Dohlenflug
nicht. Deshalb war er ja im Umgang mit dieser CD so übervorsichtig,
hat immer nur Andeutungen gemacht. Der alte Czerwenka und der verblichene
Häuslschmied haben seine Karriere vor Jahrzehnten sehr gefördert,
dafür soll er, Johnny, ihnen nicht nur minderjährige Sexsklaven
auf dem Alpl zugeführt haben, sondern auch …« Sie
stockte, erschrocken über sich selbst.
Aber Redl blieb dran. »Sondern?«,
drängte er sanft, aber unmissverständlich.
»Er soll gemeinsam mit
ihnen, mit Lotte, Salli und Pauli, auch einen Doppelmord vertuscht haben.«
»Einen Doppelmord? Das
ist ziemlich harter Tobak. Um wen ging es da?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich weiß keine Namen. Ich weiß ja nicht einmal, ob
dieses Verbrechen tatsächlich stattgefunden hat. Und wegen Johnnys
Paranoia, was die CD anbelangt, kam ich gar nicht auf den Gedanken, die
Aufklärung der Geheimnisse könnte auch auf dem PC in Hofgastein
zu finden sein. Deshalb habe ich Fredl Schleißheimer unwissentlich
und blind vor Eifersucht den Zugriff darauf erlaubt.«
»Was ihm aber nicht
besonders gut bekommen ist«, kommentierte Redl prosaisch.
Simcits zuckte mit den
Achseln. »Sie glauben doch nicht im Ernst, Johnny könnte dieser
irre Schlitzer sein?«
»Ob er es ist oder
nicht, das werden wir wahrscheinlich nach der Auswertung der CD wissen.«
Und die muss möglichst schnell von Weider vorgenommen werden, dachte
Redl, während er aber zunächst noch einmal Melanie Koteks Nummer
wählte.
28
DIE DREI FRAUEN hatten den Naßfelder
Almboden erreicht. Kotek wusste, dass die meisten Almhütten bereits
vor dem angekündigten Wettersturz dichtgemacht hatten. Laut Höllteufel
war auch die Genossenschaftsalm nur mehr bis zum Monatsende
bewirtschaftet.
Langsam rollte der RS 4 mit
hektisch hin und her zuckenden Scheibenwischern rechts an der Talstation
der Sportgasteiner Gondelbahn vorbei, dann über den großen
Parkplatz die leichte Steigung hinauf zum winterfest verriegelten »Restaurant
Valerie-Haus«, das ebenfalls rechts passiert wurde, bis es nur noch
im Schritttempo in das diffuse weiße Nichts hineinging, weiter in
Richtung Siglitztal, einem kleinen Seitental des Naßfelder
Almbodens.
Zu Koteks nicht unbeträchtlicher
Erleichterung erfassten die Scheinwerfer bald den nächsten optischen
Anhaltspunkt: einen Weidezaun mit offenem Viehgatter. Während der
Wagen einige hundert Meter weiter am seit Jahrzehnten stillgelegten
Gesellschafterhaus der Zweiten Gewerkschaft Radhausberg vorüberrollte,
rekapitulierte sie, was ihr von der Geschichte des Gasteiner Bergbaus noch
von einem früheren Fall her geläufig war.
Sie wusste, dass schon in der
Antike aus den Gasteiner Bergen Gold und Silber gewonnen worden war,
hauptsächlich durch Tagbau. Mit Abstand am meisten wurde jedoch Mitte
des sechzehnten Jahrhunderts von den sogenannten freien Gewerken gefördert,
zunächst von süddeutschen wie Fugger, Baumgartner und Wieland,
dann aber auch von heimischen wie Weitmoser, Strasser und Zott. Unter den
Fürsterzbischöfen von Salzburg und dem österreichischen
Kaiserstaat wurde das Gold immer weniger, und Mitte des neunzehnten
Jahrhunderts wurde der staatliche Abbau dann ganz eingestellt. Auch
mehrere private Gewerkschaften mussten wegen zu geringer Ausbeute
aufgeben, etwa die Zweite Gewerkschaft Radhausberg, gegründet von
einem Dr. Karl Imhof, der den gleichnamigen Stollen vom Naßfeld aus
durch das Kolmkar-Massiv bis ins Rauriser Tal durchschlagen ließ und
so die meisten Querstollen, Schächte und Horizonte miteinander
verband, die vom Siglitztal her im Laufe der Jahrhunderte angelegt worden
waren.
Kotek kehrte von ihrem
gedanklichen Ausflug in die Geschichte des Gasteiner Bergbaus zurück
in die prosaische Realität einer vor Schneefall kaum noch sichtbaren
Fahrbahn.
Wenigstens nahmen es die
Conti-Cross-Reifen des RS 4 ziemlich souverän mit den widrigen Verhältnissen
auf, was nicht zuletzt Jacobis Umsicht der Reifenwahl zu verdanken war,
wie Kotek freimütig eingestand.
Im Übrigen war sie mit
sich und der Situation zufrieden, denn nicht nur der Quattro vermittelte
ihr ein Gefühl der Sicherheit, sondern auch der Wettersturz, der von
ihren Beifahrerinnen so bejammert wurde. Unter solchen Bedingungen konnte
Häuslschmied und Hohenauer hier oben in der kommenden Nacht und am nächsten
Tag kaum etwas passieren, selbst wenn
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