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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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kontraproduktiv, das wusste Kotek
     nicht erst seit gestern. Trotzdem ärgerte sie sich maßlos
     über sich selbst, weil sie einen wichtigen Grundsatz missachtet
     hatte. Dranbleiben, dranbleiben, dranbleiben. Das predigte Jacobi immer.
     Und sie war eben nicht in letzter Konsequenz drangeblieben, sondern lieber
     heimgefahren, weil sie müde gewesen war und für diesen Tag genug
     gehabt hatte.
    Zum Glück konnte sie
     sich in solchen Situationen auf die menschlichen Qualitäten Jacobis
     verlassen. Weder beim Frühstück noch auf der Fahrt zum
     Franz-Hinterholzer-Kai wies er sie auf ihr Versäumnis hin. Statt zu
     kritisieren, was ohnehin nicht mehr zu ändern war, brachte er sie in
     dem für ihn typisch knappen Stil auf den aktuellen Informationsstand.
    Als sie am Vorabend längst
     zu Bett gegangen war, hatte er noch Redl angerufen und ihn gebeten, nach
     Julie Heinrich zu suchen. Major Lorenz Redl, einer vom Sechserpack, gehörte
     zu jener kleinen Gruppe von Kollegen, denen Jacobi vorbehaltlos vertraute.
     Lenz, wie er von Freunden genannt wurde, war nicht nur ein fähiger
     Ermittler, sondern auch der beste Spurenverwerter, der Jacobi zur Verfügung
     stand. Nicht nur ein Mal hatte er die amtliche Spusi mit diesem seinem außergewöhnlichen
     Talent düpiert. Wenn also überhaupt jemand Julie finden konnte,
     dann er. Und obwohl Lenz selbst gerade einen eigenen Fall bearbeitete, sah
     er in der Bitte Jacobis eine Verpflichtung. Dementsprechend lakonisch war
     sein Kommentar am Telefon ausgefallen: Beim ersten Morgengrauen wollte er
     im Laderdinger Alpl sein. Sollte sich das Mädchen dort oben befinden
     und noch leben, würde er es entdecken, und zwar bald. Sollte er es
     bis Mittag nicht gefunden haben, würde man wohl Leichenhunde
     dazuholen müssen.

 
    17
    DIE ANDEREN warteten schon
     abfahrbereit im Hof des LGKs. Offiziell leitete Kotek noch immer die
     Ermittlungen, aber diesmal war der Chef persönlich mit von der
     Partie. Das war etwas Besonderes und wertete diesen Fall gewaltig auf.
     Niemand hätte unter diesen Voraussetzungen gewagt, zu spät zu
     kommen.
    Jacobi war schon im normalen
     Dienstalltag keine Quasselstrippe, wenn er aber selbst zu Tatorten
     mitfuhr, wurde er auf dem Weg dorthin besonders wortkarg. Umso lauter
     heulten die Sirenen auf den drei Dienstwagen, anders wäre ein zügiges
     Vorankommen im Morgenverkehr auf der Alpenstraße auch gar nicht möglich
     gewesen.
    Neben Kotek fuhr im RS 4 noch
     Feuersang mit. Die Sichtung des Tatorts im Heinrich-Haus und die
     Beaufsichtigung der Haussuchung bei Marageter waren die Aufgaben des
     Chefinspektors und seines Kollegen Haberstroh, während die beiden
     Gendarmerie-Offiziere beabsichtigten, nach Heißingfelding zur Häuslschmied-Villa
     weiterzufahren. Nach der Vernehmung der Besitzerin sollte Kotek den Oberst
     beim »Schlössl« auf der anderen Talseite absetzen, wo er
     sich mit einem Schulfreund verabredet hatte. Sie selbst wollte sich mit
     den Hofgasteiner Kollegen über die weiteren Aktivitäten
     kurzschließen.
    Im von Stubenvoll gefahrenen
     VW Touran saßen zwei weitere Kollegen von der Spurensicherung des
     LGK und Dr. Sebastian Pernauer. Wegener hatte zu Hause in Salzburg bleiben
     müssen, er schien denselben Magen-Darm-Virus aufgegabelt zu haben wie
     der Spusi-Chef zuvor und hatte laut Dr. Pernauer schon am Vorabend »echt
     scheiße« ausgesehen. Natürlich wurde er trotz seines
     Protests krankgeschrieben, schließlich wusste Stubenvoll selbst am
     besten, wie sich der Kollege fühlte.    
    Nahe der Autobahnauffahrt
     Salzburg Süd bei Anif drehte Jacobi die Lautstärke des Radios
     runter und brach sein Schweigen. »Zunächst mal die News aus der
     Gerichtsmedizin: Wastl hatte mit der Erstdiagnose recht – wie
     meistens. Alfred Schleißheimer ist am Samstagnachmittag zwischen fünfzehn
     und siebzehn Uhr gestorben. Der Schlag gegen die Schläfe mit dem
     abgerundeten Gegenstand wäre allein nicht tödlich gewesen, aber
     er hat das Opfer betäubt, was dem Mörder, einem Linkshänder,
     die Führung der folgenden Stiche mit einem handelsüblichen
     Schlachtmesser beträchtlich erleichtert hat. Der Stich in die Karotis
     war hundertprozentig tödlich. Schleißheimer wäre daran
     innerhalb von Minuten verblutet, hätte nicht der zweite Stich, ganz
     professionell neben dem Brustbein unter dem linken Rippenbogen hindurch in
     den rechten Vorhof geführt, schon zuvor sein Leben beendet.«   
    Weder Kotek

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