Dokument1
im westlichen Pennsylvanien kann das frühe Novemberwetter genauso lau-nisch sein wie Anfang April. Um zehn Uhr war der Schnee geschmolzen. Und die Reifenspuren waren verschwunden.
25 Buddy besucht den Flughafen
We shut’em up and then we shut’em down.
- Bruce Springsteen
Ungefähr zehn Tage darauf, als die ersten aus Glanzpapier und Pappe gefertigten Truthähne, Weihnachtssterne und Füllhörner bereits an den Scheiben der Klassenzimmer der Unterstufe klebten, steuerte abends ein blauer Camaro, dessen Heck so weit nach unten hing, daß es fast auf dem Boden schleifte, den Dauerparkplatz am Flughafen an. Sandy Galton sah nervös aus in seiner Glaskabine. Hinter dem linken Seitenfenster des Ford sah er das ihm zugewandte Gesicht von Buddy Repperton. Ein Gesicht, das mit einem wochenalten Bart bedeckt war und in dem die Augen so irre glänzten, daß Sandy Galton der Verdacht kam, Buddy hätte das Erntedankfest nicht mit Alkohol gefeiert, sondern mit Kokain (tatsächlich hatten er und seine Freunde an diesem Abend ein gutes Gramm davon geschnupft). Alles in allem erinnerte Buddy ein bißchen an einen heruntergekommenen Clint Eastwood.
»Steht er noch gut, Sandy?« fragte Buddy.
Pflichtschuldiges Lachen aus dem Camaro. Don Vandenberg, Moochie Welch und Richie Trelawney waren bei Buddy, und das satte Gramm Kokain und die sechs Flaschen Texas Driver, die Buddy zur Feier des Tages stiftete, hatten allgemeines Wohlbehagen und entsprechende geistige Kurzschlüsse ausgelöst. Sie waren hierhergekommen, um mit Arnie Cunninghams Plymouth ein bißchen Schlitten zu fahren.
»Hört zu, wenn man euch schnappt, verliere ich meinen Job«, sagte Sandy nervös. Er war als einziger stocknüchtern und bedauerte schon seit langem, daß er Cunninghams parken-den Schlitten erwähnt hatte.
Der Gedanke, daß er dafür auch ins Gefängnis wandern körine, war ihm zum Glück noch nicht gekommen.
»Wenn sie einen von uns erwischen, Sandy, bist du nicht nur deinen Job los, sondern wir fliegen alle von der Schule. Dann streiten die ab, daß sie uns jemals in ihrem Leben gesehen hätten! Die leugnen glatt, daß wir überhaupt geboren sind!«
sagte Moochie auf der Rückbank und erntete abermals Ge-lächter.
Sandy schaute sich nach anderen Autos um - nach Zeugen -, aber das nächste Flugzeug kam erst in anderthalb Stunden, und der Parkplatz war so verwaist wie die Berge auf dem Mond. Es war empfindlich kalt geworden, und ein Wind, so schneidend scharf wie eine Rasierklinge, pfiff über die Landepisten und die Rollbahnen und fauchte durch die Reihen der abgestellten Autos. Über dem Wächterhäuschen schepperte ein Reklameschild.
»Lach nur, du Schwachkopf«, meinte Sandy erbost. »Wenn sie euch erwischen, habe ich euch nie gesehen. Ich war gerade auf der Toilette.«
»Jesus, schaut euch dieses Baby an«, sagte Buddy mit betrübter Stimme. »Ich hätte nie geglaubt, daß er so ein Hosenschei-
ßer ist. Ehrlich nicht, Sandy.«
»Platsch, rumps, platsch!« rülpste Richie, und das brachte wieder Spaß und Gelächter. »Warum setzt du nicht einfach auf dein Gesicht und machst auf toter Mann, Sandy?«
Sandy lief dunkelrot an. »Mir ist es egal, was ihr mit dem Schlitten anstellt. Aber mir ist es nicht egal, wenn sie euch erwischen!«
»Wir passen schon auf, Mann«, sagte Buddy ernst. Er hatte einen Schluck Texas Driver und ein kleines Tütchen voll wei-
ßem Nasen-Candy gerettet, beides reichte er Sandy.
»Hier, viel Spaß.«
Sandy grinste, ohne es zu wollen. »Okay«, sagte er, und damit sie wissen sollten, daß er kein trauriger Sack war, setzte er noch hinzu: »Macht’s gründlich.«
Buddys Lächeln wurde hart und metallisch, das Glitzern in seinen Augen eine dunkle, angsteinflößende Glut: »Das machen wir schon. Bestimmt.«
Der Camaro fuhr auf den Parkplatz. Eine Weile konnte Sandy an den Heckleuchten noch seinen Weg verfolgen, dann schaltete Buddy das Licht ab. Ein paar Sekunden lang trug der Wind noch das Geräusch des Motors heran, dann war das auch weg.
Sandy legte das Coke-Briefchen auf die Theke neben den Fernseher und schnupfte mit Hilfe einer zusammengerollten Fünf-Dollar-Note. Dann nahm er sich die Flasche Texas Driver vor. Er wußte, er würde auch gefeuert, wenn er sich im Dienst betrank, aber das war ihm egal. Betrunken war immer noch besser, als ständig auf dem Sprung sein zu müssen, ob nicht einer von den beiden grauen Flughafen-Polizeiwagen auf einer Kontrollfahrt bei ihm vorbeikam.
Der Wind blies vom
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