Dohlenflug
Aufgabe. Sind wir
jetzt endlich fertig?«
»Vorläufig können
Sie gehen, Frau Schleißheimer. Aber miteinander fertig sind wir noch
lang nicht. Und erschrecken Sie nicht, wenn Sie nach Hause kommen. Die
Spurensicherung sieht sich noch immer bei Ihnen um, wird aber alles wieder
an seinen Platz zurückstellen. Es geht schon nichts kaputt, Ihre
Mutter ist eine strenge Gouvernante.«
8
FEUERSANG HATTE das Schleißheimer
Domizil verlassen, war schnurstracks zum Haus gegenüber gegangen und
läutete nun an. Von Frau Thame wusste er, dass Donatella Hojasch zu
Hause war. Das Heim der geschiedenen Buchhalterin war fraglos eines der
schönsten Anwesen in der Dorngasse, schien aber die Besitzerin nicht
über ihr Alleinsein hinwegzutrösten, wie Frau Thame dem
Ermittler lang und breit erläutert hatte.
Da einsame Menschen ihrer
Umgebung mitunter erhöhte Aufmerksamkeit widmen, rechnete Feuersang
durchaus mit Beobachtungen, die Frau Hojasch am Samstagnachmittag gemacht
haben könnte.
Er wurde nicht enttäuscht.
Die sehr gepflegte Fünfzigerin lud ihn umgehend zum Kaffee ein, was
er dankend ablehnte, hatte er doch bereits mit Frau Thame drei Cappuccini
getrunken. Frau Hojasch bat ihn in ihren noblen Salon und bestätigte
ihm dort prompt, was er wissen wollte. Ja, Frau Schleißheimer sei am
Samstag um vierzehn Uhr fünfundvierzig mit ihrem VW-Floh weggefahren.
Sie, Donatella Hojasch, habe dabei rein zufällig auf die Uhr gesehen.
Statt sich zu bedanken und zu
verabschieden, beging Feuersang nun den Fehler zu fragen, was Frau Hojasch
sonst noch über die Familie Schleißheimer wüsste. Dem
Schwall an Beredsamkeit, dem er daraufhin ausgesetzt wurde, konnte er sich
erst nach mehreren vergeblichen Anläufen entziehen. Als Frau Hojasch
ihre Suada wieder einmal kurz unterbrach, um Atem zu holen, stand er
geistesgegenwärtig auf und verließ fluchtartig das Haus.
Immerhin hatte er erfahren,
dass der Ermordete ein unterdrückter Pantoffelheld gewesen war, dass
Salli nie weniger als drei Liebhaber gleichzeitig an der Hand hatte und
sich viel zu wenig um die arme Chrissie kümmerte, weshalb diese wohl
eher die Oma als ihre Familie betrachtete, und dass Salli zudem noch eine
miserable Hausfrau und Nachbarin war. Sie ließ ihr durchaus
ansehnliches Heim verwahrlosen, und anstatt ihren Wagen in die Garage zu
stellen, parkte sie ihn regelmäßig draußen auf der
Zufahrtsstraße, wo die Rostlaube nichts zu suchen hatte. Dass die
Schleißheimers im Winter weder vor dem Haus noch auf dem Gehsteig
Schnee schaufelten, war ohnehin ein jedes Jahr wiederkehrendes Ärgernis.
9
DIE FILIALE der Linzer
Sparkasse befand sich im Zentrum von Bad Hofgastein, nur einen
Katzensprung vom Gendarmerieposten entfernt. Kotek ging die wenigen
hundert Meter zu Fuß, obwohl sich der zuvor noch heitere Himmel
mittlerweile lückenlos bezogen hatte.
Sie hätte sich den Weg
sparen können. Jean Pierre Regenmandl war weder in der Bank
anzutreffen, noch ging er an sein Handy oder an den Hausanschluss seiner
Villa. Dort meldete sich stattdessen die Haushälterin, eine gewisse
Vesna Simcits, und teilte Kotek lapidar mit, der Herr Direktor sei für
den Rest des Tages nicht zu erreichen. Die Stimme der Frau klang belegt
und brüchig, als hätte sie Sekunden zuvor noch mit starken
Emotionen zu kämpfen gehabt.
Feuersang wartete vor dem
Posten auf seine Kollegin. Sie stieg zu ihm in den Wagen und erzählte
ihm von ihrem vergeblichen Versuch, Regenmandl zu erreichen. Er fuhr
sofort los, ohne dass sie sich auf ein Ziel verständigt hatten. Für
ihn war klar, dass Kotek sich einen solchen Affront nicht gefallen lassen
würde – weder vom Filialleiter einer Provinzsparkasse noch von
irgendjemandem sonst. Regenmandl hatte am Vortag von seiner Geliebten
erfahren, dass er vernommen werden sollte, und war zudem an diesem Morgen
offiziell von Höllteufel über die anstehende Befragung
informiert worden. Jetzt aber ließ er sich verleugnen und zählte
daher nicht nur wegen Schleißheimers Tonbandmitschnitts zu den Verdächtigen.
Auch ohne Durchsuchungsbeschluss hätte Kotek unter diesen Umständen
sein Haus auf den Kopf stellen lassen.
Das Anwesen befand sich in
der Ortschaft Breitenberg im Nordwesten des Markts Bad Hofgastein und war
vom Zentrum aus in wenigen Minuten zu erreichen. Es unterschied sich nicht
so sehr durch seine Größe von
Weitere Kostenlose Bücher