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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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ihrer Energie beanspruchte. An Ines, wenn auch nicht ihrer Mutter direkt, hatte sie berichtet, daß ein reicher Warenhausbesitzer, übrigens ein wohlerhaltener Weißbart, sie zu seiner Geliebten habe machen wollen und sie mit Wohnung, Wagen und Kleidern köstlich zu halten versprochen habe, – wodurch sie das unverschämte »Tempo, Tempo!« des Regisseurs wohl hätte zum Schweigen bringen und auch die Kritik hätte umstimmen können. Doch war sie viel zu stolz, ihr Leben auf diese Grundlage zu stellen. Um ihre Persönlichkeit, nicht um ihre Person war es ihr zu tun; der Großkrämer hatte einen Korb bekommen, und Clarissa war zu neuem Kampfe nach Elbing gegangen.
    Von ihrer Tochter Institoris in München sprach die Senatorin weniger eingehend: Ihr Leben schien ja weniger bewegt und gewagt, normaler, gesicherter, – oberflächlich gesehen, und Frau Rodde wollte es offenbar oberflächlich sehen, das heißt, sie stellte Ines' Ehe als glücklich hin, was allerdings ein starkes Stück von gemütvoller Oberflächlichkeit war. Damals waren gerade die Zwillinge zur Welt gekommen, und die Senatorin sprach mit schlichter Rührung von dem Ereignis, – von den drei Hätschelhäschen und Schneeweißchen, die sie von Zeit zu Zeit in ihrem idealischen Kinderzimmer besuchte. Nachdrücklich und mit Stolz lobte sie ihre Älteste für die Un {505} beugsamkeit, mit der sie trotz widriger Umstände ihrem Haushalt Tadellosigkeit zu wahren wisse. Es war nicht zu unterscheiden, ob ihr, was die Spatzen von den Dächern pfiffen, nämlich die Geschichte mit Schwerdtfeger, wirklich unbekannt war, oder ob sie sich nur so stellte. Adrian, wie der Leser weiß, war durch mich über diese Dinge im Bilde. Eines Tages empfing er sogar Rudolfs Beichte darüber – ein sonderbarer Vorgang.
    Der Geiger zeigte sich während der akuten Krankheit unseres Freundes sehr teilnehmend, treu und anhänglich, ja es schien, als wollte er die Gelegenheit wahrnehmen, ihm zu zeigen, wieviel ihm an seinem Wohlwollen, seiner Zuneigung gelegen war, – mehr noch: mein Eindruck war der, daß er glaubte, Adrians leidenden, reduzierten und, wie er wohl meinte, gewissermaßen hilflosen Zustand dazu benutzen zu sollen, seine ganze unverwüstliche und durch viel persönlichen Charme unterstützte Zutunlichkeit aufzubieten, um eine Sprödigkeit, Kühle, ironische Abweisung zu überwinden, die ihn aus mehr oder weniger ernsten Gründen kränkte, oder schmerzte, oder seine Eitelkeit verletzte, oder ein wirkliches Gefühl verwundete – Gott weiß, wie es darum stand! Spricht man von Rudolfs Flirt-Natur – wie man davon sprechen muß – so kommt man leicht in die Gefahr, ein Wort zu viel zu sagen. Aber man soll auch keines zu wenig sagen, und mir, für mein Teil, erschien diese Natur, erschienen ihre Äußerungen stets im Lichte einer absolut naiven, kindischen, ja koboldhaften Dämonie, deren Widerschein ich zuweilen aus seinen so sehr hübschen kornblumenblauen Augen lachen zu sehen glaubte.
    Genug, wie ich sagte, Schwerdtfeger kümmerte sich eifrig um Adrians Krankheit. Öfters erkundigte er sich telephonisch bei Frau Schweigestill nach seinem Ergehen und bot seinen Besuch an, sobald der nur irgend erträglich und zur Zerstreuung willkommen sein würde. Bald denn auch einmal, in Tagen {506} der Besserung, durfte er kommen, legte die gewinnendste Freude über das Wiedersehen an den Tag und redete Adrian zu Beginn seines Besuches zweimal mit Du an, um sich erst beim dritten Mal, da jener nun einmal nicht darauf einging, zu verbessern und es beim Vornamen mit dem »Sie« sein Bewenden haben zu lassen. Gewissermaßen zum Trost und experimentierenderweise nannte auch Adrian ihn gelegentlich mit Vornamen, wenn nicht in der traulich verkleinerten, bei Schwerdtfeger allgemein üblichen Form, so doch in der vollen, also Rudolf, kam aber gleich wieder davon ab. Übrigens beglückwünschte er ihn zu schönen Erfolgen, die dem Geiger letzthin zuteil geworden. Er hatte in Nürnberg ein eigenes Konzert gegeben und namentlich durch eine vorzügliche Wiedergabe der Partita in E-dur von Bach (für Violine allein) bei Publikum und Presse Aufsehen erregt. Die Folge davon war sein Auftreten als Solist bei einem der Münchener Akademie-Konzerte im Odeon gewesen, wobei seine saubere, süße und technisch perfekte Tartini-Interpretation außerordentlich gefallen hatte. Seinen kleinen Ton nahm man in den Kauf. Er hatte musikalische (und auch persönliche) Entschädigungen dafür zu

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