Dohlenflug
Ärmel hatte, wenn er sich und seine Arbeit als zu wenig gewürdigt
sah.
»Aber zufällig hab
ich da so eine Idee, wo er sich verkrochen haben könnte«, drang
es prompt nach einigen Sekunden aus dem Lautsprecher. Redl machte nicht
den Fehler, sofort nachzufragen, um sich dann einen langen Vortrag über
unprofessionelle Ungeduld anhören zu müssen, sondern hielt sich
weiterhin vornehm zurück. Derartige Disziplin wurde belohnt.
»Karl Heinrich hat vor
etlichen Jahren eine Innviertler Erbschaft seiner Töchter versilbern
lassen, und zwar von Regenmandl«, gab Weider Bescheid. »Ein
Geldmann seines Kalibers wickelt einen solchen Deal allerdings nicht um
Gottes Lohn ab, sondern schneidet dabei kräftig mit. Also hab ich ins
Grundbuch geschaut, hab den damaligen Käufer der Liegenschaft
ausgehoben und mir das Geschäft angesehen.«
»Du und deine Nase«,
streute Redl heuchlerisch Rosen, kannte er doch Weiders Schwäche für
Schmeicheleien nur allzu gut.
»Du sagst es«,
bestätigte Weider selbstgefällig. »Der Käufer war ein
Landwirt aus Sankt Radegund im Bezirk Braunau. Er hat den verwaisten Hof
und den Wald im Schwabenlandl zu einem sehr moderaten Preis bekommen, denn
Regenmandl hat sich als Provision ein Blockhaus samt Fischwasser auf einem
landwirtschaftlich wertlosen Grundstück in der Ettenau überschreiben
lassen und – aus welchem Grund auch immer – auf den Namen
seiner achtzigjährigen Mutter eingetragen. Wie der Name schon sagt,
ist die Ettenau ein Augebiet am rechten Salzach-Ufer, unweit von
Tittmoning auf der bayrischen –«
»Ich weiß schon,
wo die Ettenau liegt«, warf Redl ein, »meine Frau hat
Verwandte dort. Und der Deal leuchtet mir auch ein. Im Überschwemmungsgebiet
herrscht absolutes Bauverbot, nur Häuser oder Hütten, die vor
diesem Verbot jenseits der Schutzdämme errichtet wurden, dürfen
bei Bedarf renoviert werden.«
»Exakt um ein solches
Blockhaus handelt es sich«, bestätigte Weider. »Wegen der
ständig wiederkehrenden Salzach-Überschwemmungen wurde es einst
in Pfahlbauweise errichtet und steht am Fuß des Radegunder Bergs.
Nicht einmal das Hochwasser vor drei Jahren konnte ihm etwas anhaben. Die
Preisgabe dieses mückenumschwirrten Fleckens samt Hütte hat dem
Radegunder Bauern sicher nicht wehgetan, aber Regenmandl hat, wie ich den
Unterlagen entnehme, ein ebenso romantisches wie diskretes Refugium daraus
gemacht, von dem bisher kaum jemand wusste.«
»Und was lässt
dich vermuten, dass er und seine Haushälterin ausgerechnet dort sein
könnten?«
»Wie wir inzwischen
wissen, ist die Simcits nicht so überstürzt verduftet wie
Regenmandl heut Nacht, sondern erst am Morgen in ihrem eigenen Golf. Ein
Zeuge hat sie gesehen.«
»Sie hatte also noch
Zeit und Gelegenheit, Vorbereitungen für den Ortswechsel zu treffen.«
»Du sagst es, und genau
darauf stützt sich auch meine Vermutung. Regenmandls und Simcits’
Handys werden seit heute Morgen überwacht, und siehe da: Um acht Uhr
fünfundvierzig ging ein Anruf von seinem Handy über eine
Relaisstation bei Ostermiething ein, der Besorgungen betraf. Und wo, mein
lieber Lenz, liegt Ostermiething seit der Jungsteinzeit?«
»Unmittelbar vor
Tittmoning und der Ettenau«, spielte Redl die gönnerhafte
Oberlehrer-Attitüde des Freundes mit. »Danke, Hans. Ich denke
jetzt auch, es könnte sich auszahlen, jemanden dorthin zu schicken.
Ich werde mich aber vorher noch mit dem LGK Oberösterreich kurzschließen,
damit alles seine Ordnung hat.«
Der letzte Satz diente vor
allem der Beruhigung von Weiders Beamtengewissen. Chefinspektor Hans
Weider verfügte über Fähigkeiten und Eigenschaften, die von
allen im Sechserpack hoch geschätzt wurden, doch die nötige
Chuzpe und Kaltschnäuzigkeit im Job gehörten nicht dazu. Aber
Redl dachte gar nicht daran, die oberösterreichischen Behörden
zu diesem frühen Zeitpunkt zu benachrichtigen, sondern stellte sich
als Angehöriger des LGK Salzburg gewissermaßen selbst außer
Dienst, um sich anschließend als Privatperson ins Innviertel zu
schicken.
27
BEI DER AUSFAHRT
Salzburg-Mitte fuhr er von der A 10 ab, dann weiter über die Münchner
Bundesstraße nach Freilassing und von dort auf der S 20 nach Laufen
und Tittmoning.
Die düstere Witterung am
späten Nachmittag machte Redl nicht sehr empfänglich für
die Schönheit des mittelalterlichen
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