Dokument1
konnte? Zweifellos.
Denn er konnte sich nicht mehr erinnern, was er nun wirklich an Christine repariert hatte und was nicht.
Die Zeit, die er in Darnells Wellblechschuppen verbrachte, war jetzt nur noch eine verschwommene Erinnerung, der Spa-zierfahrt zum Flughafen zu vergleichen. Er wußte noch ganz genau, daß er damit begonnen hatte, die Kühlerhaube zu lackieren, er hatte die Windschutzscheibe und die Kotflügel mit Klebeband abgedeckt, aber wann er die Federbeine erneuert haben sollte, das wußte er nicht mehr. Er erinnerte sich auch nicht, wo er sie gekauft hatte. Er wußte nur noch, daß er lange hinter dem Lenkrad gesessen hatte, überwältigt von Glücksge-fühlen … in einem ähnlich ekstatischen Zustand wie heute nacht, als Leigh ihm leise zugeflüstert hatte: »Ich liebe dich«, ehe sie durch die Tür ins Haus schlüpfte. Ja, stundenlang hatte er noch so hinter dem Lenkrad gesessen, nachdem die anderen, die an ihren Autos gearbeitet hatten, längst nach Hause gegangen waren. Das Abendbrot wartete auf sie. Er saß da, schaltete manchmal das Radio ein, um die Oldies auf WDIL zu hören.
Vielleicht war es bei der Windschutzscheibe am schlimmsten.
Er hatte keine neue Windschutzscheibe für Christine gekauft.
Dessen war er sich absolut sicher. Wenn er eine von diesen gewölbten Panoramascheiben gekauft hätte, wäre sein Konto-stand erheblich tiefer gerutscht. Und hätte er nicht eine Quittung dafür bekommen? Er hatte sie gesucht, hatte seinen Ordner AUTOKOSTEN durchgeblättert, aber er hatte keine Quittung gefunden. Nun, um ehrlich zu sein - er hatte auch nur halbherzig gesucht.
Dennis hatte einmal zu ihm gesagt, dieses Spinnennetz auf der Scheibe sähe kleiner aus, nicht mehr so gefährlich. Damals, als er nach Hidden Hills gefahren war, da war es.. waren die Sprünge plötzlich verschwunden. Die Windschutzscheibe war wie neu.
Aber wann war das geschehen? Wie war es geschehen?
Er wußte es nicht.
Endlich schlief er ein und hatte unangenehme Träume, und das Bettuch verwandelte sich in einen Wäscheklumpen, während der Wind die Schneewolken auseinanderwirbelte und die herbstlichen Sterne mit ihrem klaren kalten Licht nach unten schienen.
24 In der Nacht
Take you for a ride in my car-car,
Take you for a ride in my car-car.
Take you for a ride,
Take you for a ride,
Take you for a ride in my car-car.
- Woody Guthrie
Es war ein Traum - sie war sich fast bis zum Schluß sicher, daß es ein Traum sein mußte. In diesem Traum erwachte sie aus einem anderen Traum, der von Arnie handelte. Sie liebten sich, aber nicht in Arnies Wagen, sondern in einem sehr kühlen blauen Zimmer, in dem es keine Möbel gab, nur
•einen tiefblauen Fellteppich und ein paar Sofakissen mit hellblauen Seidenbezügen… sie erwachte aus diesem Traum in ihrem Zimmer zwei oder drei Stunden nach Mitternacht.
Sie hörte das Geräusch eines Automotors. Sie ging ans Fenster und blickte auf die Straße hinunter.
Christine stand am Bordsteinrand. Ihr Motor lief - Leigh konnte die Auspuffwolken sehen -, aber der Wagen war leer. Im Traum dachte sie, daß Arnie unten auf der Treppe vor der Tür stehen mußte, obwohl sie bisher kein Klopfen gehört hatte. Sie sollte rasch nach unten gehen. Wenn ihr Vater aufwachte und Arnie um vier Uhr morgens entdeckte, würde er fuchsteufelswild werden.
Aber sie bewegte sich nicht vom Fenster weg. Sie blickte hinunter auf den Wagen und dachte, wie sehr sie ihn haßte -
und zugleich fürchtete.
Und der Wagen haßte sie ebenfalls.
Rivalinnen, dachte sie - und im Traum dachte sie das nicht mit grimmiger, heißer Eifersucht, sondern eher verzweifelt und eingeschüchtert. Da stand er nun am Bordstein, da parkte er -
parkte sie - vor dem Haus in der schlaftrunkenen leeren Stille der Straße und wartete auf sie. Wartete auf Leigh. Komm herunter, meine Liebe! Nun komm schon. Wir machen eine Spazier-fahrt und sprechen uns aus, wer ihn nötiger braucht, wer ihn mehr liebt und wer auf lange Sicht besser für ihn sein wird. Nun komm schon… oder hast du etwa Angst?
Sie war entsetzt.
Es ist nicht fair von ihr. Sie ist älter, sie kennt die Tricks, sie wird ihn verführen…
»Verschwinde«, flüsterte Leigh entschlossen in ihrem Traum und klopfte dabei leise mit den Knöcheln gegen die Glasscheibe. Das Glas fühlte sich kalt an; sie konnte die kleinen halbmondförmigen Abdrücke ihrer Fingerknöchel auf der frost-beschlagenen Scheibe erkennen. Es war verblüffend, wie echt manche Träume sein
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