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Doktor Pascal - 20

Doktor Pascal - 20

Titel: Doktor Pascal - 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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einer langsamen Auflösung anheim und bricht im Blut zusammen, in einem solchen Meer von Blut, daß die ganze Nation beinahe darin ertränkt wird … Da sind soziale Studien, der Klein und Großhandel, die Prostitution, das Verbrechen, die Erde, das Geld, die Bourgeoisie, das Volk, das in der Kloake der Vorstädte verkommt, und das Volk, das in den großen Industriezentren aufbegehrt, die ganze immer stärker werdende Bewegung des überlegenen Sozialismus, der das neue Zeitalter gebiert … Da sind einfache menschliche Studien, intime Seiten, Liebesgeschichten, der Kampf der Geister und Herzen gegen die ungerechte Natur, der Untergang jener, die von einer allzu schweren Aufgabe zermalmt werden, der Aufschrei der sich opfernden Güte, die den Schmerz besiegt … Da ist Erdichtetes, der Höhenflug der Phantasie über die Grenzen der Wirklichkeit hinaus, unermeßliche Gärten, die zu jeder Jahreszeit in Blüte stehen, Kathedralen mit herrlich gearbeiteten Pfeilern, wunderbare Geschichten aus dem Paradies, vollkommene Liebe, die in einem Kuß zum Himmel emporsteigt … Es ist von allem darin, Gutes und Böses, Gemeines und Erhabenes, Blumen, Schmutz, Schluchzen, Lachen, der Strom des Lebens selber, auf dem die Menschheit endlos dahintreibt!«
    Und er nahm wieder den Stammbaum zur Hand, der auf dem Tisch lag; er breitete ihn aus, fuhr von neuem mit dem Finger darüber hin und zählte diesmal die noch lebenden Familienmitglieder auf. Eugène Rougon, die gefallene Größe, war im Abgeordnetenhaus der Zeuge, der unerschütterliche Verteidiger der alten Welt, die der Zusammenbruch hinweggespült hatte. Aristide Saccard fiel, nachdem er die Farbe gewechselt hatte, wieder auf die Füße, war nunmehr Republikaner, Direktor einer großen Zeitung und im besten Zuge, neue Millionen zu verdienen; sein Sohn Maxime verzehrte in seinem kleinen Haus in der Avenue du BoisdeBoulogne seine Jahreszinsen und lebte, von einem schrecklichen Leiden bedroht, korrekt und vorsichtig; sein anderer Sohn, Victor, war nicht wieder aufgetaucht und streifte, solange er nicht im Bagno war, durch das Dunkel des Verbrechens, ausgestoßen von der Welt und der Zukunft, dem unbekannten Henker preisgegeben. Sidonie Rougon, die lange Zeit Verschwundene, führte nunmehr, der zweifelhaften Gewerbe überdrüssig, einen klösterlich strengen Lebenswandel und hatte sich in eine Art Ordenshaus zurückgezogen als Schatzmeisterin des Œuvre du Sacrement, um ledigen Müttern zur Heirat zu verhelfen. Octave Mouret, der Besitzer der großen Kaufhäuser »Paradies der Damen«, dessen gewaltiges Vermögen immer noch zunahm, hatte gegen Ende des Winters ein zweites Kind von seiner Frau Denise Baudu bekommen, die er vergötterte, obgleich er wieder anfing, Seitensprünge zu machen. Abbé Mouret, Pfarrer in SaintEutrope in einer sumpfigen Gebirgsschlucht, lebte dort zurückgezogen mit seiner Schwester Desiree in großer Demut, lehnte jede Beförderung durch seinen Bischof ab und erwartete den Tod als heiliger Mann, der alle Arzneien zurückwies, obgleich er an einer beginnenden Schwindsucht litt. Hélène Mouret lebte sehr glücklich, sehr einsam, abgöttisch verehrt von ihrem zweiten Mann, Herrn Rambaud, auf dem kleinen Anwesen, das sie in der Nähe von Marseille am Meer besaßen; sie hatte aus ihrer zweiten Ehe kein Kind. Pauline Quenu war noch immer in Bonneville, am anderen Ende Frankreichs, im Angesicht des weiten Ozeans; seit dem Tod ihres Onkels Chanteau war sie allein mit dem kleinen Paul und fest entschlossen, nicht zu heiraten, sondern sich ganz dem Sohn ihres Vetters Lazare zu widmen, der Witwer geworden und nach Amerika gegangen war, um dort sein Glück zu machen. Etienne Lantier, nach dem Streik von Montsou nach Paris zurückgekehrt, hatte sich später beim Aufstand der Commune kompromittiert, deren Ideen er mit Heftigkeit verfocht; man hatte ihn zum Tode verurteilt, dann begnadigt und deportiert, so daß er sich jetzt in Nouméa befand; es hieß sogar, er habe dort sogleich geheiratet und habe ein Kind – ob einen Jungen oder ein Mädchen, wußte niemand. Jean Macquart schließlich, der nach der Blutwoche27 seinen Abschied bekam, kehrte zurück und ließ sich in der Nähe von Plassans, in Valqueyras, nieder, wo er das Glück hatte, ein kräftiges Mädchen zu heiraten, Mélanie Vial, die einzige Tochter eines wohlhabenden Bauern, dessen Land er bewirtschaftete; seine Frau, seit der Hochzeitsnacht schwanger, hatte im Mai einen Jungen zur Welt gebracht und war

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