Dohlenflug
aufgelehnt und wäre deshalb von den beiden ermordet
worden?«
Simcits zog die Schultern
hoch. »Noch vor zwei Tagen hätte ich darüber so wie Sie
ungläubig den Kopf geschüttelt. Aber Fredl dürfte da
wirklich auf einen dicken Hund gestoßen sein. Nach der Szene, die
Johnny mir gestern gemacht hat, muss ich das jedenfalls annehmen. Schon in
den Wochen zuvor war er zeitweise ungenießbar. Er vermutete etwas,
wie Sie richtig bemerkt haben. Gestern habe ich ihn dann überhaupt
nicht mehr wiedererkannt. Er hat mich niedergebrüllt –«
»Und geschlagen?«,
warf Kotek ahnungsvoll ein.
»Ja, er hat mir auch
ein paar reingehauen, aber das freilich nicht zum ersten Mal. Er braucht
das – auch beim Sex –, um auf Touren zu kommen. Neu war
allerdings die definitive Kündigung zum ersten Oktober. Gefeuert hat
er mich ebenfalls schon oft, aber jetzt hat er es das erste Mal ernst
gemeint. Todernst.«
»Warum betonen Sie das
so?«, fragte Kotek.
Wieder zuckte Simcits mit den
Schultern. »Weiß nicht. Vielleicht will ich damit nur
unterstreichen, dass ein Lebensabschnitt für mich und ihn zu Ende
geht.«
»Was Sie Fredl Schleißheimer
gestattet haben, war ein absoluter Vertrauensbruch Ihrem Arbeitgeber gegenüber«,
merkte Feuersang an. »Auch wenn ich kein erklärter
Kapitalistenfreund bin, ist das ein hundertprozentiger Kündigungsgrund.«
»Was heißt schon
Arbeitgeber?« Simcits blies die Atemluft geräuschvoll durch die
Nase. »Er war der Patron und ich die Sklavin. Was Johnny sich im
Lauf der Jahre mir gegenüber immer wieder geleistet hat, war das etwa
kein permanenter Vertrauensbruch? Ich habe ihm die schönsten Jahre
meines Lebens geschenkt, meine Jugend, und er gibt mir jetzt den finalen
Tritt in den Hintern. Toll, nicht wahr? Nein, ich bereue nicht, dass ich
Fredl helfen wollte – auch wenn’s nichts genützt hat.
Übrigens habe ich noch zwei Aussagen zu machen.«
Hätte Kotek bisher noch
Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit gehabt, waren diese jetzt
verschwunden: Vesna Simcits schien unter das Kapitel »John Silver«
wirklich und endgültig einen Schlussstrich ziehen zu wollen.
»Ja, bitte, Frau
Simcits?«
»Johnny – also,
Herr Regenmandl – war am Samstagnachmittag nicht hier, wie ich bei
der Gendarmerie aussagen sollte. Auch telefonisch war er nicht erreichbar.
Als ich den Bürgermeister auf der Bauernherbst-Eröffnungskonferenz
anrief und Johnny sprechen wollte, sagte er mir, er sei gar nicht mehr da.«
»Das erzählt Ihnen
der Bürgermeister so einfach am Telefon?«, fragte Feuersang
ungläubig. »Ihnen, der Haushälterin?«
Simcits musterte ihn
geringschätzig und entblößte tadellose weiße Zähne
unter einer verächtlich hochgezogenen Oberlippe.
»Stellen Sie sich vor,
Ferdl Zederhauser, unser Bürgermeister, gibt sogar einer Haushälterin
Auskunft, wenn die ihn etwas fragt. Bei Ihnen in der Stadt ist das wohl
eher unüblich, was?«
Ehe Feuersang noch eine süffisante
Antwort geben konnte, sagte Kotek: »Sie wollten noch eine zweite
Aussage machen. Bitte.«
Einen Augenblick lang schien
es, als würde Simcits es sich doch noch anders überlegen. Dann
aber gab sie sich einen Ruck. »Gestern rief ihn, wie schon erwähnt,
Salli an und erzählte ihm von Fredls Rekorderaufnahmen. Er tobte zunächst
wie ein Irrer, beschimpfte mich aufs Ordinärste und kündigte mir
zum Ersten. Dann hatte er es plötzlich wahnsinnig eilig, an den
Tresor zu gehen und anschließend mit PC, Laptop und Aktentasche in
seinem englischen Anbrater-Auto abzuhauen.«
»Entschuldigung, aber
was verstehen Sie unter einem Anbrater-Auto?«, fragte Kotek, die
schon ahnte, was damit gemeint war.
»Ein Anbrater-Auto ist
ein Wagen, den eher unansehnliche Männer benutzen, um bei Frauen zu
landen.«
»Aber so unansehnlich
kann Regenmandl doch nicht sein, schließlich haben Sie ihm
freiwillig Ihre schönsten Jahre geopfert«, zitierte Kotek sie.
»Er sieht nicht toll
aus, aber er hat Geld und ist ein guter Stecher«, gab Simcits mit
entwaffnender Ehrlichkeit zu. »Oder haben Sie geglaubt, ich bin
wegen seines schönen blauen Auges so lange bei ihm geblieben?«
Das Haustelefon läutete.
Simcits hob ab und hörte dem Anrufer einige Sekunden lang zu. »Ja,
sie sind hier«, sagte sie dann gelassen und reichte Kotek den Hörer.
Die drückte auf die Lautsprechertaste, um Feuersang mithören zu
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