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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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nicht. Deshalb war er ja im Umgang mit dieser CD so übervorsichtig,
     hat immer nur Andeutungen gemacht. Der alte Czerwenka und der verblichene
     Häuslschmied haben seine Karriere vor Jahrzehnten sehr gefördert,
     dafür soll er, Johnny, ihnen nicht nur minderjährige Sexsklaven
     auf dem Alpl zugeführt haben, sondern auch …« Sie
     stockte, erschrocken über sich selbst.
    Aber Redl blieb dran. »Sondern?«,
     drängte er sanft, aber unmissverständlich.
    »Er soll gemeinsam mit
     ihnen, mit Lotte, Salli und Pauli, auch einen Doppelmord vertuscht haben.«
    »Einen Doppelmord? Das
     ist ziemlich harter Tobak. Um wen ging es da?«
    Sie schüttelte den Kopf.
     »Ich weiß keine Namen. Ich weiß ja nicht einmal, ob
     dieses Verbrechen tatsächlich stattgefunden hat. Und wegen Johnnys
     Paranoia, was die CD anbelangt, kam ich gar nicht auf den Gedanken, die
     Aufklärung der Geheimnisse könnte auch auf dem PC in Hofgastein
     zu finden sein. Deshalb habe ich Fredl Schleißheimer unwissentlich
     und blind vor Eifersucht den Zugriff darauf erlaubt.«
    »Was ihm aber nicht
     besonders gut bekommen ist«, kommentierte Redl prosaisch.
    Simcits zuckte mit den
     Achseln. »Sie glauben doch nicht im Ernst, Johnny könnte dieser
     irre Schlitzer sein?«
    »Ob er es ist oder
     nicht, das werden wir wahrscheinlich nach der Auswertung der CD wissen.«
     Und die muss möglichst schnell von Weider vorgenommen werden, dachte
     Redl, während er aber zunächst noch einmal Melanie Koteks Nummer
     wählte.

 
    28
    DIE DREI FRAUEN hatten den Naßfelder
     Almboden erreicht. Kotek wusste, dass die meisten Almhütten bereits
     vor dem angekündigten Wettersturz dichtgemacht hatten. Laut Höllteufel
     war auch die Genossenschaftsalm nur mehr bis zum Monatsende
     bewirtschaftet.
    Langsam rollte der RS 4 mit
     hektisch hin und her zuckenden Scheibenwischern rechts an der Talstation
     der Sportgasteiner Gondelbahn vorbei, dann über den großen
     Parkplatz die leichte Steigung hinauf zum winterfest verriegelten »Restaurant
     Valerie-Haus«, das ebenfalls rechts passiert wurde, bis es nur noch
     im Schritttempo in das diffuse weiße Nichts hineinging, weiter in
     Richtung Siglitztal, einem kleinen Seitental des Naßfelder
     Almbodens.
    Zu Koteks nicht unbeträchtlicher
     Erleichterung erfassten die Scheinwerfer bald den nächsten optischen
     Anhaltspunkt: einen Weidezaun mit offenem Viehgatter. Während der
     Wagen einige hundert Meter weiter am seit Jahrzehnten stillgelegten
     Gesellschafterhaus der Zweiten Gewerkschaft Radhausberg vorüberrollte,
     rekapitulierte sie, was ihr von der Geschichte des Gasteiner Bergbaus noch
     von einem früheren Fall her geläufig war.
    Sie wusste, dass schon in der
     Antike aus den Gasteiner Bergen Gold und Silber gewonnen worden war,
     hauptsächlich durch Tagbau. Mit Abstand am meisten wurde jedoch Mitte
     des sechzehnten Jahrhunderts von den sogenannten freien Gewerken gefördert,
     zunächst von süddeutschen wie Fugger, Baumgartner und Wieland,
     dann aber auch von heimischen wie Weitmoser, Strasser und Zott. Unter den
     Fürsterzbischöfen von Salzburg und dem österreichischen
     Kaiserstaat wurde das Gold immer weniger, und Mitte des neunzehnten
     Jahrhunderts wurde der staatliche Abbau dann ganz eingestellt. Auch
     mehrere private Gewerkschaften mussten wegen zu geringer Ausbeute
     aufgeben, etwa die Zweite Gewerkschaft Radhausberg, gegründet von
     einem Dr. Karl Imhof, der den gleichnamigen Stollen vom Naßfeld aus
     durch das Kolmkar-Massiv bis ins Rauriser Tal durchschlagen ließ und
     so die meisten Querstollen, Schächte und Horizonte miteinander
     verband, die vom Siglitztal her im Laufe der Jahrhunderte angelegt worden
     waren.       
    Kotek kehrte von ihrem
     gedanklichen Ausflug in die Geschichte des Gasteiner Bergbaus zurück
     in die prosaische Realität einer vor Schneefall kaum noch sichtbaren
     Fahrbahn.
    Wenigstens nahmen es die
     Conti-Cross-Reifen des RS 4 ziemlich souverän mit den widrigen Verhältnissen
     auf, was nicht zuletzt Jacobis Umsicht der Reifenwahl zu verdanken war,
     wie Kotek freimütig eingestand.
    Im Übrigen war sie mit
     sich und der Situation zufrieden, denn nicht nur der Quattro vermittelte
     ihr ein Gefühl der Sicherheit, sondern auch der Wettersturz, der von
     ihren Beifahrerinnen so bejammert wurde. Unter solchen Bedingungen konnte
     Häuslschmied und Hohenauer hier oben in der kommenden Nacht und am nächsten
     Tag kaum etwas passieren, selbst wenn

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