Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang
Boden gefallen wäre.«
»Duck dich!«, sagte Lise.
Hinter dem Hügelkamm tauchte Galvanius auf, in dieser Richtung hatte die Schanze gestanden, bevor Bulle sie pupspulverisiert hatte. Am höchsten Punkt angekommen, wickelte er sich das Zugseil vom Schlitten um die Hand und zog alles zusammen hinter sich her durch den Wald in Richtung Parkplatz.
»Komm!«, sagte Lise und begann, hinter ihm herzustapfen.
»Warte!«, sagte Bulle. »Ich muss vorher noch was überprüfen.«
Er pflügte über den Hügelkamm und die Hangseite hinunter, die Galvanius kurz zuvor hochgestapft gekommen war. Als er wenig später zurückkam, war er völlig außer Puste und hatte die Augen weit aufgerissen.
»Galvanius ist gesprungen!«
»Was willst du damit sagen?«
»Er ist SUPERWEIT gesprungen! Die Erschütterung, die wir gespürt haben, kam von seiner Landung.«
»Quatsch? Es gibt doch gar keine Sprungschanze mehr.«
»Und trotzdem ist er über fünfzig Meter weit gesprungen! Ich war an der Stelle, wo die Skispur endet. Und erst ganz am Ende der Lichtung setzt sie wieder auf. Fünfzig Meter ohne Sprungschanze, Lise. Das ist menschlich unmöglich!« Er dämpft die Stimme. »Ab sofort findet unsere Überwachung unter größten Sicherheitsvorkehrungen statt. Wir haben es offensichtlich nicht mit einem Menschen zu tun, sondern mit einem sehr, sehr ungewöhnlichen Wesen.«
So schnell Bulle und Lise auch gingen, schafften sie es nicht, Galvanius vor dem Parkplatz einzuholen.
Sie gingen zwischen zwei Autos in Deckung und beobachteten, wie er den Schlitten und die Ausrüstung im Kofferraum eines alten, verstaubten grünen Kombis verfrachtete.
Als alles verpackt war, stieg Galvanius ein und startete den Motor, der röchelnd hustete und schwarze Rauchwolken spuckte.
»Und jetzt?«, fragte Lise. »Er entwischt uns.«
»Nicht, wenn ich Bulle heiße«, sagte der Junge – der bekanntermaßen Bulle hieß –, drückte Lise seine Stöcke in die Hand, lief ihm Schlittschuhschritt auf seinen kurzen Plastikskiern los, ging in die Hocke und klammerte sich an die hintere Stoßstange des Autos.
Der Motor gab ein paar hässliche Röchellaute von sich, die Lise verrieten, dass Galvanius versuchte, den Rückwärtsgang einzulegen.
Rückwärtsgang!
»Achtung!«, rief Lise. »Er will rückw…!«
Zu spät. Der grüne Wagen setzte rückwärts aus der Parklücke, über Bulle, der darunter verschwand.
»Oh nein!«, wimmerte Lise. Aber nachdem das Auto gewendet hatte und vorwärtsfuhr, tauchte Bulle wieder auf, noch immer mit festem Klammergriff um die Stoßstange. Galvanius fuhr quer über den Parkplatz, Bulle im Schlepptau. Als das Auto sich dem Bus näherte, den sie für den Skitag gemietet hatten, stellte sich ihm Frau Strobe mit wedelnden Armen in den Weg.
Lise sah Gregor Galvanius die Seitenscheibe runterkurbeln und hörte Frau Strobes aufgeregte Stimme.
»Lise und Bulle sind weg! Wir müssen sie suchen!«
Galvanius machte Anstalten, aus dem Auto zu steigen, und Lise war klar, dass sie jeden Augenblick auffliegen konnten. Sie musste irgendetwas unternehmen. Was möglicherweise eine Maßnahme erforderte, die Lise von Herzen gegen den Strich ging, nämlich zu lügen. Aber da es nun mal um nichts Geringeres als den Untergang der Welt ging, hatte sie keine andere Wahl.
»Hallo!«, rief Lise, glitt auf ihren Skiern zwischen den parkenden Autos hervor und winkte mit den Stöcken, ihren eigenen und Bulles abgesägten.
»Lise!«, rief Frau Strobe. »Wo hast du gesteckt?«
»Wir haben eine Abkürzung genommen«, sagte Lise und lief eilig zu Frau Strobe. »Bulle hatte irgendwann keine Lust mehr zu warten und hat … ähm … ein Taxi genommen.«
»Ein Taxi?«
»Ja, um pünktlich zu … einer schrecklich wichtigen Verabredung zu kommen.«
»Was denn für eine Verabredung?«, fragte Frau Strobe zögernd.
»Mit … ähm … einem Chor«, antwortete Lise und dachte, wie wenig Übung sie doch im Lügen hatte.
»Einem Chor?« Frau Strobes Augenbrauen bildeten ein unheilvolles V über der Nasenwurzel.
»Ja. Aus Amerika«, sagte Lise und schluckte. »Sie haben ihn gefragt … ob er ihr Dirigent werden will.«
Aus einem Augenwinkel sah sie Bulle zusammengekauert hinter dem Wagen hocken, aus dem anderen den Bus, in dem Beatrize und ihr Hofstaat saßen und sich sensationslüstern die Nasen an den Scheiben platt drückten.
»Ich werde mich morgen mit Bulles Mutter in Verbindung setzen«, sagte Frau Strobe. »Und jetzt komm, damit wir fahren
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