Dohlenflug
eines
erwachsenen Mannes zu bergen. Näheres werden wir dann von Pernauer
erfahren, allerdings erst in einigen Tagen.«
»Wirklich typisch für
dich, die Bombe erst am Schluss hochgehen zu lassen, mein Schatz.«
24
DIE BLUTJUNGE Gendarmerieschülerin,
sie zählte zwanzig Lenze, machte kein Geheimnis daraus, wie stolz sie
darauf war, von Frau Oberleutnant Kotek für ein geheimes
Zeugenschutzprogramm herangezogen zu werden. Sie bewundere Kotek und fühle
sich zu diesem Job geboren, versicherte sie ihr und verriet ihr dann
verschämt, ihr Lieblingsfilm sei der Thriller »Bullit«
mit Steve McQueen und der legendären Autoverfolgungsjagd durch San
Francisco. Dass Kotek darauf verzichtet hatte, ihr die Notwendigkeit
absoluter Diskretion unter die Nase zu reiben, schien ihr besonders zu
schmeicheln.
Kotek auf der anderen Seite
war einigermaßen beruhigt. Tina Hohenauer hatte von sich aus
beteuert, zu schweigen wie ein Grab und niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen
über ihren Auftrag zu erzählen, nicht einmal ihrem Freund.
Für ihre erste Aufgabe
benötigte sie noch keine besonderen Fähigkeiten: Nachdem Kotek
bei der Villa der Zielperson ausgestiegen war, durfte sie mit dem
Dienstwagen von Oberst Jacobi zu einem Supermarkt an der Kreuzung
Hofgastein-Süd fahren, dort Proviant für mehrere Tage und einen
Snack für die Frau Oberleutnant kaufen und dann zur Villa zurückkehren
– was sie prompt erledigte.
Ohne dass es ihr von Kotek
besonders nahegelegt worden wäre, hatte sie auf der Rückfahrt
fortwährend nach möglichen Verfolgern Ausschau gehalten, aber
niemand schien sich für den anthrazitgrauen RS 4 zu interessieren.
Und letztlich war da ja auch noch Bezirksinspektor Haberstroh, der ihr
über Funk »keine besonderen Vorkommnisse« meldete und
seinen Beobachtungsposten vor der Villa erst dann verließ, als sie
die Treppe zur Eingangstür hinaufging.
Häuslschmied ließ
ihre Großnichte nicht warten. Kaum hatte Hohenauer die Klingel gedrückt,
öffnete sich auch schon die Haustür.
»Komm rein, Tini. Lange
nicht gesehen. Wie geht’s dir, Schätzchen? Siehst ja blendend
aus – wie der blühende Frühling und nicht wie dieses grässliche
Herbstwetter da draußen.«
»Grüß dich,
Mandi-Tant. Danke, aber du übertreibst mal wieder. Außerdem stünde
es wohl eher mir zu, dir Komplimente zu machen. Kaum jemand in deinem
Alter ist noch so fit wie du.«
»Jetzt übertreibst
du aber. Dass ich dich lange nicht gesehen habe, war übrigens nicht
übertrieben, sondern durchaus ernst gemeint: Du solltest mir deinen
Anblick öfter gönnen. Bist ein wirklich attraktives Mädel
geworden, mindestens so attraktiv wie diese Kripo-Tussi da drinnen. Das
ist vielleicht eine raffinierte Person.«
Tina Hohenauer lachte.
»Aber Mandi-Tant, wie kommst du denn auf so was? Warum hältst
du Frau Kotek für eine raffinierte Person?«
»Na, weil sie dich als
Schützenhilfe mitgebracht hat. Wahrscheinlich glaubt sie, ich könnte
mich in deinem Beisein eher für ihren Zeugenschutz-Zinnober erwärmen.«
Häuslschmied war ihrer Großnichte vorausgegangen und öffnete
die Tür zum Salon.
»Das ist kein Zinnober,
Mandi-Tant«, sagte die junge Frau. »Ich will dich wirklich
nicht beunruhigen, aber nach den Ereignissen heut Nacht wär es
einfach dumm, die offensichtliche Gefahr zu leugnen oder gar zu
ignorieren.«
»Na, du bist wenigstens
ehrlich.«
»Aber so war’s
doch nicht gemeint«, beeilte sich Hohenauer zu versichern. »Außerdem
wär der Aufenthalt da oben sowieso nur für ein paar Tage.
Betrachte es einfach als Abwechslung vom Alltagstrott.«
Kotek im Salon hatte die
letzten Sätze mitbekommen und fügte nach einer wohl bemessenen
Pause hinzu: »Sie sollten den Vorschlag wirklich nicht als
unwillkommene Schikane einer Behörde betrachten, Frau Häuslschmied,
sondern nur als Vorsichtsmaßnahme. Außerdem würde Ihnen
zunächst einmal Ihre Großnichte die Langeweile dort oben
vertreiben, ich käme erst morgen oder übermorgen hinauf nach
Sportgastein.«
Es dauerte noch eine
geschlagene Stunde, bis Häuslschmied einwilligte. Und das, obwohl
Kotek die ganze Zeit über das Gefühl gehabt hatte, als hätte
sich die Greisin bereits nach dem ersten Appell ihrer Großnichte
entschlossen, sich schlussendlich überreden zu lassen.
25
WÄHREND HOHENAUER ihrer
Großtante beim
Weitere Kostenlose Bücher