Dohlenflug
den benachbarten Häusern und
Gehöften, sondern eher durch das massive Satteldach, die exklusiven
Materialien, die bei der Errichtung verarbeitet worden waren, und natürlich
durch seine traumhafte Lage. Im Vergleich dazu wirkte das gediegene
Zuhause der Schleißheimers wie ein Eisenbahnerhäuschen.
Feuersang parkte den Audi in
der breiten Auffahrt vor der Garage. Eines der automatischen Tore stand
offen. Der Doppelstellplatz enthielt allerdings nur einen roten Golf 2,0
TDI. Der zweite Platz für den Range Rover des Hausherrn war leer.
Kotek betätigte die Klingel am Haustor, Feuersang nutzte die
Wartezeit für einen neidvollen Blick auf das phänomenale
Panorama.
Abgesehen von einigen
exponierten Bergbauernhöfen boten nicht viele Standorte im Gasteiner
Tal diese Aussicht. Die erhöhte Position am Fuß des
Guggensteins gestattete einen kilometerweiten Blick über den
Schuttkegel Bad Hofgasteins hinweg nach Hundsdorf, Lafén,
Gadaunern, Bad Bruck und schließlich bis nach Bad Gastein, dem
Kurort von Kaisern und Königen an den Hängen des Graukogels und
des Stubnerkogels mit der unverwechselbaren Skyline aus der Belle Époque.
Die Gstopftn haben sich schon
immer die besten Plätze ausgesucht, schoss es Feuersang durch den
Kopf. Früher der Adel und der Klerus, später das Großbürgertum
und heute die Banker und Finanzjongleure.
Eine etwa vierzigjährige
schlanke Frau in verwaschenen Jeans öffnete ihnen. Ihr sympathisches
Gesicht war frisch geschminkt, nur das kurz geschnittene brünette
Haar sah aus, als hätte sie es gerade erst selbst zerzaust –
oder jemand anderer.
»Frau Simcits?«,
fragte Kotek. Die Angesprochene nickte. Kotek drückte ihr die
richterliche Anordnung in die Hand.
»Oberleutnant Kotek,
Landesgendarmeriekommando Salzburg, Kriminalabteilung für Verbrechen
gegen Leib und Leben«, sagte sie ihr Sprüchlein auf. »In
einigen Minuten wird ein Team unsrer Spurensicherung hier eintreffen. Bis
dahin können wir uns ein wenig unterhalten.«
»Ich … ich
glaube nicht, dass Sie das dürfen.« Vesna Simcits hatte einen
kaum hörbaren südslawischen Akzent und eine leichte
Cognac-Fahne. »Ich meine, hier so einfach hereinschneien, wenn der
Herr Direktor nicht da ist, das ist doch gegen das Gesetz.«
»Nein, das ist ganz
legal, und wir dürfen das – auch wenn der Herr Direktor nicht
da ist«, sagte Kotek und registrierte im Nachhinein, wie aufgesetzt
der Widerstand der Haushälterin wirkte. »Herr Regenmandl hätte
genügend Zeit und Gelegenheit gehabt, sich mit uns ins Einvernehmen
zu setzen, was er aber nicht getan hat, wofür er schon seine Gründe
haben wird. Wir wissen, was wir jetzt zu tun haben. Ich nehme an, Sie können
eine richterliche Anordnung lesen?«
Sie nahm Simcits das Papier
aus der Hand und hielt es ihr unter die Nase, indem sie auf eine bestimmte
Zeile deutete. »Da steht’s schwarz auf weiß: Die
Liegenschaft darf auch in Abwesenheit des Eigners in Augenschein genommen
und untersucht werden. Aber gut: Es muss nicht gleich mit der Brechstange
sein«, gab sie sich plötzlich verbindlich. »Sie können
auch noch einmal probieren, Herrn Regenmandl übers Handy anzurufen.«
Simcits schüttelte den
Kopf. »Er hat es ausgeschaltet und mir gesagt, es sei sinnlos, ihn
erreichen zu wollen. Er sei in einer wichtigen Besprechung und würde
sich im Laufe des Tages wieder melden.«
»Und? Können Sie
uns dann wenigstens ein paar Auskünfte geben?«
Simcits nickte. »Kommen
Sie, bitte.«
Sie gingen durch eine mit Gemälden
und Nippes überladene Diele in ein Wohnzimmer, das keine Wünsche
offen ließ. Dicke anatolische Teppiche verschluckten ihre Schritte.
Aus unsichtbaren Lautsprechern ertönte gedämpft Popmusik mit
orientalischem Einschlag. Simcits deutete flüchtig auf eine
Sitzgarnitur, die aus einer schweren tabakbraunen Ledercouch und zwei
ebensolchen Fauteuils bestand.
»Bitte, nehmen Sie
Platz.«
»Danke.« Kotek
und Feuersang setzten sich in die wuchtigen Polstersessel.
Feuersang legte den kleinen
Rekorder auf den Teetisch und schaltete ihn ein. »Bad Hofgastein,
achtundzwanzigster September, Vernehmung von Frau Vesna Simcits, Haushälterin
bei Herrn Jean Pierre Regenmandl, Breitenberg dreißig, zum Mordfall
Alfred Schleißheimer. Die Vernehmung führen Oberleutnant
Melanie Kotek und Chefinspektor Leo Feuersang.«
»Frau Simcits«,
begann
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