rahmen von therapeutischen
Gesprächen durchgeführt werden. Ob die im Beisein der Mutter
erfolgen werden, muss im Vorfeld noch zeitaufwendig abgeklärt werden.«
»Nochmals danke, Leo.
Dann werden wir uns also vorläufig auf Frau Schleißheimer
beschränken. Kommst du zu mir auf den Posten? Dann besuchen wir
Regenmandl in der Sparkasse gemeinsam. Für Cornelia dürfte der
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