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Doktor Pascal - 20

Doktor Pascal - 20

Titel: Doktor Pascal - 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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blühten, Levkojen, Nelken, Hyazinthen, Rosen.
    Strahlend kam Doktor Pascal herein.
    »Ach, verflixt! Ich habe die Zeit völlig vergessen, ich wollte fertig werden … Hier hab ich diesmal etwas ganz Neues und ganz Reines, damit kann man Wunder vollbringen!«
    Und er zeigte die Phiole, die er in seiner Begeisterung mit heruntergebracht hatte. Aber er bemerkte, daß Clotilde aufrecht und stumm mit ernstem Gesicht dastand. Der heimliche Ärger über das Warten hatte sie wieder ganz in ihre feindselige Stimmung versetzt; sie, die am Morgen noch darauf gebrannt hatte, ihm um den Hals zu fallen, rührte sich jetzt nicht, gleichsam abgekühlt und von ihm abgerückt.
    »Gut«, sagte er, ohne sich in seiner Fröhlichkeit stören zu lassen, »wir schmollen noch. Das ist aber häßlich! Du bewunderst ihn also nicht, meinen Zaubertrank, der die Toten auferweckt?«
    Er hatte sich an den Tisch gesetzt, und das junge Mädchen, das ihm gegenüber Platz nahm, mußte schließlich antworten.
    »Du weißt sehr gut, Meister, daß ich alles an dir bewundere … Nur ist es mein Wunsch, daß auch die anderen dich bewundern sollen. Aber da ist der Tod des armen alten Boutin …«
    »Oh!« rief er aus, ohne sie ausreden zu lassen. »Ein Epileptiker, der bei einem Schlaganfall gestorben ist! Hör mal, da du schlechter Laune bist, wollen wir nicht mehr darüber sprechen: du würdest mir weh tun, und das würde mir den Tag verderben.«
    Es gab weichgekochte Eier, Koteletts, eine Nachspeise. Und Schweigen breitete sich aus, in dem sie trotz ihres Schmollens tüchtig drauflosaß, denn sie hatte einen gesegneten Appetit, den sie nicht aus Koketterie zu verbergen suchte. Daher sagte er schließlich lachend:
    »Mich beruhigt ja nur, daß du einen guten Magen hast … Martine, gebt doch dem Fräulein noch Brot.«
    Wie gewöhnlich wurden sie von Martine bedient, die ihnen mit ihrer ruhigen Vertrautheit beim Essen zusah. Oft plauderte sie sogar mit ihnen.
    »Herr Doktor«, sagte sie, als sie Brot geschnitten hatte, »der Fleischer hat seine Rechnung gebracht, soll ich sie bezahlen?«
    Er blickte auf und sah das Dienstmädchen überrascht an.
    »Warum fragt Ihr mich das? Bezahlt Ihr sonst nicht auch, ohne mich zu fragen?«
    Tatsächlich führte Martine die Kasse. Das bei Herrn Grandguillot, Notar in Plassans, angelegte Geld brachte die runde Summe von sechstausend Francs Jahreszinsen. Jedes Vierteljahr verblieben die fünfzehnhundert Francs in den Händen Martines, und sie verfügte darüber zum Besten der Interessen des Hauses, kaufte und bezahlte alles mit äußerster Sparsamkeit, denn sie war geizig, weswegen man sie sogar ständig neckte. Clotilde, die nur sehr wenig ausgab, hatte keine eigene Kasse. Der Doktor nahm das Geld für seine Experimente und sein Taschengeld von den drei oder viertausend Francs, die er jährlich noch verdiente und die er in ein Schubfach des Sekretärs warf, so daß er dort einen kleinen Schatz von Goldstücken und Banknoten hatte, ohne jemals genau zu wissen, wieviel es war.
    »Gewiß, Herr Doktor, ich bezahle«, sagte Martine, »aber nur, wenn ich die Ware entgegengenommen habe; und diesmal ist die Rechnung so hoch wegen all der Gehirne, die der Fleischer Ihnen geliefert hat …«
    Der Doktor unterbrach sie abrupt.
    »Ach so! Sagt mal, wollt vielleicht auch Ihr Euch gegen mich stellen? Nein, nein! Das wäre zuviel! Gestern habt ihr mir alle beide viel Kummer bereitet, und ich war zornig. Aber das muß aufhören, ich will nicht, daß das Haus zur Hölle wird … Zwei Frauen gegen mich, und noch dazu die einzigen, die mich ein wenig gern haben! Wißt ihr, lieber suche ich sofort das Weite!«
    Er wurde nicht böse, er lachte, obgleich man am Beben seiner Stimme die Unruhe seines Herzens merkte. Und er fügte in seiner fröhlichen, gutmütigen Art hinzu:
    »Wenn Ihr Angst habt, nicht bis zum Monatsende zu reichen, Martine, so sagt dem Fleischer, er soll mir meine Rechnung extra schicken … Und seid unbesorgt, niemand verlangt von Euch, daß Ihr etwas von dem Euren hinzulegt, Eure Sous können ruhig schlafen.«
    Das war eine Anspielung auf das kleine persönliche Vermögen Martines. In dreißig Jahren hatte sie bei vierhundert Francs Lohn zwölftausend Francs verdient, von denen sie nur das für ihren Unterhalt unbedingt Notwendige in Anspruch genommen hatte; und gemästet, fast verdreifacht durch die Zinsen, belief sich die Summe ihrer Ersparnisse heute auf gut dreißigtausend Francs, die sie aus einer Laune heraus nicht

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