Dokument1
brennenden Klassiker der Nachkriegsgeneration« empfinden?), Klassen-Gemeinschaftsprojekte wurden halbfertig liegengelassen oder überhaupt nicht in Angriff genommen; der Prozentsatz der Nachsitzer - sie waren meist beim Küssen und Knutschen auf den Gängen erwischt worden - ging sprunghaft in die Höhe, ebenfalls der begrenzte Ausschluß vom Unterricht wegen Mari-huanarauchens, mit dem sich die Schüler in eine vorweihnachtliche Feststimmung bringen wollten. So ging alles vor Weihnachten in die Höhe; die Zahl der fehlenden Lehrer und die Weihnachtsdekoration in der Schule und zu Hause.
Nur Leigh Cabot war nicht auf der Höhe. Sie verhaute das erstemal, seit sie die High School besuchte, eine Arbeit und bekam eine unterdurchschnittliche Note im Sonderkursus Maschinenschreiben. Es fiel ihr unheimlich schwer, zu lernen; ihre Gedanken wanderten immer zurück zu Christine - zu den grünen Instrumenten am Armaturenbrett, die zu haßerfüllten Augen geworden waren und boshaft zugesehen hatten, wie sie erstickte.
Doch für die meisten war die letzte Unterrichtswoche vor den Weihnachtsferien eine milde Zeit, in der Vergehen nachgesehen wurden, die sonst bestimmt einen schriftlichen Verweis oder Unterrichtsausschluß eingebracht hätten, in der harther-zige Lehrer zuweilen das Handtuch des Vergessens über schriftliche Arbeiten breiteten, wenn alle in der Klasse schlecht abgeschnitten hatten; in der Mädchen, die vorher bitter verfeindet gewesen waren, sich versöhnten, in der Jungs, die sich wiederholt wegen echter oder angeblicher Beleidigungen geprügelt hatten, sich die Hand reichten. Doch den vielleicht überzeugendsten Beweis, wie müde diese Zeit tatsächlich war, lieferte Miss Rattenpack, die Meduse von Kurszimmer 23 - man sah sie lächeln, nicht nur einmal, sondern mehrmals.
Im Krankenhaus war Dennis Guilder begrenzt auf der Höhe
- er hatte sein Gipsbett gegen Gehgipse eingetauscht. Die Rehabilitationstherapie war nicht mehr so eine ‘Tortur wie anfangs. Er ruderte an zwei Krücken durch die mit Engelshaar und Flittergirlanden und erst-, zweit- und drittklassigen Weih-nachtsbildern dekorierten Flure, und manchmal versuchte er, mit seinen gummipufferbewehrten Krückstöcken im Takt zu den fröhlichen Weihnachtsliedern zu schwingen, die aus den Deckenlautsprechern rieselten.
Es war eine caesura, eine Flaute, ein Zwischenspiel, eine Periode der Ruhe. Während seiner schier endlos dauernden Streifzüge und Gehübungen durch die Krankenhauskorridore überlegte Dennis, daß die Dinge viel schlimmer hätten sein können - viel, viel schlimmer.
Es dauerte nicht lange, und dann waren sie das auch.
36 Buddy und Christine
Well it’s out there in the distance
And it’s creeping up on me
I ain’t got no resistance
Ain’t nothing gonna set mefree.
Even a man with one eye could see
Something bad is gonna kappen tome…
- The Inmates
Am Dienstag, dem 12. Dezember, verloren die Terrier gegen die Piraten 54:48 in der Sporthalle der Libertyville High School.
Die meisten Fans waren nicht übermäßig enttäuscht, als sie nach dem Spiel hinausgingen in die stille schwarze Kälte der Nacht: Jeder Sportreporter in Pittsburgh und Umgebung hatte eine erneute Niederlage der Terrier vorausgesagt. Das Resultat konnte man kaum als Überraschung werten. Und da war ja noch Lenny Barongg, auf den die Terrier-Fans stolz sein konnten: Er ganz allein hatte in dem Spiel 34 Punkte gemacht und einen neuen Schulrekord aufgestellt.
Buddy Repperton allerdings war enttäuscht.
Weil Buddy enttäuscht war, gab sich auch Richie Trelawney große Mühe, enttäuscht zu sein. Bobby Stanton ebenfalls, der auf der Rückbank saß.
In den zwei Monaten, seit er von der LHS geschaßt worden war, schien Buddy gealtert zu sein. Zum Teil lag das am Bart.
Er sah weniger wie Clint Eastwood aus und mehr wie eine versoffene junge Schauspielerversion von Captain Ahab. In den letzten Wochen hatte Buddy tatsächlich eine Menge getrunken. Er hatte so schreckliche Träume gehabt, daß er sich kaum noch an sie erinnern konnte.
Er wachte zitternd und schweißgebadet mit dem Gefühl auf, daß er mit knapper Not einer schrecklichen Katastrophe ent-kommen war, die ihn lautlos und dunkel verfolgte.
Der Fusel half gegen diese Alpträume. Er amputierte seine Erinnerungen daran.
Er vertrug die Umstellung nicht, daß er nachts arbeiten und tagsüber schlafen mußte, das war alles.
Er kurbelte das Seitenfenster seines verbeulten und zer-schrammten Camaro
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